G-8-Gipfel in Camp David:Merkel gegen den Rest der Welt

Europa ist der gefährlichste Krisenherd der Weltwirtschaft. Aus Sicht der wichtigsten Verbündeten kann die Lösung nur aus Deutschland kommen, Merkels Sparkurs gilt als massiver Fehler. Der G-8-Gipfel zeigt, wie sehr die Kanzlerin nun international isoliert ist.

Nikolaus Piper

Gipfelerklärungen sind Formelkompromisse; das liegt in der Natur der Sache. Bei ihrem Gipfel in Camp David verpflichteten sich die acht großen Industrieländer, alles zu tun, "um unsere Wirtschaften zu stärken und neu zu beleben", wobei "die richtigen Maßnahmen nicht für jeden von uns gleich" seien.

Unter diesem Dach kann sich in der G 8 jeder wiederfinden - Angela Merkel mit ihrer Sparpolitik ebenso wie Barack Obama und der neue französische Präsident François Hollande. Viel wichtiger ist, wie die Gipfel-Teilnehmer solche Sätze für ihre jeweilige nationale Öffentlichkeit interpretieren. Für Merkel war es das Wichtigste, dass das Wort "Konjunkturprogramm" nicht in den Dokumenten auftauchte. Obama und Hollande waren zufrieden, dass man sich auf "unmittelbare Maßnahmen zur Wachstumsförderung" geeinigt hatte.

Das zeigt: Die Konfliktlinien zwischen Sparen und Wachsen sind nach Camp David unverändert geblieben: Auf der einen Seite steht Deutschland, auf der anderen der Rest der Welt.

Europa ist der gefährlichste Krisenherd der Weltwirtschaft, und die Bundeskanzlerin wird als Hauptverantwortliche gesehen, im Guten wie im Bösen. Aus Sicht der wichtigsten Verbündeten Frankreich und USA kann die Lösung nur aus Deutschland kommen, Merkel verschärft jedoch mit ihrem Beharren auf "Austerität", auf eiserner Spardisziplin, die Krise. Merkels Kurs mag im Inland sehr populär sein, international ist sie, wenn es darauf ankommt, isoliert.

Dabei ist das Verständnis für die Berliner Position über die Jahre der Euro-Krise durchaus gewachsen. Niemand verdenkt es den Deutschen, dass sie nicht unbegrenzt für die Fehler anderer bezahlen wollen. Trotzdem gilt der Sparkurs Merkels als massiver Fehler. Es wird einiges brauchen, um den internationalen Druck von der Bundesregierung zu nehmen.

Ein Blick zurück macht den Wandel deutlich. Vor zwei Jahren, beim Gipfel der G-20-Staaten in Toronto, konnte Merkel die Forderung durchsetzen, die Industrieländer sollten ihre Haushaltsdefizite bis 2013 halbieren.

Unterstützt wurde sie damals von dem neu gewählten britischen Premierminister David Cameron. Inzwischen hat Cameron mit seiner Sparpolitik Großbritannien in eine Rezession geführt und entsprechend an Glaubwürdigkeit verloren.

Deutschland wird zwar das Defizitziel voraussichtlich übererfüllen, Europa damit aber kaum helfen. Und Frankreich hat einen neuen Präsidenten, der seine Wahl mit großzügigen Wachstumsversprechen gewonnen hat.

Die Bundesregierung wird gut daran tun, sich zu konkreten Maßnahmen der Wachstumsförderung zu entschließen, aus politischen wie aus sachlichen Gründen.

Die Botschaft von Camp David

Zunächst die politischen: Nach jüngsten Äußerungen aus Paris wird Hollande notfalls auf ziemlich ruppige Weise seine Vorstellungen von Wachstumspolitik in Berlin durchsetzen. Deutschland und Frankreich müssen aber eine neue Balance finden, um als Herz der europäischen Krisenpolitik funktionieren zu können.

In der Sache ist nach all den Gipfeln, Rettungspaketen, Rettungsschirmen und Sparprogrammen klar: Die Euro-Krise hat, wieder einmal, einen entscheidenden Punkt erreicht. Der Austritt Griechenlands aus dem Euro ist nicht mehr nur eine theoretische, sondern eine sehr praktische Möglichkeit.

Klar ist inzwischen, dass die EU zumindest anfangs von Griechen, Spaniern und Portugiesen zu viel Sparen verlangt hat. Deren Ziele waren zu ehrgeizig und konnten, selbst bei bestem Willen, nicht erreicht werden. Jetzt droht Griechenland das politische Chaos. Die Menschen brauchen dringend ein Stück Hoffnung, ein konkretes Zeichen dafür, dass sich die Opfer einmal lohnen werden.

Für Deutschland geht es nicht darum, ein riesiges neues Konjunkturprogramm aufzulegen. Aber Berlin muss Wachstumspolitik in Europa wieder möglich machen. Darin liegt die Botschaft von Camp David 2012.

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