Süddeutsche Zeitung

Gastronomie:Billigschnitzel haben ihren Preis

Kellner und Köche werden häufig schlecht bezahlt. Deshalb wollen immer weniger Menschen in Hotels und Gaststätten arbeiten. Wer Qualität wünscht, muss zahlen.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Im Nachkriegswohlstand wurde es für die Deutschen selbstverständlich, im Restaurant zu essen und im Hotel zu übernachten. Die Arbeitszeit nahm ab, die Freizeit zu, der Urlaub auch. Dazu kommt, ausländische Touristen entdecken die Bundesrepublik. Die Hotel- und Gastrobranche muss also keine Angst vor zu wenig Nachfrage haben. Aber vielleicht klemmt es bald beim Angebot.

In einer Umfrage zeigte sich kürzlich, dass deutsche Gastgeber ganz andere Probleme artikulieren als ihre Kollegen in den USA, in Frankreich, Großbritannien oder Italien. Dort sorgt man sich um Terrorismus, die Weltwirtschaft und die Überflutung berühmter Sehenswürdigkeiten mit Touristen. Deutsche Hotels und Gaststätten dagegen fürchten vor allem eines: Fachkräftemangel. Manche registrieren sogar einen Mangel an Kräften überhaupt, vom Fach oder nicht. Schon sperren manche Restaurants zwischendrin zu oder hängen draußen ein Ruhetag-Schild hin. Wenn so auf Umsatz verzichtet wird, schadet das der Volkswirtschaft.

Am Personalproblem ist die Branche vielfach selbst schuld. Sie bezahlt einfach schlechter als andere Dienstleister - und als die Industrie sowieso. Service am Menschen gilt in Deutschland wenig, entsprechend wird er entlohnt. Das erleben Krankenschwestern genauso wie Paketboten. Wer dagegen Autos fertigt oder Geld verwaltet, verdient besser. Gastrobetriebe zahlen acht Euro die Stunde weniger als durchschnittliche Dienstleister, über 2000 Euro kommen viele Mitarbeiter kaum hinaus. Das reduziert im Wirtschaftsboom die Chancen, Personal zu finden. Zumal automatisch erwartet wird, abends und am Wochenende tätig zu sein. Manche Arbeitgeber machen es ihren Mitarbeitern zusätzlich schwer, in dem sie unbezahlte Überstunden verlangen oder Druck ausüben.

Mitarbeiter sind kein Kostenfaktor, sondern ein Wert

Die Personalstruktur der Branche hat sich ungünstig entwickelt. Die Vollzeitstellen schrumpfen. Es gibt inzwischen genauso viele Minijobber und andere Hilfskräfte wie regulär sozialversicherte Mitarbeiter. Das lässt sich nur zum Teil aus der Personalnot erklären. Es folgt auch aus der permanenten Sparpolitik. Beschäftigte in B-Jobs lassen sich leichter herumschubsen.

Der Ausweg aus dem Personalproblem ist, Mitarbeiter nicht als Kostenfaktor zu sehen, sondern als Wert. Und zum Beispiel wieder häufiger Tariflohn zu zahlen. Wenn Hotels und Gaststätten mehr Respekt und mehr Geld aufwenden, bekommen sie mehr heraus. Viele Arbeitgeber in der Branche tun dies sowieso. Aber andere eben nicht. Wenn sie ihre Haltung verändern, investieren sie in Qualität. Zufriedene Mitarbeiter leisten mehr. Zufriedene Azubis brechen nicht so häufig ab, derzeit wird jeder zweite Vertrag vorzeitig beendet. Hilfspersonal dagegen, das für ein paar Monate aus Billiglohnstaaten eingeschleust wird, verschlechtert den Service. Das merkt auch der Kunde.

Aber natürlich birgt eine Qualitätsstrategie Risiken. Klassische Restaurants kennen ja bereits die brachiale Konkurrenz von Fast-Food-Ketten, die sich mit Normware und oft mit Lohnknapserei riesige Marktanteile eroberten. Jetzt tauchen Lieferdienste als neue Rivalen auf. Und Hotels befürchten die Abwanderung zu Airbnb.

Eine Qualitätsstrategie funktioniert nur, wenn genug Kunden Qualität schätzen. Und nicht den unbedingten Preiskampf fördern, in dem sie möglichst viel Cocktail und Schnitzel für möglichst wenig Geld konsumieren. Beim Drink oder Hauptgericht für wenige Euro gilt das Gleiche wie bei Billigstfleisch im Supermarkt. Der Kunde spart, ein anderer zahlt den Preis. In der Gastronomie eben auch Köche und Kellner. Keiner darf sich wundern, wenn sie sich andere Berufe suchen.

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Quelle:
SZ vom 16.03.2019/vwu
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