Süddeutsche Zeitung

Gazprom: Interesse an Eon:Auf in den Westen

Gazprom liefert gerne Gas nach Deutschland - und es soll mehr werden. Der russische Konzern würde gerne bei Energiefirmen wie Eon einsteigen. Bisher hat die deutsche Politik die Expansionspläne stets abgewehrt. Doch führende Koalitionsvertreter begrüßen jetzt Gazproms Pläne. Grund ist der Atomausstieg.

Gazprom strebt nach Deutschland. Der Konzern liefert schon heute rund 40 Prozent des deutschen Gases. Doch er möchte auch ins Endkundengeschäft einsteigen - und sich in den deutschen Markt einkaufen, am liebsten bei der Eon-Tochter Ruhrgas. Das bekräftigte Gazprom-Chef Alexej Miller im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Bislang hat die Politik jeden russischen Expansionsplan abgewehrt. Aber im Handelsblatt begrüßen jetzt Koalitionsvertreter Gazproms Pläne - wegen der Energiewende. "Ohne Atomkraft ist Deutschland künftig an Gaslieferungen aus Russland noch mehr interessiert als früher", sagte Martin Lindner, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. So sieht es auch sein CDU-Kollege Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion. "Sollte Gazprom in den Energiesektor größer einsteigen, könnte sich das auch für die deutsche Wirtschaft lohnen", sagte Pfeiffer dem Blatt.

Mit Interesse verfolge der Konzern, sagte Miller in einem Gespräch mit der SZ, dass deutsche Energiekonzerne wie Eon Unternehmensteile im Milliardenwert verkaufen wollten. Gazprom prüfe, sich am größten deutschen Energieversorger oder dessen Gas-Tochter Ruhrgas zu beteiligen. "Wir werden Angebote prüfen, die über reine Finanzinvestitionen hinausgehen und dem Konzern Mitsprache einräumen", sagte der Gazprom-Lenker. "Die Europäer werden noch sehen, was Gazprom für sie tun kann."

Mit einem solchen Einstieg bekäme Gazprom Zugriff auf das strategisch wichtige Leitungssystem des deutschen Konzerns. In der Vergangenheit war der Versuch russischer Unternehmen, sich an deutschen oder europäischen Konzernen zu beteiligen, immer wieder auf politischen Widerstand gestoßen. Doch nun reagiert Berlin anders: "Ablehnende Reflexe gegen einen Einstieg von Gazprom bei Eon sind unsinnig", zitierte das Handelsblatt Unionssprecher Pfeiffer.

Miller lenkt in Moskau ein weitverzweigtes Reich aus 400.000 Angestellten, 160.000 Pipeline-Kilometern und geschätzten tausend Tochterfirmen. Er gilt als rechte Hand des Kreml, Gazprom als strategisches Werkzeug Russlands. Premier Wladimir Putin kennt Miller, seit beide 1991 bei der Stadtverwaltung in Sankt Petersburg gearbeitet haben.

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