Süddeutsche Zeitung

Gebühr fürs Geldabheben:Die Gratiszeiten sind vorbei - Banken müssen das endlich zugeben

Einige Volksbanken und Sparkassen kassieren bei eigenen Kunden fürs Geldabheben. Noch ärgerlicher ist: Die Institute gehen nicht offen mit ihren Problemen um.

Kommentar von Harald Freiberger

Bankkunden in Deutschland machen neuerdings eine Erfahrung der ganz anderen Art: Sie müssen Gebühren zahlen, wenn sie am Automaten der eigenen Bank Geld abheben. Bisher war das nur bei fremden Banken üblich. Eine Untersuchung ergab, dass bereits jede zehnte Sparkasse und jede siebte Volks- und Raiffeisenbank eine solche Abgabe eingeführt haben. Bankexperten gehen davon aus, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis Geldabheben flächendeckend Geld kostet.

Für die Kunden, die sich in diesem Bereich über Jahrzehnte an die Gratiskultur gewöhnt haben, ist das empörend. Auf ihre Ersparnisse bekommen sie ohnehin keine Zinsen mehr, nun werden sie auch noch für Selbstverständliches abkassiert. Der Grund ist offensichtlich: Die Banken, die seit fast zehn Jahren unter den niedrigen Zinsen leiden, holen sich über Gebühren das zurück, was sie an Zinsen nicht mehr verdienen. Es gibt fast nichts, was zuletzt nicht teurer wurde: Gebühren für Kreditkarten, für Überweisungen per Beleg, für Kontoführung. Das Einzige, was noch fehlt, ist eine Gebühr fürs Berechnen von Gebühren.

Dass es nun zunehmend keine kostenlose Versorgung mit Bargeld mehr gibt, ist ein weiterer Schlag für die Kunden, der zudem auch von großer symbolischer Bedeutung ist. Wenn es noch einen Beweis brauchte, wie prekär die Lage der Banken ist, dann ist er nun erbracht.

Noch ärgerlicher als die Gebühr selbst ist der Umgang der Banken damit. Verdruckst und heimlich haben sie die neue Abgabe eingeführt. Sie ist auf den Internetseiten der Kreditinstitute meist erst im Kleingedruckten zu finden oder im Preis- und Leistungsverzeichnis, das ohnehin niemand liest. Nach außen werben Filialbanken mit ihren Leistungen, und eine der größten ist die Versorgung der Bevölkerung mit Geld. Auffällig ist, dass es vor allem kleine Banken auf dem Land sind, die die Gebühr eingeführt haben - dort, wo die Kunden oft keine Alternative haben. Die Institute nehmen es von denen, von denen sie es nehmen können.

Am deutlichsten zeigt sich die verquere Logik der Kreditinstitute in der Person von Georg Fahrenschon, dem Präsidenten des deutschen Sparkassenverbands. Vor wenigen Monaten versprach er noch: "Abhebungen an unseren Geldautomaten sind für Kunden kostenlos - und das wird auch so bleiben." Selbst als die jüngste Erhebung öffentlich wurde, hielt Fahrenschon noch daran fest, dass "Abheben an einem der rund 25 000 Geldautomaten der Sparkassen natürlich nach wie vor kostenlos" sei. Nur wer ein entsprechendes Kontomodell wähle, zahle wie bei fremden Banken auch. Fahrenschon muss sich deshalb von der Bild-Zeitung als "Märchenonkel von der Sparkasse" vorführen lassen.

Die Einschränkungen, die er vorbringt, stimmen zwar: Die besagten Sparkassen nehmen nicht von allen Kunden Gebühren fürs Geldabheben. Meist ist das günstigste Kontomodell mit der niedrigsten Grundgebühr betroffen. Aber das ist genau jenes Modell, das die meisten Kunden gewählt haben - und übrigens auch die ärmsten.

Trotz dieser Einschränkungen aber bleibt es eine Tatsache, dass die Gratiszeiten bei den Banken vorbei sind. Dies zuzugeben, wäre glaubwürdiger, als gewundene Stellungnahmen zu veröffentlichen.

Stattdessen müssen sich Banken und Sparkassen eingestehen, dass ihr Geschäftsmodell, das ihnen über Jahrzehnte hohe Erträge einbrachte, in Zeiten des Nullzinses nicht mehr funktioniert. Die Zinsspanne - der Unterschied zwischen dem Zins für Sparprodukte der Kunden und für ausgereichte Kredite - war immer hoch genug, um die kostenlose finanzielle Grundversorgung der Bevölkerung zu garantieren.

Die Banken haben hohe Kosten - das müssen sie den Kunden erklären

Die Versorgung mit Bargeld kostet aber Geld: die Geldautomaten, die Sicherheitsvorkehrungen, der Transport von Münzen und Scheinen. Umso teurer wurde dies für die Banken, als sich die Bundesbank in den vergangenen Jahren aus der flächendeckenden Versorgung mit Bargeld zurückzog und den Kreditinstituten die Kosten aufbürdete.

Über Jahrzehnte haben die Banken die Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld über andere Einnahmen quersubventioniert. Wenn diese Einnahmen wegbrechen, sind sie gezwungen, von ihren Kunden die Kosten auch so zu berechnen, wie sie anfallen. Das müsste zumindest den vernunftbegabten Kunden zu erklären sein. Es wäre offener, transparenter und besser, als weiterhin so zu tun als ob, hintenrum an der Gebührenschraube zu drehen und zu hoffen, dass es schon niemand merken werde.

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SZ vom 03.04.2017/jps
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