Süddeutsche Zeitung

G-20-Gipfel:Bloß keine Harmonie, bitte

  • Zu Beginn des G-20-Gipfels ist die Lage äußerst verfahren, insbesondere im Handelsstreit zwischen China und den USA.
  • Die Staatschefs beider Länder wollen sich am Samstag treffen, doch eine Einigung ist nicht wirklich absehbar.
  • Vor seiner Abreise hat US-Präsident Trump nun auch noch mehrere andere G-20-Länder in Interviews angegriffen.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Wenn es darum geht, vor Beginn wichtiger Gespräche möglichst viel Porzellan zu zerschlagen, macht wohl kein Politiker Donald Trump etwas vor. So auch diesmal: Unmittelbar vor seinem Abflug zum G-20-Gipfel in Osaka zog der US-Präsident in mehreren Interviews nicht nur über den Handelspartner China her, er mokierte sich auch über den Konferenzgastgeber Japan, der sein Land militärisch ausnutze. Die Regierungen in Peking und Tokio werden nicht begeistert gewesen sein.

Anders als bei früheren Tagungen der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt, bei denen sich die Beteiligten im Vorfeld um Harmonie bemüht hatten, ist diesmal völlig ungewiss, was bei dem Treffen an diesem Freitag und Samstag herauskommen wird. Das gilt vor allem für die Frage, wie es im Handelskonflikt zwischen den USA und China weitergeht. Trump und Xi wollen sich am Rande des eigentlichen Gipfels am Samstag zum Mittagessen treffen. Beide Staaten haben sich in den vergangenen Monaten mit Importzöllen traktiert, um den jeweils anderen zu Zugeständnissen zu zwingen. Trump hält vor allem den hohen Exportüberschuss Chinas gegenüber seinem Land für "ungerecht", außerdem wirft er Peking Industriespionage, Ideenklau, die Abschottung der heimischen Märkte sowie die Subventionierung von Staatsbetrieben vor.

Seiner Lieblingssenderkette Fox sagte der US-Präsident, er sei zu einem "Deal" bereit, könne aber auch mit dem Ist-Zustand "sehr gut leben". Aus seiner Sicht steht Xi unter Druck, weil "die chinesische Wirtschaft den Bach runter geht". Das ist zwar übertrieben, richtig ist jedoch, dass die Konjunktur in China wegen des Streits lahmt - genauso wie die amerikanische. Peking erklärte vor dem Gipfel, man könne einem Kompromiss nur zustimmen, wenn die USA Chinas Interessen berücksichtigten. Voraussetzung für einen Kompromiss sei, dass Trump alle Strafzölle aufhebe, die Volksrepublik nicht zum Kauf von US-Waren zwinge, die man daheim nicht los werde, und Chinas "Würde" achte, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Laut Wall Street Journal wird Xi zudem verlangen, dass Washington den Geschäftsbann gegen den chinesischen Telekommunikationskonzern Huawei zurücknimmt. Bei einer Pressekonferenz sagte XI, der Handelsstreit trage zur Abkühlung der Weltwirtschaft bei und Protektionismus sei nicht die richtige Antwort: "All dies zerstört die globale Handelsordnung." Trump sagte am Freitag mit Blick auf das Treffen der beiden Präsidenten: "Ich denke, dass es produktiv wird." Er habe allerdings nicht versprochen, auf neue Abgaben zu verzichten.

Die Aussagen zeigen, dass beide Seiten von einem Kompromiss noch weit entfernt sind. Selbst wenn die Präsidenten also am Samstag die Wiederaufnahme der offiziellen Verhandlungen verkünden sollten, wäre damit nicht sichergestellt, dass der Handelskonflikt zwischen den beiden weltgrößten Volkswirtschaften beigelegt werden kann. Klar ist dagegen, dass eine Eskalation des Streits beide Länder - und damit den Rest der Welt - in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten stürzen könnte.

Erschwert wird die Angelegenheit dadurch, dass die Staatschefs innenpolitisch unter Druck stehen. "Wie auch immer eine Vereinbarung aussieht, Trump muss es so darstellen, als ob sich in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen wirklich alles geändert hat - während Xi die Botschaft verbreiten muss, dass sich überhaupt nichts geändert hat", sagte Michael Pettis, Handelsexperte an der Universität Peking, der Nachrichtenagentur Bloomberg. "Angesichts dieser Ausgangslage dürfte es schwer sein, zu einem Deal zu kommen." In Osaka ist offenbar ein weiteres hochrangiges Treffen zur Lösung des Handelsstreits geplant. Dort könnten US-Finanzminister Steven Mnuchin, der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer und der chinesische Vize-Regierungschef Liu He zusammenkommen. Nach Angaben aus Peking hatten diese bereits am Montag miteinander telefoniert.

Japan gehöre zu den vielen Ländern, die die USA ausnutzten, sagt Trump

Präsident Trump kritisierte unterdessen erneut die Verteidigungsallianz der USA mit Japan, die das Herzstück der Tokioter Sicherheitspolitik darstellt. "Wenn Japan angegriffen wird, werden wir den Dritten Weltkrieg führen. Wir werden reingehen, wir werden sie verteidigen und unter Einsatz unseres Lebens kämpfen", sagte er. "Wenn es umgekehrt aber wir sind, die attackiert werden, müssen uns die Japaner überhaupt nicht helfen. Sie können sich den Angriff daheim in ihren Sony-Fernsehern anschauen." Japan, so Trump, gehöre zu den vielen Ländern auf der Welt, die die USA ausnutzten.

Ein Tokioter Regierungsvertreter wies die Vorwürfe zurück. Die Pflichten beider Länder seien ausgeglichen, sagte er. Japan hatte sich nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg verpflichten müssen, nie wieder einen Staat militärisch zu attackieren und den USA Truppenstützpunkte zur Verfügung zu stellen. Dafür sagten die USA zu, das Land notfalls gegen Angreifer zu verteidigen. Trump will sich am Rande des Gipfels auch mit Japans Regierungschef Shinzo Abe treffen, der bisher mit einer Politik der Unterwürfigkeit versucht, sich aus der Schusslinie des US-Präsidenten zu halten.

Auch gegen Indien teilte Trump vor dem Treffen aus: Das Land müsse kürzlich verhängte Vergeltungszölle auf US-Produkte aufheben, forderte er.

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SZ vom 28.06.2019/vd
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