Galeria Karstadt Kaufhof:Mehr als Kosmetik

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Ein Plakat mit dem gemeinsamen Markennamen Galeria hängt im Schaufenster der ehemaligen Kaufhof-Filiale in Köln. (Foto: dpa)

Das Warenhaus wird hart saniert oder zerschlagen, so sieht es ein Plan vor. Fast die Hälfte der etwa 170 Filialen könnten schließen - für die Gewerkschaft ein Desaster.

Von Michael Kläsgen, München

Über die Rolle des österreichischen Selfmade-Milliardärs René Benko wird noch lange spekuliert werden. Ist für ihn nun dank Corona die Gelegenheit gekommen, Galeria Karstadt Kaufhof zu zerschlagen? Um mit dem kleinen, übrig gebliebenen Rest endlich Geld zu verdienen? So sehen es viele Mitarbeiter und Arbeitnehmervertreter. Oder will der geschäftige Österreicher und Eigentümer des Konzerns es sich und Deutschland beweisen, dass Warenhäuser auch im Online-Zeitalter eine Existenzberechtigung haben? So wollen es die Leute glauben machen, die für ihn arbeiten.

Seine Mannen beteuern, er habe Millionen in die Kaufhäuser investiert. Und man dürfe sich auch fragen, warum er sich das alles überhaupt angetan habe, die maroden Häuser Karstadt und Kaufhof zu fusionieren? Tatsächlich schienen beide schon vor der Zwangsehe zum Scheitern verurteilt. Aber was jetzt passiert, wirft erhebliche Zweifel an Benko-freundlichen Version auf. Er selber äußert sich ja nicht. Dabei brennt es bei Galeria Karstadt Kaufhof.

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Fast die Hälfte der etwa 170 Filialen von Karstadt Kaufhof könnte schließen, 80 an der Zahl, so sieht es ein Sanierungsplan vor, der dem Gesamtbetriebsrat am Freitag vorgelegt wurde. Tausende der offiziell noch 28 000 Mitarbeiter könnten ihren Job verlieren, von 5000 Vollzeitstellen ist die Rede. Vermieter und Lieferanten weitgehend leer ausgehen; und der Warenhauskonzern könnte in Einzelteilen verramscht werden. Pleite ist er schon.

Anfang April ließ die Geschäftsführung einen "Schutzschirm" über sich aufspannen. Seither sind alle Instrumente erlaubt, mit denen Sanierer Gläubiger, also Mitarbeiter, Vermieter und Lieferanten "foltern" können, so drückt es ein Insolvenzverwalter aus. Das ist praktisch für die amtierende Führungscrew, alle behalten ihren gut dotierten Job, das andere erledigen Sachwalter Frank Kebekus und der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz. Die Härte, mit der sie durchgreifen, soll manchem Oberen gefallen. "Es muss diesmal mehr sein als Kosmetik", lässt sich einer zitieren. Aber muss es gleich eine Verstümmelung sein?

Die in dem Schutzschirmverfahren zuständige, aber weitgehend machtlose Gewerkschaft zeigt sich jedenfalls empört. "Das ist brutal! Es hat den Anschein, dass die Unternehmensleitung und der Eigentümer die Corona-Krise missbrauchen, um ihre ursprünglichen Planungen von Standortschließungen und Entlassungen doch noch umzusetzen", echauffiert sich Stefanie Nutzenberger, Verdi- Bundesvorstandsmitglied. Allerdings: Erst einmal handelt es sich nur um den Entwurf eines Sanierungsplans. Das Schreckensszenario könnte auch eine Art Verhandlungstaktik sein. Sanierer Geiwitz hat mit dem Aufschrei Verdis gerechnet. Folterinstrumente kann man auch mit Kalkül einsetzen.

Ein Insolvenzverwalter sagt: "In solchen Verfahren werden in der Regel von sämtlichen ,Stakeholdern' Sanierungsbeiträge eingefordert. Die jeweilige Höhe ist dabei individuell zu verhandeln." Genau an dem Punkt ist man jetzt bei Karstadt Kaufhof. Gesetzliche Vorgaben oder Usancen gibt es nicht. Nur: "Ob man mit Extremforderungen in solche Verhandlungen geht, um mit realistischen Ergebnissen heraus zu kommen", weiß der Kenner, "ist wohl Geschmacksache." Bei der Führungstruppe von Karstadt könnte es sein, dass man das Würzige bevorzugt. Da ist man seit Jahren einiges gewohnt.

So ein Schutzschirmverfahren erinnert irgendwo auch an Erpressung. Denn stimmen die Gläubiger auch dem härtesten Sanierungsplan nicht zu, können die Restrukturierer immer noch drohen, den Stecker ganz zu ziehen. Es gebe derzeit keinen Käufermarkt, sagt Geiwitz. Er habe sich da umgehört. Wer wolle in Zeiten des Shutdowns schon in Läden investieren? Da wäre man wieder bei Benko, dem scheuen Immobilienhändler. Ihm gehören die allermeisten Läden ja zum Glück nicht. Die Zeit spielt für ihn und er investiert. "Ohne ihn", sagt Geiwitz, "wäre alles noch viel schlimmer."

© SZ vom 16.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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