GDL-Chef:Weselsky will nicht anders

Streik der Lokführer

"Hier stehe ich, ich kann nicht anders": Luthers Maxime hat sich auch der Chef der Lokführergwerkschaft GDL, Claus Weselsky, zu eigen gemascht.

(Foto: dpa)
  • Auf einem Podium diskutiert GDL-Chef Weselsky über den Reformator Luther und dessen Leitspruch - Mitten in der laufenden Schlichtung des Bahnstreiks.
  • Der Auftritt verrät einiges über den Menschen Weselsky und sein Selbstbild.

Von Cornelius Pollmer, Torgau

Vor Jahren schon fand Claus Weselsky beim Reformator Luther einen Sinnspruch, der ihm imponierte und den er also annahm zum eigenen Geleit. Er lautet: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Dieser Spruch gilt heute irgendwie auch für Bahnkunden, wenn sie an Streiktagen mal wieder vergeblich am Gleis warten. Seinem Ursprung nach aber steht er für eine gewisse Unnachgiebigkeit, für ein Festhalten an der eigenen Überzeugung.

"Ein verrückter Held"

Um Chancen und Risiken dieses Festhaltens zu untersuchen, bat die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) am Sonntagabend zu einer Podiumsdiskussion nach Torgau, in die traumhafte, einst von Luther geweihte Schlosskapelle. Frank Richter, der Direktor der Landeszentrale, hatte dafür auch GDL-Chef Weselsky angefragt und dieser habe, nur eineinhalb Stunden später, sein Kommen zugesichert.

Am Sonntag also saß Weselsky nun auf dem Podium, links außen, und neben ihm der Ossi-Versteher und Psychotherapeut Hans-Joachim Maaz. Richter fragte Maaz gleich zu Beginn, was Luther denn für ein Typ gewesen sei. Antwort: "Er war ein verrückter Held. Mit bestimmten Störungen, die man braucht, um etwas zu erreichen." Da wanderten viele Augen das erste Mal zu Weselsky, der den angebotenen Liegeplatz auf der Couch von Maaz leider nicht annahm: "Ich hoffe nicht, dass Sie mich jetzt analysieren und zu ähnlichen Diagnosen kommen wie bei unserem gemeinsamen Vorbild."

Parallelen zum Reformator

Für den Termin hatte Weselsky die Schlichtungen mit Erlaubnis verlassen, um noch am Abend wieder an den geheimen Ort selbiger zurückzufahren. Für diese Verhandlungen bleibt der Spruch Luthers der Diskussion zufolge noch immer Weselskys Strategie: Stehen bleiben, begründet durch ein Nicht-anders-können. Die Nähe zum Reformator dementierte Weselsky in Torgau zwar erst als vermessen, später ergab er sich aber doch einigen behaupteten Parallelen.

Für den Verlauf der Schlichtung ist zu hoffen, dass der GDL-Chef auch an anderen Stellen genau hingehört hat, als die Diskutanten der Runde über Luther redeten und dabei irgendwie auch Weselsky meinten. Karin Berndt, eine tapfere Bürgermeisterin aus Sachsen, sagte, in der Politik werde viel hässlicher gestritten als etwa unter Kindern - "die drücken sich dann einfach mal und beerdigen einen Streit." Hans Joachim Meyer, Staatsminister a. D., würdigte Luthers Satz als imponierend. Er dürfe aber "keine Rechtfertigung sein für ein Vorgehen auf Biegen und Brechen. Er kann auch zerstören."

Weselsky nahm auch diesen Wink nicht an, und bog stattdessen ab in einen Vortrag über öffentliche und veröffentlichte Meinung. Er sei "stolz, weil über den strikten Ansatz, den wir gewählt haben, viele Menschen zum Nachdenken gebracht wurden." Das konnte nun jeder, der es denn unbedingt mochte, schon wieder als ganz im Sinne Luthers begreifen.

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