Süddeutsche Zeitung

Diskussion um "Deutschland-Bonds":Hamburg drückt sich vor Hausaufgaben

Der Länderfinanzausgleich organisiert bereits, dass die stärkeren Bundesländer die schwächeren unterstützen. Wer wie Hamburg nun durch Deutschland-Bonds billiger an Kredite kommen will, fordert versteckte Subvention - statt seinen Etat vernünftig zu gestalten.

Hans-Jürgen Jakobs

In der Politik geht es manchmal zu wie auf einem Basar: Wer etwas Wertvolles besitzt, will dafür etwas vielleicht noch Wertvolleres eintauschen. Der Deal ist Alltag in der Demokratie. Niemand darf sich also wundern, dass der Sozialdemokrat Olaf Scholz für die nötige Zustimmung seiner Partei zum großen Euro-Fiskalpakt der Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel etwas Erleichterung an anderer Stelle erwartet: Eine gemeinsame Bund-Länder-Anleihe soll bald Geld auf dem Kapitalmarkt organisieren, was den Ländern zu günstigeren Konditionen verhelfen würde. Solche "Deutschland-Bonds" würden der recht klammen Freien und Hansestadt Hamburg helfen, deren Erster Bürgermeister Scholz seit gut einem Jahr ist.

Die Stadtstaaten Bremen, Berlin und Hamburg weisen (zusammen mit dem Saarland) unter allen Bundesländern die höchste Pro-Kopf-Verschuldung auf. In Hamburg steht immerhin der Reichtum der Bürger dagegen. Und doch sind diese Länder in Deutschland sozusagen das, was Griechenland, Portugal und Belgien für die Euro-Zone sind: Politische Gebilde, bei denen die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen viel zu groß ist. Und die muss mit immer mehr fremdem Geld gefüllt werden, damit alte Verbindlichkeiten getilgt werden können.

Genau für solche Fälle hat die Euro-Zone, unter Merkels Führung und durchaus mit Applaus der SPD, Regeln zur Konsolidierung aufgestellt. So soll die Politik der Löcher einer Strategie der Stärke weichen. Diesem Gedanken entspricht in Deutschland die Erfindung der "Schuldenbremsen", die seit dem Haushaltsjahr 2011 gelten und den Ländern sogar von 2020 an eine Nettokreditaufnahme verbieten.

Dass der Bürgermeister Scholz nun den europäischen Pakt gegen Schuldenmacherei quasi benutzt, um sich leichter etwas leihen zu können, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Warum soll einer den Vorteil niedrigerer Zinsen durch Deutschland-Bonds genießen, statt die Hausaufgaben zur vernünftigen Gestaltung des Etats zu bewältigen? Scholz' Argumentation wird auch nicht dadurch runder, dass er sich der Hilfe anderer SPD-Länder und der in Schleswig-Holstein regierenden CDU sicher sein kann.

Eine schlimme Perspektive wäre es, wenn irgendwann in Europa die Einführung von Euro-Bonds, also von gemeinschaftlichen Anleihen vieler Länder, dazu führen würde, dass hochverschuldete Staaten einfach weiter über ihre Verhältnisse leben. Genauso bedenklich wäre es, wenn Deutschland-Bonds unter den Ländern den Zwang zum besseren Wirtschaften aushebeln würden. Das Risiko ist in diesen Tagen groß, dass Schulden auf allen Ebenen vergesellschaftet werden.

Für die Angleichung der Lebensverhältnisse in der Republik gibt es den Länderfinanzausgleich. Er organisiert eine Unterstützung der schwächeren durch die stärksten Bundesländer. Eine versteckte Subvention über Deutschland-Bonds könnte zu viel der Hilfe sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1321083
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.03.2012/infu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.