Gamescom:"Deutschland bietet Spieleunternehmen nicht wenig, sondern nichts"

Gamescom: "Beyond Good & Evil 2" ist ein noch unveröffentlichtes Spiel aus dem Hause Ubisoft. Das Mainzer Studio Blue Byte entwickelt das Spiel mit, die Führung bei der aufwendigen Produktion hat aber das Ubisoft-Studio im französischen Montpellier inne.

"Beyond Good & Evil 2" ist ein noch unveröffentlichtes Spiel aus dem Hause Ubisoft. Das Mainzer Studio Blue Byte entwickelt das Spiel mit, die Führung bei der aufwendigen Produktion hat aber das Ubisoft-Studio im französischen Montpellier inne.

(Foto: Studios Blue Byte)

Die Games-Branche verzeichnet Rekordumsätze. Zum Start der Gamescom erklärt Benedikt Grindel vom größten deutschen Studio Blue Byte, warum sich deutsche Entwickler trotzdem mehr Förderung vom Staat wünschen.

Interview von Caspar von Au

Den allermeisten Besuchern der Gamescom dürfte egal sein, was Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zu sagen hat, wenn er am Dienstagvormittag die größte Computerspielmesse der Welt eröffnet. Die deutschen Entwickler werden aber ganz genau hinhören. Denn im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgelegt, die Spieleproduktion in Deutschland finanziell zu fördern. Im Bundeshaushalt 2019 sind 50 Millionen Euro für die Spieleentwickler vorgesehen, aktuell brütet das zuständige Verkehrsministerium (BMVI) noch über den Modalitäten. Der Schock für die Branche kam Ende Juni: Im kommenden Bundeshaushalt sind bislang null Euro für die Games-Förderung vorgesehen.

Spieleentwickler wie Benedikt Grindel, Studioleiter bei Ubisoft Blue Byte, schlagen deshalb Alarm. Die Tochter des französischen Publishers Ubisoft (Assassin's Creed, Anno, Rainbow Six) ist mit 520 Mitarbeitern in Düsseldorf, Mainz und Berlin der größte Arbeitgeber der Branche in Deutschland. Grindel ist auch Vorsitzender des Arbeitskreises Förderung im Branchenverband "Game".

SZ.de: Herr Grindel, 4,4 Milliarden Euro wurden 2018 in Deutschland mit Computerspielen erwirtschaftet - ein neuer Rekord. Dieses Jahr könnten nochmal gut zehn Prozent dazukommen. Trotzdem fordert die Branche Subventionen. Wie passt das zusammen?

Benedikt Grindel: Games sind in Deutschland ein Erfolgsprodukt, wie weltweit auch. Wir sind einer der größten Märkte. Da ist es bedenklich, dass die Spiele, die in Deutschland entwickelt werden, an diesem Erfolg nicht teilhaben. Nur 4,3 Prozent des Umsatzes aller Spiele in Deutschland kommt aus heimischen Entwicklungen. Bei Blockbustern, also den richtig großen Spielen, ist es nur ein Prozent. Die Entwicklungsbranche ist einfach zu klein und arbeitet an zu wenigen großen und erfolgreichen Titeln. Da muss etwas passieren.

Und was?

Ich kann zitieren, was im Koalitionsvertrag steht und was auch Angela Merkel vor zwei Jahren auf der Gamescom gesagt hat: Wir wollen ein Level-playing-field (gleiche Wettbewerbsbedingungen, Anm. d. Red.) mit Frankreich, Polen, England und Kanada schaffen, wo andere Bedingungen für Games-Entwickler herrschen. Diese Staaten haben vor vielen Jahren erkannt: Das ist eine Zukunftsbranche, da müssen wir die Rahmenbedingungen entsprechend anpassen. Im Bereich der Produktionsförderung hinken wir hinterher. Deutschland bietet im Vergleich mit anderen Standorten nicht wenig, sondern im Prinzip nichts. Es gab klare Versprechen und Erwartungen wurden geschürt. Jetzt muss die Politik liefern.

Wer würde von der Förderung profitieren?

Auf Bundesebene im gleichen Maße alle Firmen - große, mittlere, kleine. Es ist wichtig, dass wir das gesamte Ökosystem deutlich vergrößern und ergänzen. Wir müssen dafür sorgen, dass es mehr große Studios gibt, damit mehr große Titel aus Deutschland kommen. Gleichzeitig dürfen wir natürlich nicht damit aufhören, Start-ups zu fördern. Aber für kleine Studios gibt es bereits Fördermöglichkeiten. Dazu gehören vor allem regionale Förderinstitutionen, die Projekte finanziell unterstützen, wie beispielsweise in Berlin-Brandenburg, Nordrhein-Westfalen oder auch Bayern. Kleine und mittlere Games-Unternehmen können zudem einen Zuschuss von maximal 200 000 Euro beantragen.

Studioleiter Benedikt Grindel bei Ubisoft Blue Byte

Studioleiter Benedikt Grindel von Ubisoft Blue Byte fordert die Bundesregierung auf, langfristige Förderung für Spieleproduktionen einzurichten.

(Foto: Ubisot)

Nun ist Ubisoft ein äußerst erfolgreiches Unternehmen und hat 2018 rund 2 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Warum sollte so ein Konzern staatlich subventioniert werden und investiert nicht aus eigener Kraft in deutsche Standorte, wie die Tochter Blue Byte?

Genau das tun wir. Wir sind im letzten Jahr um mehr als hundert Mitarbeiter gewachsen. Wir haben das Studio in Berlin eröffnet. Wir sind voller Überzeugung hier. Aber das könnte schneller gehen. Wir müssen mehr Arbeitsplätze schaffen als in anderen Ländern, um den Rückstand aufzuholen. Mit der Förderung sehen wir ein Potential von 1000 Mitarbeitern und mehr bis 2023. Das wären zukunftssichere Jobs im Bereich Programmieren, Grafik und Design. Das soll in Deutschland stattfinden, nicht in anderen Ländern.

Aber sind dann 50 Millionen Euro pro Jahr nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Nein, die sind ein sehr guter erster Schritt. Aber ich weiß, dass sehr hohe Nachfrage besteht und dass die 50 Millionen Euro sicherlich gut abgefragt werden. Deshalb muss das in den nächsten Jahren weiter anwachsen, wenn die Förderung einmal etabliert ist.

Wie sähe eine nachhaltige Förderung aus?

Sie muss einfach und verlässlich sein. Best practice im Bereich der Förderung ist international das sogenannte "tax credit model". Das heißt, die Steuer verringert sich durch den Fördersatz. In Deutschland ist das schwierig. Das aktuell diskutierte Modell geht deshalb in Richtung Games-Fonds. Das ist etwas komplizierter. Große Spiele entwickelt man nicht in einem Jahr, den Bundeshaushalt gibt es aber nur für ein Jahr. Wir machen kein Projektgeschäft, sondern bauen langfristige Strukturen auf. Der Erfolg eines Studios liegt in der Qualität der Teams, die er über viele Jahre aufgebaut hat. Deswegen brauchen wir verlässliche Förderung über Jahre hinweg. Dass die Games-Förderung im aktuellen Haushaltsentwurf 2020 noch nicht drinsteht, ist ein fatales Signal.

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