Süddeutsche Zeitung

Flugausfälle:Wie groß ist die Gefahr durch Drohnen?

Stundenlang ging nichts mehr am Flughafen London-Gatwick, weil Drohnen gesichtet wurden. Welche Unfälle drohen und was man dagegen tun kann.

Von Jens Flottau, Frankfurt, Christian Gschwendtner und Hans von der Hagen

Für Kosten von ein paar Hundert Euro für eine Drohne kann man einen der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte Europas lahmlegen: Wegen verdächtiger Drohnenflüge musste der Flughafen Gatwick seit Mittwochabend mehr als einen Tag lang den Flugverkehr einstellen, Zehntausende Fluggäste waren betroffen. Inzwischen dürfen Flugzeuge wieder starten und landen, aber die Drohnenpiloten sind noch nicht gefasst. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie groß ist das Drohnen-Problem an Flughäfen?

Das Problem wird immer größer. In Deutschland gab es laut Deutscher Flugsicherung im laufenden Jahr bislang insgesamt 152 gemeldete Vorfälle mit Drohnen, davon 119 an Flughäfen. Es gibt auch Berichte über Kollisionen mit Flugzeugen, die gerade landeten oder starten wollten. In Europa wurden auch schon Flughäfen stundenweise wegen gesichteter Drohnen gesperrt, aber noch nie so lange wie Gatwick. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) fordert schon länger schärfere Regeln, unter anderem eine Registrierungspflicht der Drohnen. Sie sollen auch mit Sendern ausgestattet werden, die sie für Fluglotsen und Piloten sichtbar machen.

Welche Gefahr droht Passagieren und Piloten?

Ein Zusammenstoß mit einer Drohne muss nicht in einer Katastrophe enden. Anfang Dezember kollidierte in Mexiko eine Boeing 737-800 höchstwahrscheinlich mit einem unbemannten Fluggerät. Die Flugzeugnase war eingedellt, die für einen Vogelschaden typischen Blutspuren fehlten. Schaden richten aber beide Ursachen an: "Ein Vogel muss nicht kleiner als eine Drohne sein", sagt Janis Georg Schmitt, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit und selbst Pilot. Beides könne die dünne Aluminium-Außenwand eines Flugzeugs beschädigen. Nach einer solchen Kollision könne ein Flugzeug wie die Boeing-Maschine in Mexiko meist noch normal landen. Gefährlicher sind die Folgeschäden, wenn zum Beispiel größere Teile aus der Flugzeug-Außenwand herausbrechen und in die Triebwerke gelangen. Einen anderen Drohnenunfall haben Forscher vom Dayton Research Institute jüngst simuliert. Allerdings nicht bei einer üblichen Landegeschwindigkeit, sondern bei maximaler Fluggeschwindigkeit einer Propellermaschine: Die Drohne bohrte sich in den Flügel hinein und beschädigte die Elektronik im Inneren massiv. Drohnenhersteller halten ein solches Szenario allerdings für unrealistisch. Denn die Geräte erreichen nie die normale Flughöhe von Flugzeugen.

Was kann noch passieren?

Selbst einfache Drohnen können enorm leistungsfähig sein. Sie sind teils extrem schnell und können Lasten - zum Beispiel auch Sprengstoff - tragen. Drohnen sind deshalb nicht nur für den Flugverkehr selbst gefährlich. Mit ihnen können auch Sicherheitskontrollen umgangen werden. Denkbar ist etwa, dass der Sicherheitszaun überflogen und gefährliche Gegenstände auf dem Gelände platziert werden.

Wie teuer ist der Ausfall für den Flughafenbetreiber Gatwick und die Airlines?

Der Schaden für Fluggesellschaften und Flughafen dürfte ein zweistelliger Millionenbetrag pro Ausfalltag sein. Besonders betroffen ist die Airline EasyJet, die in Gatwick eine ihrer größten Basen betreibt. Die Folgen der Schließung werden noch Tage später zu spüren sein, weil Flugzeuge und Besatzungen erst langsam wieder dort hin befördert werden, wo sie laut Flugplan eigentlich sein sollten.

Welche Strafen drohen?

Drohnen dürfen in Deutschland an Flughäfen und in einer Schutzzone von rund 1,5 Kilometern drum herum nicht fliegen. Verstöße dagegen sind ein "gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr", es drohen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Betroffene Unternehmen wie Flughafenbetreiber und Airlines könnten außerdem Schadenersatz für entstandene Kosten fordern.

Was können Fluggäste bei solchen Ausfällen tun, erhalten sie Geld zurück?

Flugausfälle wegen Drohnen gelten als höhere Gewalt. Daher können Passagiere sich nicht auf die EU-Richtlinie 261 berufen, die zum Teil hohe Entschädigungszahlungen vorsieht. Die Fluggesellschaften müssen sich aber um Verpflegung und Unterkünfte der Fluggäste kümmern, diese umbuchen oder den Ticketpreis erstatten, wenn ihre Kunden dies fordern. So entstehen für die Unternehmen trotzdem Kosten.

Wer ist für die Gefahrenabwehr zuständig?

Drohnen werden durch normale Radargeräte nicht erfasst. Sie werden bislang meist nur von Piloten aus dem Cockpit heraus erkannt und der Flugsicherung gemeldet. Da es sich um eine Straftat handelt, ist für die Abwehr der Drohnen dann die Landes- oder Bundespolizei zuständig.

Welche Maßnahmen helfen gegen die Gefahr durch Drohnen?

Außerhalb von Flughäfen ist es möglich, mit Hilfe von Störsendern das Signal zwischen Drohne und Fernsteuerung zu unterbrechen. Im Fachjargon ist von "jammen" die Rede. Ist das Funksignal gestört, fliegen Drohnen oft automatisch zu ihrem Startpunkt zurück oder landen. Diese Methode trifft allerdings komplette Funkbänder und eignet sich darum nicht für Flughäfen. Dort ist ein funktionierender Funkverkehr essentiell.

Eingesetzt werden stattdessen Netzkanonen und Fangdrohnen, mit deren Hilfe Netze auf die Drohnen geschossen werden. Allerdings ist es schwierig, die oft hoch und schnell fliegenden Fluggeräte damit zu erwischen. Ein Abschuss mittels Gewehr gilt aus den gleichen Gründen als problematisch. Und auch die Drohnen-Jagd mit Greifvögeln ist nicht erfolgversprechend. Unternehmen wie das Start-up Dedrone setzen darum auf neuere Methoden, die auch schon an Flughäfen eingesetzt werden: Mit Hilfe von Sensoren werden die Funkfrequenzen der Drohnen erfasst. Eine Software errechnet die Flugbahn der Drohne und kann mitunter auch den Gerätetyp bestimmen und damit das Gefahrenpotenzial der Drohne abschätzen. Ziel ist es dann, den Drohnenpiloten direkt ausfindig zu machen.

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