Gastronomie:Hühnchen oder Pasta?

Die einen freuen sich aufs Essen im Flugzeug, die anderen können es nicht mehr sehen. Kostenlos ist es immer seltener, dafür schmeckt es teils besser als sein Ruf. Über einen komplexen Markt im Wandel.

Von Felicitas Wilke

Seine beste und seine schlimmste Erfahrung mit Flugzeugessen hat Nik Loukas beim Frühstück gemacht. Er erinnert sich gut an das Rührei bei Turkish Airlines, das leckere Müsli, den türkischen Käse. Er weiß aber auch noch, wie "ölig und ekelhaft" die undefinierbare Pampe ausgesehen habe, die ihm eines Morgens von der ebenfalls türkischen Fluggesellschaft Onur serviert worden sei. Er hat sie stehen gelassen. Nik Loukas kennt sich aus. Der gebürtige Australier und ehemalige Flugbegleiter bloggt seit sieben Jahren über Flugzeugessen. Meist zahlt er seine Flüge und das Essen selbst, manchmal lässt er sich auch einladen und berät die Airlines. "Wenn das Essen an Bord gut gemacht ist, dann vermittelt es schon unterwegs ein Urlaubsgefühl und bringt einem das Land näher, in das man reist", sagt er. Im schlimmsten Fall läuft es eher umgekehrt.

Die Frage nach "chicken or pasta" hat vermutlich jeder schon mal gehört, der auf einer Mittel- oder Langstrecke unterwegs war. Feinsäuberlich wie beim PC-Spiel Tetris sind auf einem Tablett die verschieden großen Schälchen mit Essen angeordnet, unten meist die Hauptspeise, darüber Salat neben Pudding, an der Seite das Brötchen mit Butter und Käse. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem so standardisiert wirkenden Drei-Gänge-Menü in luftiger Höhe ein komplexer Markt. Wer künftig noch gut essen will, muss wohl zahlen.

Gastronomie: Ein bisschen wie beim Tetris: Flugzeugessen.

Ein bisschen wie beim Tetris: Flugzeugessen.

(Foto: mauritius images)

Erst Anfang vergangener Woche hat die Lufthansa ihre Cateringtochter LSG Sky Chefs zum Verkauf gestellt. Das Unternehmen hatte eigentlich eines der besten operativen Ergebnisse in der Geschichte hingelegt. Dennoch zeigt ein Blick in die Geschäftsberichte, dass die Marge verglichen mit anderen Konzernbereichen vergleichsweise gering ausfällt. Bei 3,6 Prozent lag sie 2018, im Bereich Technik war sie doppelt so hoch.

Die Probleme der Airline-Catering-Branche hängen eng mit dem Wandel der gesamten Luftfahrtindustrie zusammen. "Als das Flugzeug noch das Transportmittel der Wohlhabenden war, gehörten Schnittchen auf dem Silbertablett einfach dazu", sagt Klaus Knöpfle, Geschäftsführer der Vereinigung der Dienstleister an deutschen Flughäfen. Doch im Lauf der Jahrzehnte nahm der Wettbewerb zwischen den Fluggesellschaften zu, es entstanden neue Billigairlines wie Ryanair, Easyjet oder Norwegian, die kaum kostenloses Essen anbieten. Viele andere Fluggesellschaften zogen nach: Auf Flügen innerhalb Europas oder in die Urlaubsregionen in Nordafrika ist die Frage nach Hühnchen oder Pasta längst der Frage gewichen, ob es lieber Nüsschen oder Kekse sein dürfen.

Es gibt also auf den meisten Strecken weniger Essen an Bord, gleichzeitig fliegen heute mehr Menschen denn je: Allein im Jahr 2017 waren es 4,1 Milliarden Passagiere. "Die Flughäfen sind gewachsen, in der Folge sind die Mieten dort gestiegen", sagt Christian Bris. Der Franzose arbeitet seit vielen Jahren in der Airline-Catering-Branche und berät heute Fluggesellschaften und Cateringfirmen. Über die Jahre sei es insbesondere für kleine, inhabergeführte Caterer immer schwieriger geworden, ihre Küchen an den Flughäfen wirtschaftlich zu betreiben.

"Die Zahl der Unternehmen auf dem Markt ist geschrumpft", sagt Bris. Große Anbieter übernahmen kleinere. Acht Cateringfirmen teilten sich heute etwa 80 Prozent des Geschäfts untereinander auf, schätzt der Berater. Zu den größten in Europa zählen heute Gate Gourmet, das einer asiatischen Investmentgesellschaft gehört und in der Schweiz sitzt, die Noch-Lufthansa-Tochter LSG Sky Chefs, Newrest mit Sitz in Frankreich und Do&Co aus Österreich.

Lufthansa folgt einem Trend, wenn sich der Konzern jetzt von seiner Gastronomietochter trennen will. In den Neunzigerjahren machte American Airlines den Anfang, als es sein konzerneigenes Cateringunternehmen Sky Chefs an eben jene Lufthansa verkaufte - aus der LSG wurde LSG Sky Chefs. Auch andere Fluggesellschaften wie Air France trennten sich zumindest von Teilen ihres Gastronomiegeschäfts. "Die meisten Fluggesellschaften fokussieren sich auf den Transport und lagern Dienstleistungen aus", sagt Bris. Diesen Weg will nun auch die Lufthansa gehen: Man wolle sich "noch stärker" auf die Kernkompetenz konzentrieren, nämlich die Fluggesellschaften, begründet der Konzern seinen Strategieschwenk. Bei den rund 7000 Beschäftigten in Deutschland und den 35000 Mitarbeitern weltweit stoßen die Pläne auf Widerstand. Der geplante Verkauf sei "wirtschaftlich nicht notwendig und sozial verantwortungslos", sagt Katharina Wesenick von der Gewerkschaft Verdi. Die Arbeitnehmervertreter wollen sich gegen den Verkauf durch die Lufthansa wehren.

Die bekannte Schlagersängerin Margot Eskens sitzt im Flugzeug beim Essen Deutschland 1950er Jahre

Auf dem Silbertablett: So stilvoll wie Sängerin Margot Eskens in den 1950er-Jahren speisen Passagiere an Bord heute oft nicht mehr.

(Foto: imago)

Die Kunden in der Economy Class bekommen von all den Veränderungen auf dem Markt nur dann etwas mit, wenn sie auf einer längeren Strecke fliegen. Sonst gibt es ja ohnehin meist nur einen abgepackten Snack. Nicht jeder Passagier ist darüber traurig, denn Flugzeugessen hat nicht den besten Ruf. Das liegt auch an den besonderen Gegebenheiten in 10 000 Metern Höhe: Die Menschen nehmen Speisen dort fader wahr als auf dem Boden. Außerdem achten viele Fluggesellschaften streng auf ihre Kosten. Mehr als fünf Euro dürfe ein Drei-Gänge-Menü in der Economy Class bei vielen Fluggesellschaften nicht kosten, schätzt Blogger Loukas.

Dennoch nimmt er auch einen Gegentrend wahr. "Ich habe den Eindruck, dass manche Fluggesellschaften gutes und gesundes Essen an Bord zunehmend als Marketinginstrument einsetzen", sagt er. Aktuelle Beispiele geben ihm recht: So arbeitet British Airways, lange nicht für kulinarische Hochgenüsse bekannt, vom kommenden Jahr an mit dem österreichischen Caterer Do&Co zusammen. Die Menüs des Anbieters gelten als hochwertig und polierten bereits das Image von Turkish Airlines auf. Doch auch auf Flügen mit Singapore Airways schmecke es überdurchschnittlich gut, sagt Loukas.

Einen weiteren Trend sieht der Blogger in Upgrade-Menüs: Dabei können Passagiere, die Economy fliegen, gegen einen Aufpreis ein Essen auf Business-Class-Niveau verspeisen. "Ich fliege nächste Woche nach Wien und habe mein Schnitzel schon vorbestellt", sagt Loukas. Er hat aber auch einen Tipp für alle Passagiere parat, die an Bord kein zusätzliches Geld ausgeben wollen. Stellt die Stewardess oder der Steward die Frage, ob es "chicken or pasta" sein darf, rät er zum Hühnchen. "Die Kohlenhydrate liegen einfach schwerer im Magen, wenn man im Flugzeug sitzt", sagt er.

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