Gebrauchtwagen in China:Vom Chery QQ bis zum Audi A8

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In keinem Land wächst der Automarkt so rasant wie in China, in Peking gibt es jetzt erstmals auch Gebrauchtwagen - die deutschen Fahrzeuge sind besonders beliebt.

Michael Kuntz

"Ich hole mal den Schlüssel", sagt der Verkäufer auf Chinesisch und schließt dann die Fahrertür auf. Ein Fehler. Im Innenraum stinkt der Audi nach kaltem Tabakqualm. Ansonsten macht der sechs Jahre alte A6 mit den dunklen Ledersitzen und einer Komplettausstattung einschließlich Navigationsgerät einen soliden Eindruck. Sein schwarzer Lack sieht gut aus an diesem sonnigen Wintermorgen auf dem Gebrauchtwagenmarkt in Peking. Und die Luft im Freien ist besser als im Auto. Kräftiger Wind hat China im Süden unangenehm viel Schnee beschert, in der Hauptstadt aber gnädig den Smog weggeweht.

Der größte Gebrauchtwagenmarkt in China: In Peking sind etwa 1000 Autos wie dieser VW Jetta im Angebot, umstellt von zwölfstöckigen Hochhäusern. (Foto: Foto: Michael Kunz)

Hier am Rand von Peking liegt an der dritten Ringstraße der Gebrauchtwagenmarkt - eine relativ neue Einrichtung: Bis vor kurzem gab es in dem aufstrebenden Land kaum gebrauchte Autos, die jemand verkaufen wollte. Neben dem Eingang stehen auf beiden Seiten große, moderne zweistöckige Gebäude. Sie erwecken den Eindruck, man würde auf ein Messegelände kommen. Doch links steht die zentrale Kfz-Zulassungsstelle von Peking mit 48 Anmeldeschaltern.

Sitzbezüge mit Disney-Motiven

Blickfang in der Halle ist eine Staatslimousine "Roter Stern", die aufgebockt hinter Absperrleinen zu besichtigen ist. Das rechte Gebäude enthält im ersten Stockwerk einen Saal für Auktionen von gebrauchten Autos. Im geräumigen Parterre verlieren sich einige deutsche Fabrikate. Der eigentliche Gebrauchtwagenmarkt liegt hinter den Hallen.

Seit in der Nähe des Sommerpalastes fast nur noch Neuwagen angeboten werden, ist hier im Südwesten der Stadt Pekings einziger und damit auch größter Gebrauchtwagenmarkt. An die tausend Fahrzeuge mögen im Angebot sein. Umstellt von Wohnsiedlungen mit zwölfstöckigen Hochhäusern spielt sich das Geschäft zwischen blauen oder gelben Pavillonzeilen mit jeweils zwölf Händler-Büros ab. Die sind nummeriert. Es wirkt geordnet und doch pittoresk. Die Autos stehen im Freien, und je vier oder fünf Verkäufer bewohnen apartmentgroße Räume, jedenfalls tagsüber. Kochutensilien, bequeme Stühle und oft eine Couch ergänzen die Geschäftseinrichtung.

Hinter dieser wohlgeordneten Welt, wo im Büro "A301" auch Sachverständige Preise schätzen, liegt ein unbebauter Platz. Dort preisen die Verkäufer ihre Ware an wie auf dem Wochenmarkt. Hier sind die Autos kleiner. Sie haben selten Ledersitze, aber in jedem Fall für den westlichen Geschmack gewöhnungsbedürftige neue Sitzbezüge - entweder Felle oder mit Motiven aus der Disney-Welt.

Hier gibt es den chinesischen Kleinwagen Chery QQ mit 10 000 Kilometer Laufleistung für 34 000 Yuan, was 3500 Euro entspricht. Schon für Bezieher eines Durchschnitts-Monatslohnes in Peking von 2000 Yuan ist er unerschwinglich.

Der verqualmte schwarze Audi A6 hat 100 000 Kilometer hinter sich, soll 240000 Yuan kosten und ist für den chinesischen Autofahrer auch gebraucht ein absolutes Luxusauto. Der Wagen stammt aus dem Jahr 2002. Er gehört damit zu den Fahrzeugen aus der Zeit, als die Motorisierung in China kräftig vorankam. Kauften bis dahin fast nur Behörden und Staatsbetriebe nach westlichen Maßstäben hergestellte Limousinen, so konnten sich nun auch immer mehr Privatleute Autos leisten. Das erklärt, weshalb jetzt eine große Zahl gebrauchter, noch gut erhaltener Modelle angeboten wird und in China nicht nur das Geschäft mit neuen, sondern auch das mit gebrauchten Wagen boomt. Ein Vorteil bei Importautos: Die hohe Einfuhrsteuer wurde bereits vom Erstkäufer bezahlt.

Warnung an der Einfahrt

2007 wurden in China fünf Millionen neue Fahrzeuge verkauft, mehr als in Deutschland und doppelt so viele wie im Jahr 2005. Das Land ist bereits zweitgrößter Automarkt nach den USA und der am stärksten wachsende. Ähnlich dynamisch entwickelt sich der Handel mit gebrauchten Autos, im Jahr 2007 wechselten in China 2,4 Millionen den Besitzer. Auch die Autofirmen richten Schauräume ein, in denen sie - wie anderswo - geprüfte Gebrauchtwagen mit Garantie und Finanzierung anbieten.

"Kaufen Sie kein Auto von Privatleuten auf dem Gelände, um Enttäuschungen zu vermeiden", warnt das Management des Marktes an der Einfahrt. Es werden hier wenige Autos aus rein chinesischen Fabriken angeboten, obwohl es mit 80 Automarken eine Auswahl gibt wie in keinem anderen Land. Viele Menschen sind während des chinesischen Neujahrsfestes verreist, die Geschäfte laufen daher an diesem Tag ruhiger als sonst. Kleinwagen sind zu sehen, deren Front stilistisch stark an die frühere Mercedes E-Klasse erinnert - stark miniaturisiert. Plagiatsverdächtige Nachbauten gibt es offenbar noch nicht gebraucht.

Die meisten Gebrauchtwagen tragen westliche Markennamen und stammen aus den Werken mit chinesischen Partnern, wie sie Volkswagen, Audi, BMW oder General Motors betreiben. Chauffeur-Wagen und Sport-Coupés von Mercedes stehen da. Die Händler sind flexibel: Der verräucherte Audi wurde im Land gebaut. Sein Navigationssystem hat chinesische Schriftzeichen. Falls daran ein Kauf scheitern würde, sei es möglich, auch einen A8 in der Langversion mit englischer Navigation aus deutscher Fertigung zu liefern, sagt der Verkäufer. Das ist selten, und doch im Angebot.

Am teuersten Gebrauchtwagen hängt ein Schild "Nicht berühren - unverkäuflich". Der aus seinem Büro-Bungalow herbeigeeilte Mann ruft: "Das ist ein Trick." Schließlich solle nicht jeder den roten Ferrari begrabschen, der nur 2000 Kilometer gelaufen ist und zwei Millionen Yuan bringen soll, also ungefähr 200000 Euro. Da sei kein Rabatt mehr drin. Aber bei Interesse könne er seinen noch teureren Sportwagen vorfahren lassen. Der noch unsichtbare gelbe Lamborghini soll 3,8 Millionen Yuan kosten.

Fünf Minuten, dann ist das alte Auto weg

Der normale Käufer wird sich den Lamborghini nie leisten können. Dennoch lobt einer von ihnen, ein Berufsmusiker und Jetta-Fahrer, den riesigen Markt: "Hier wirst Du in fünf Minuten das alte Auto los und kannst das neue gleich mitnehmen." Die Zulassungsstelle ist ja auch hier. Doch diese mehr praktischen Vorzüge spielen für den Mann eher eine Rolle am Rande.

Da nach China nur neue Autos importiert werden dürfen, gab es lange Zeit nicht viele günstige gebrauchte Wagen. Seit nun guterhaltene Gebrauchtwagen in größerer Zahl angeboten werden, ist für das Land ein neues Zeitalter der Motorisierung angebrochen. War ein Chinese bisher froh, überhaupt an ein Auto zu kommen, so hat er jetzt erstmals die Möglichkeit einer gewissen Auswahl. Mancher Käufer in der Volksrepublik lässt dabei nicht nur technische und wirtschaftliche, sondern politische Präferenzen in seine Entscheidung einfließen: Deutsche Autos finden viele gut, amerikanische und vor allem japanische sind weniger beliebt. Daran ändert kräftiger Tabakmief nichts, der Audi lässt sich ja lüften.

© SZ vom 09.02.2008/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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