Süddeutsche Zeitung

Geldanlage:Gamestop-Aktie verliert 65 Prozent

Der Kampf der Reddit-Rebellen gegen Hedgefonds hat die Aktie von Gamestop in absurde Höhen getrieben. Jetzt geht es in die andere Richtung.

Von Harald Freiberger

Der Aktienkurs der Videospiel-Kette Gamestop dürfte in diesen Tagen der meistbeachtete auf der ganzen Welt sein. An ihm lässt sich ablesen, wie es in dem Drama zwischen kleinen Anlegern und großen Hedgefonds, zwischen Flashmob und Wall Street, zwischen Arm und Reich steht. Die Tendenz der vergangenen zwei Tage läuft eindeutig gegen die Kleinen und für die Großen. Am Montag schon war der Kurs an der Frankfurter Börse um rund 30 Prozent gefallen, am Dienstag ging es bis zum Nachmittag um weitere 65 Prozent nach unten. Der Kurs stand bei 96 Euro. Auf dem höchsten Punkt am vergangenen Donnerstag waren es 410 Euro gewesen.

Ist das ein Zeichen dafür, dass der Zauber schon wieder vorbei ist? Die verrückten Vorgänge um die Gamestop-Aktie haben in der vergangenen Woche die Börsen erschüttert, seitdem ist nichts mehr wie davor. Tausende kleine, meist junge Anleger haben sich auf der Online-Plattform Reddit zusammengetan und schwerreichen Hedgefonds Schäden von mehr als 20 Milliarden Dollar zugefügt. Sie kauften Aktien von Gamestop, gegen die Hedgefonds wie Melvin Capital mit sogenannten Leerverkäufen gewettet hatten. Dadurch kam es zu einem Kursanstieg und in der Folge zu dem, was Börsianer "Short Squeeze" nennen: Der Leerverkäufer mussten Aktien kaufen, um immer höher werdende Verluste zu vermeiden. Dadurch aber befeuerten sie den Kursanstieg umso mehr.

Anfang Januar stand der Kurs noch bei 14 Euro, der Anstieg auf bis zu 410 Euro bedeutete, dass er sich fast verdreißigfachte - ein absurder Hype, der ausschließlich mit den Mechanismen des Short Squeeze zu tun hatte, nichts aber damit, dass sich die Lage des Unternehmens Gamestop "fundamental", wie die Börsianer sagen, in irgendeiner Weise geändert hätte.

Die Bewegung eines Aktienkurses ist immer das Ergebnis von Angebot und Nachfrage: Gibt es mehr Kaufinteressenten als angebotene Aktien, steigt der Kurs tendenziell - und umgekehrt. Der Kurseinbruch von Gamestop in den vergangenen beiden Tagen deutet darauf hin, dass die Verkäufer gegenüber den Käufern die Oberhand hatten. Sei es, weil nicht mehr genügend neue Käufer dazugekommen sind; sei es, weil weniger Leerverkäufer ihre Geschäfte einlösen und Aktien kaufen mussten; sei es, weil Besitzer ihre Gewinne mitnehmen wollten.

In den Foren von Reddit kursierte auch die These, der Kurs werde von interessierter Seite künstlich nach unten gedrückt. "Wenn man zwischen zwei Depots wenige Aktien in hoher Geschwindigkeit zu einem immer niedrigeren Preis hin und her tradet, sieht es für die Kursberechnung so aus, als ob der Kurs fallen würde", schrieb ein Nutzer. In den USA werde das "Low volume trade attack" genannt. Wenn andere Aktionäre daraufhin auch verkauften, komme es zu einer Kettenreaktion.

Die Reddit-Rebellen haben ein großes Interesse daran, dass der Kurs hoch bleibt - zum einen, um ihren Sieg gegen die Großinvestoren noch länger aufrechtzuerhalten, zum anderen auch, weil viele mit den Aktien auf dem Papier auch hohe Gewinne stehen haben. Deshalb finden sich auf Reddit auch viele Durchhalte-Appelle, die Aktien ja nicht zu verkaufen.

"Es ist schwer vorherzusagen, wie sich der Kurs in den nächsten Wochen entwickeln wird", sagt Markus Scharhag, Aktienhändler bei der Münchner Bank Hauck & Aufhäuser. Nach Daten von US-Analysefirmen sind noch etwa halb so viele Gamestop-Aktien leerverkauft wie vor einigen Wochen, rund 30 Millionen Stück. Das bedeutet auch, dass nach wie vor viele potenzielle Käufer im Markt sind. So lange wird das Ringen zwischen Käufern und Verkäufern weitergehen, so lange kann der Kurs weiter stark nach oben oder unten springen. "Für Privatanleger ist es in einer solchen Phase ein großes Risiko einzusteigen, sie sollten davon die Finger lassen", sagt Scharhag. Der Händler ist aber auch sicher, dass der Kurs langfristig, auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten, auf sein "fundamentales" Niveau fallen wird, also dorthin, wo Gamestop aufgrund seines Geschäftsmodells, seiner aktuellen und künftig möglichen Einkünfte steht. Analysten sehen dieses Niveau irgendwo zwischen fünf und 20 Euro.

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