Galeria Karstadt Kaufhof:90 Filial-Schließungen? Echt jetzt?

Galeria Karstadt Kaufhof: Der Kaufhof in Witten 2021.

Der Kaufhof in Witten 2021.

(Foto: S. Ziese/imago images/blickwinkel)

Management und Sanierer überbieten sich mit Schreckensszenarien. Was hinter dem Zahlengeschacher der insolventen Kette steckt.

Von Michael Kläsgen

Ausgerechnet kurz vor Weihnachten steigert sich die Ungewissheit für die 17 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kriselnden Kaufhauskette Galeria für viele wohl bis hart an den Rand des Erträglichen. Ein Schreckensszenario jagt das andere. Schließen von den verbliebenen 131 Filialen nun 45 oder 90? Die Gewerkschaft Verdi sah sich am Dienstag dazu veranlasst, ein deutliches Wort zu sprechen. "Jede Schließung ist eine erneute Kapitulation des Managements", sagte Stefanie Nutzenberger, die für Handel Zuständige im Verdi-Bundesvorstand. Das Management dürfe die "wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht einfach auf Corona abwälzen und sich ansonsten einen schlanken Fuß machen".

Das sind deutliche Worte, aber das ganze Drama offenbaren sie nicht. Weihnachten, das ist eigentlich die Zeit, in der Warenhäuser wie Galeria Karstadt Kaufhof den meisten Umsatz im Jahr machen. Die Zeit, in der die Mitarbeiter gut drauf sein sollten. Doch nicht so bei dem angeschlagenen Essener Konzern. Er hat kurz vor Beginn des wichtigen Weihnachtsgeschäfts zum zweiten Mal innerhalb von zweieinhalb Jahren einen Insolvenzantrag gestellt. Im Oktober 2020 war der Konzern komplett entschuldet, Tausende Mitarbeiter entlassen und die Gläubiger um zwei Milliarden Euro geschröpft. Doch nun geht das Zittern bei den verbliebenen Mitarbeitern von vorn los.

Bemerkenswert ist dabei die Dramaturgie der Verbreitung der Schreckensnachrichten. Und auch wer sie verkündet. Der Sanierer Arndt Geiwitz ist zwar derjenige, der die Einschnitte vornimmt und dessen Kanzlei allein an der Rosskur 2020 weit mehr als 20 Millionen Euro verdiente. Er hält sich aber bisher vornehm zurück und verweist auf Ende Januar. Bis dahin könnte es eine Streichliste geben.

Galeria-Chef Miguel Müllenbach geht da anders vor. Er sprach in der vergangenen Woche in einem Interview mit der FAZ von "mindestens einem Drittel" der 131 Filialen, die geschlossen würden, also 43. Andere Medien nannten die Zahlen 50 bis 60. Müllenbach sendete zudem das Signal: Der Vorstand spart auch! Die Einkaufschefin und der Personalchef müssen gehen.

Wenn die ganz schlimme Botschaft draußen ist, klingt die schlimme nicht mehr ganz so schlimm

Doch nun werden über die Bande Gesamtbetriebsrat (GBR) noch hässlichere Szenarien kolportiert. In einem Schreiben des GBR heißt es, bis zu 90 Filialen könnten geschlossen werden. Im Service Center solle die Hälfte des Personals entlassen werden, in den weiterbetriebenen Filialen bis zu 30 Prozent. Nur: Das Schreiben stammt vom 10. Dezember und beschreibt die Maximalposition vor den Interviewaussagen von Müllenbach. Stellt sich die Frage: Warum wird es jetzt publik, wenn es womöglich längst überholt ist?

Beobachtern zufolge wiederholt sich hier ein Muster von 2020. Wenn erst die ganz schlimme Botschaft draußen ist, klingt die schlimme nicht mehr ganz so schlimm. Dann kann man sogar noch darüber reden, welche Filiale vielleicht gerettet werden kann. So manch einer, der massenhaft Stellen strich, könnte plötzlich als Retter dastehen. Nutzenberger erinnert zwar daran, dass die Beschäftigten "in den letzten Jahren auf zig Millionen Euro verzichtet hätten, um ihren Arbeitsplatz zu retten". Aber manche Geschichten enden auch anders: mit einem schnöden The winner takes it all.

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