Gazprom: Wladimir Kotenew:Gas und Glamour

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"Warme Herzen statt Kalter Krieg": Moskaus Party-Botschafter Wladimir Kotenew soll den Deutschen die Angst vor dem Riesen Gazprom nehmen - und dessen Macht weiter ausbauen. Einen wichtigen Duzfreund hat er schon.

Markus Balser

Die Diplomatenuniform hat er im Juni abgelegt, den Titel Exzellenz aufgegeben. Doch wer sich gefragt hatte, wer nach dem Abschied des russischen Botschafters Wladimir Kotenew aus Berlin die Rolle des Gastgebers für glamouröse Events übernehmen werde, bekam am Mittwochabend die Antwort: Kotenew selbst.

Wladimir Kotenew und seine Frau Maria Kotenewa (rechts) bei der Operngala für die Aids-Stiftung mit der Moderatorin Carola Ferstl. (Foto: picture alliance / dpa)

Gazproms neuer Statthalter in Deutschland hatte mit dem Geschäftspartner Wintershall gleich die Philharmonie für ein Gastspiel des weltberühmten Mariinskij-Orchesters aus St. Petersburg gemietet. Der richtige Rahmen für passende Worte zum Amtsantritt, fand Kotenew: Er wolle die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland vorantreiben. "Warme Herzen statt Kalter Krieg", versprach Kotenew.

Der erste öffentliche Auftritt des neuen Chefs von Gazprom Germania soll nach dem Willen der Moskauer Konzernstrategen Programm für das Erscheinungsbild des russischen Riesen in Deutschland werden. Kotenew müsse das angekratzte Image des mächtigen Konglomerats so schnell wie möglich aufpolieren, heißt es aus dem Unternehmen.

Denn spätestens seit dem Gaskrieg mit der Ukraine und Weißrussland ist der Einfluss Gazproms der deutschen Politik suspekt. Der Konzern hat sich als größter Gasexporteur der Welt auch zu einem der mächtigsten Unternehmen entwickelt. In dem hochkomplexen Geflecht arbeiten weltweit 440.000 Menschen. Jahresumsatz: fast 80 Milliarden Euro.

Kotenew beherrscht das Spiel mit der öffentlichen Aufmerksamkeit. Eine herzliche Umarmung mit Ex-Spitzenpolitikern wie Egon Bahr (SPD) und Lothar de Maizière (CDU). Ein Händedruck für Ex-SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter. "Kunst und Geschäft gehören zusammen", sagt Kotenew. Und er weiß: Netzwerken auf höchstem Niveau zeigt irgendwann Erfolge.

Sechs Jahre arbeitete der Botschafter an seinem Ziel, mit einer Charmeoffensive das Bild Russlands in Deutschland zu verändern. Weg von Korruption und Menschenrechtsverletzungen, mit denen das Riesenreich so oft identifiziert wird. Kotenew, der fast akzentfrei Deutsch spricht, setzte Offenheit dagegen - und blieb doch der knallharte Vertreter der Interessen seines Landes. Mit liebenswürdigem Gesichtsausdruck könne er seinen Gesprächspartnern unangenehme Entscheidungen präsentieren, sagt ein Manager.

Doch Kotenew reüssierte. Ende Juni gab es zum russischen Nationalfeiertag und zum Abschied des Botschafters einen großen Empfang im "Russischen Palais" unter den Linden. Außenminister Guido Westerwelle hielt die Laudatio auf seinen Duzfreund: "Lieber Wladimir, du bist nicht nur Repräsentant deines Landes, sondern für viele zum Freund geworden."

Kotenew, 1957 in Moskau geboren, kennt die Deutschen seit langem. Er studierte internationale Beziehungen in Moskau und trat 1979 in den Auswärtigen Dienst ein. "Ich war 22 Jahre alt, kam frisch von der Ausbildung in Moskau und landete im Westen Berlins, im Generalkonsulat der UdSSR in Dahlem als Sekretär". Zusammen mit seiner Frau Maria Kotenewa lebte er bis 1984 in Westberlin.

Die Stadt galt damals als die Hauptstadt der Agenten. Freie Kontakte waren kaum möglich. Nur mit Glück entging Kotenew einem Anschlag auf das Konsulat. Danach wurde er nach Ostberlin versetzt. Oft wurde der Diplomat in den vergangenen Jahren gefragt, ob er schon damals Bekanntschaft mit Wladimir Putin gemacht habe. Der lebte zu jener Zeit als Deutschland-Chef des russischen Geheimdienstes KGB in Dresden. Das hat Kotenew immer wieder verneint. Putin habe er erst kennengelernt, als er Botschafter geworden sei.

Das seit Jahren aufgebaute Netz von Kontakten soll Kotenew nun auch bei Gazprom helfen. Der Einfluss des Managers im Konzern wird groß sein. Denn die Tochter Gazprom Germania vermarktet Erdgas aus Russland und Zentralasien in ganz Westeuropa. Das Netz reicht vom zentralasiatischen Usbekistan über die Türkei bis Großbritannien. Der Konzern fördert, handelt und speichert das Gas. Ein Geschäft, das schon immer politisch war und bleiben wird. Von Gazprom hängen 40 Prozent der deutschen Gasversorgung ab. In ganz Westeuropa sind es 20 Prozent.

Im Gegenzug ist der russische Staatshaushalt auf die Finanzspritzen aus dem Gasgeschäft mit den westlichen Industriestaaten angewiesen. Regierungskontakte schaden da nicht. Zumal das Misstrauen in Deutschland gewachsen ist, seit Gazprom in den vergangenen Jahren mehrfach den Nachbarn Weißrussland und Ukraine im Streit um ausstehende Zahlungen den Gashahn zudrehte und damit auch Versorgungsengpässe in Europa auslöste.

Kotenews Berufung gilt nun als Zeichen für den Wandel von Gazprom Germania zum politischeren Unternehmen. Öffentlich war die deutsche Tochter bislang äußerst zurückhaltend. Der Konzern trat im Hintergrund auf, förderte den deutsch-russischen Jugendaustausch, finanzierte Ausstellungen und Konzerte. Erst seit ein paar Jahren sucht das Management die große Bühne. Gazprom wirbt mit einem Sponsorenvertrag in Millionenhöhe mit dem Fußballclub Schalke 04 deutschlandweit um Sympathie.

Aufgebaut hatte die deutsche Filiale seit 1990 Kotenews Vorgänger Hans-Joachim Gornig. Schon der war politisch gut verdrahtet. Gornig war in der DDR Stellvertretender Minister für Energie und Kohle. Für öffentliche Auftritte aber hatte Gornig wenig übrig. Gazprom-Vize Alexander Medwedjew machte schon bei der Vorstellung Kotenews im Sommer klar, was der Konzern von ihm erwartet. Man gehe davon aus, dass er die Geschäfte mit "Aggressivität, Effizienz und einer Fülle neuer Ideen" vorantreibe. Kotenew weiß, was er seinem neuen Arbeitgeber schuldig ist. "Der Einfluss von Gas", sagt er vor dem Konzert in Berlin und lächelt ins Publikum, "wird in Deutschland noch immer unterschätzt."

© SZ vom 05.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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