Als sich die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer der Welt 1999 erstmals zu einer Art Interessengemeinschaft zusammenschlossen, da spukte ihren Gründern noch ein Buch im Kopf herum, das Jahre zuvor Furore gemacht hatte. In "Das Ende der Geschichte" versuchte der Politologe Francis Fukuyama nachzuweisen, dass mit dem Fall der Mauer der Totalitarismus ein für allemal gescheitert und der Weg für Demokratie und Marktwirtschaft weltweit frei sei. Es galt nur als eine Frage der Zeit, bis G-20-Staaten wie China und Russland, Argentinien, Saudi-Arabien und die Türkei endgültig auf den neuen Kurs einschwenken.
An diesem Freitag beginnt in Buenos Aires das 13. Gipfeltreffen des Klubs, und man darf wohl getrost konstatieren, dass sich Fukuyamas Prognose als Hirngespinst erwiesen hat. Nicht die liberalen Demokratien sind weltweit auf dem Vormarsch, sondern Populismus, Nationalismus und Autokratismus. Nirgendwo ist das so einfach ablesbar wie bei einem Blick auf die G 20: Noch 1999 trugen die etablierten, scheinbar so sattelfesten Demokratien des Westens mehr als 85 Prozent zur gemeinsamen Wirtschaftsleistung bei - heute sind sie mit noch gut 40 Prozent in der Minderheit. Dominiert wird die Gruppe von Populisten und Autokraten wie Donald Trump, Xi Jinping, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan - von der saudischen Königsfamilie gar nicht erst zu sprechen.
Über die Gründe für diese Entwicklung ist viel diskutiert worden, zu ihnen zählen Frust über einen lange Zeit zügellosen Finanzkapitalismus, die ungesteuerte Globalisierung sowie die Entfremdung zwischen den meist liberalen Eliten und dem überwiegend konservativen Fußvolk in vielen Ländern. Ausbreiten konnte sich dieser Unmut mit der Weltfinanzkrise: Sie bestärkte viele Bürger im Gefühl, dass der kleine Mann mit Zuwanderung, wachsender Ungleichheit, sich verändernden kulturellen Werten und verschwimmenden Landesgrenzen alleingelassen wird, während sich "die da oben" einmal mehr am eigenen Schopf aus dem von ihnen selbst angerichteten Schlamassel ziehen. "Starke Männer" haben bei einer solch fundamentalen Vertrauenskrise leichtes Spiel.
Mindestens ebenso wichtig wie die Ursachenforschung ist jedoch die Beantwortung der Frage, welche weltwirtschaftlichen Folgen die Populismuswelle haben wird. Kurzfristig betrachtet könnte man auf die Idee kommen, dass es gar kein Problem gibt: Das Wachstum ist, insgesamt gesehen, weiter robust, mancherorts hat es mit der Amtsübernahme eines Demagogen sogar zunächst an Fahrt gewonnen.
Zugleich jedoch wird ein Muster populistischen Regierens deutlich, das alle Zutaten für die nächste Weltwirtschaftskrise beinhaltet. So treffen Populisten Entscheidungen nicht auf Basis von Notwendigkeiten, sondern allein um des kurzfristigen politischen Gewinns willen. Ein Beispiel dafür ist die Steuerreform, mit der Trump reiche Gönner beschenkte, ohne parallel die eigentlich nötigen strukturellen Veränderungen anzugehen. Wichtige, aber unpopuläre Sozialreformen, etwa wegen der alternden Gesellschaften, bleiben gleich ganz liegen, stattdessen werden vermeintliche Mächte von außen für eigene Fehler und Probleme verantwortlich gemacht.
Kompromisse und langfristige Planung werden unmöglich
Mit ihrem Geschrei und oft rüpelhaften Verhalten verhindern Populisten zugleich die Lösung tatsächlich bestehender Probleme im globalen Wirtschaftssystem. Dazu zählt etwa die Frage, wie China dazu gebracht werden kann, auf Ideenklau und die Gängelung ausländischer Firmen zu verzichten und vereinbarte Regeln einzuhalten. Zudem werden Institutionen wie die Welthandelsorganisation und der Internationale Währungsfonds, die für ein ökonomisches Miteinander unabdingbar sind, durch die Nationalismuswelle diskreditiert. Und nicht zuletzt leidet das Vertrauen der Unternehmen und Kapitalanleger: Wer soll in einem Land wie der Türkei investieren, wenn Erdoğan seinen Schwiegersohn als Finanzminister einsetzt?
In populistisch regierten Ländern verliert die Wirtschaftspolitik ihre Rolle als eigenständiger, aus sich selbst heraus notwendiger Teil staatlichen Handelns. Sie wird zum Instrument, man könnte auch sagen: zur Geisel der Machtpolitik. Beschlüsse aber, die auf Basis falscher Kriterien getroffen werden, führen auch zu falschen Ergebnissen, wobei die Sache noch fataler wird, wenn Dummheit und Unfähigkeit hinzukommen. Zugleich werden Kompromisse unmöglich, weil die gesamte Statik populistischer Regime auf der Existenz angeblicher Gegner im In- oder Ausland beruht - ohne Feind kein Populismus. Die Folgen dieser Politik werden die G 20 und den Rest der Welt erst mittelfristig heimsuchen. Dann aber mit Macht.