G-20-Treffen in Moskau:Ein Währungskrieg und keiner geht hin

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20 Nationen, ein Treffen, ein Thema: Währungskrieg. Die Finanzminister der G 20 beschäftigen sich in Moskau mit einem Kampfbegriff, der Emotionen weckt und wenig aussagt. Warum ist die Politik davon so elektrisiert? Die Gründe hierfür reichen bis zur Weltwirtschaftskrise zurück.

Von Nikolaus Piper, New York

Am Wochenende treffen sich die Finanzminister und Notenbankchefs der 20 großen Industrie- und Schwellenländer (G 20) in Moskau. Ein Ergebnis der Beratungen: Die G 20 versichern, dass sie keinen Währungskrieg wollen. Im üblichen Diplomatenkauderwelsch hört sich das so an: "Wir bekräftigen unser Bekenntnis zum dauerhaften Abbau globaler Ungleichgewichte durch unsere gemeinsamen Aktionen zur Verhinderung dauerhafter Fehlausrichtungen der Wechselkurse. Es wird keine kompetitiven Abwertungen geben, wir werden Protektionismus in jeder Form widerstehen und Märkte offen halten." So der Entwurf des Abschlusskommuniqués, der an die Presse gestreut wurde.

Wie verschwurbelt die Sprache auch sein mag, das Thema Währungskrieg beschäftigt plötzlich die Phantasie von Laien und Experten, und es hilft Hedgefonds dabei, Milliarden Dollar zu verdienen, wenn sie gegen die richtige Währung wetten: den japanischen Yen. Der französische Staatspräsident François Hollande klagte vor dem Europaparlament, die EU sei wegen des relativ teuren Euro (1,34 Dollar) unfairem Wettbewerb ausgesetzt. Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnt davor, dass es zu einem Währungskrieg kommen könnte, sollte sich die Notenbank darauf einlassen, gezielt die Wechselkurse zu beeinflussen.

Die ganze Aufregung hat ihre Ursache in Japan. Der neue Ministerpräsident Shinzo Abe hatte Anfang Januar ein massives Konjunkturprogramm angekündigt, um die anhaltende Lähmung der Wirtschaft zu beenden. Wenig später hatte die Bank von Japan angekündigt, massiv Geld drucken und die Inflationsrate von derzeit praktisch null auf zwei Prozent erhöhen zu wollen. Schon vorher war der Yen schwach; inzwischen hat die japanische Währung 30 Prozent gegenüber dem Dollar verloren. Das wird Toyota, Sony und anderen japanischen Exporteuren helfen. Aber ist das schon ein "Währungskrieg"?

Angriff mittels Wechselkursen

Tatsächlich handelt es sich beim Währungskrieg um einen Kampfbegriff, der viele Emotionen weckt und wenig aussagt. Noch nie hat ein Land ein anderes mittels Wechselkursen angegriffen. Treffender ist es, wie die G 20 von "kompetitiver Abwertung" zu sprechen: Ein Land lässt gezielt den Kurs seiner Währung abstürzen, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Entscheidend ist dabei das Adjektiv "gezielt": Es kommt darauf an, ob die Abwertung absichtsvoll geschieht oder als Konsequenz der normalen Geld- und Fiskalpolitik eines Landes. Im ersten Fall werden die guten Sitten des globalen Währungssystems verletzt, im anderen nicht.

Dass das Wort "Währungskrieg" die Politik so elektrisiert, hat mit dem Trauma der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 zu tun. Damals haben Abwertungen tatsächlich den Niedergang der Weltwirtschaft beschleunigt. Das Währungschaos sorgte für Not und Elend. Das entscheidende Datum war der 21. September 1931. An diesem Tag löste die britische Regierung die Bindung des Pfundes an das Gold und ließ den Währungskurs sinken. Binnenwirtschaftlich war die Entscheidung völlig richtig. Sie machte Großbritannien wieder wettbewerbsfähig und führte dazu, dass die Depression dort früher zu Ende ging als anderswo. Der Ökonom John Maynard Keynes jubelte: "Mit einem Streich hat Britannien seine finanzielle Hegemonie in der Welt zurückgewonnen." Keynes hatte den Goldstandard schon immer abgelehnt.

Verheerende Folgen hatte die britische Entscheidung für die Vereinigten Staaten. Von dort zogen Anleger ihre Goldbestände ab, was zu einer neuen, schweren Bankenkrise führte und die letzte katastrophale Phase der Depression einleitete. Diese wurde erst beendet, als Präsident Franklin Roosevelt 1933 den Dollar ebenfalls vom Gold löste. Der neue Präsident tat noch ein Weiteres: Er verbot den Export von Gold aus den USA. Dies wiederum verschärfte die Finanzkrise in Frankreich. Sie hielt so lange an, bis die Volksfrontregierung unter dem Sozialisten Léon Blum 1936 den Franc vom Gold befreite.

Ein Land, das besonders unter der Währungskrise litt, war das Deutsche Reich. Wegen ihrer Verträge mit den Siegermächten des Ersten Weltkriegs durften die Deutschen den Goldstandard nicht verlassen. Die Reichsbank war verpflichtet, den Kurs der Mark zu schützen. Reichkanzler Heinrich Brüning tat ein Übriges: Er verfolgte eine Sparpolitik ganz nach dem Vorkrisenlehrbuch, und zwar in der erklärten Absicht, den Alliierten zu beweisen, dass Deutschland seine Reparationen nicht zahlen kann, selbst wenn es sich sklavisch an die Regeln hält. Keynes selbst war im Januar 1932 nach Berlin gereist und hatte versucht, Brüning zu einer Kursänderung zu bewegen - vergeblich. Am Ende der Weimarer Republik verfielen die Preise mit einer Jahresrate von über 15 Prozent. Es war eine der schlimmsten Deflationsphasen der jüngeren Wirtschaftsgeschichte.

Aus all dem zogen die Alliierten des Zweiten Weltkrieges ihre Schlüsse: Auf der Währungskonferenz von Bretton Woods im Juli 1944 verabredeten sie ein System fester Wechselkurse, die an den Dollar gebunden waren. Das System hatte Erfolg, es schuf Begünstigte, aber auch Währungsscharmützel. So hätten die Westeuropäer eigentlich nach dem Wiederaufbau ihrer Wirtschaft Franc, Lira, Gulden und D-Mark gegenüber dem Dollar aufwerten müssen. Dagegen sträubten sie sich aber, weil sie ihre Wettbewerbsvorteile nicht aufgeben wollten. Dadurch stiegen die Defizite in der amerikanischen Handelsbilanz. Am vernünftigsten waren noch die Deutschen. Die Bundestagswahl 1969 gewann der SPD-Kandidat Willy Brandt mit dem Versprechen, die D-Mark aufzuwerten. Aber das war zu wenig. Am 15. August 1971 kündigte Präsident Richard Nixon das alte System, seither werden die Wechselkurse weltweit frei ausgehandelt.

"Viel Lärm um nichts"

Trotzdem sorgen Währungen immer wieder für Streit. Die chinesische Zentralbank hielt seit 1998 die Landeswährung Yuan künstlich niedrig. Das klare Ziel war dabei, Exporte zu fördern. China wurde deshalb oft der "Währungsmanipulation" bezichtigt. Durch die jüngste Aufwertung des Yuan hat sich das Thema aber weitgehend erledigt. Zuvor hatten Europäer immer wieder die USA beschuldigt, den Dollar in böser Absicht schlechtzureden.

Das Verdienst, den "Währungskrieg" wieder in den internationalen Sprachgebrauch zurückgebracht haben, kommt dem brasilianischen Finanzminister Guido Mantego zu. Er warnte die Industrieländer 2010 vor so einem Krieg. Hintergrund: Weil die Industrieländer unter den Folgen der Finanzkrise litten und die Zinsen dort nahe null lagen, strömte viel Kapital nach Brasilien und trieb den Kurs der Landeswährung Real in die Höhe. Das belastete den Außenhandel.

Und nun ist Japan dran. Fast alle Ökonomen sind allerdings einer Meinung: Die Lage mag schwierig sein, aber einen Währungskrieg gibt es sicher nicht. Harm Bandholz, Chefvolkswirt von Unicredit in New York, sagt: "Es gibt eben das Problem, dass es den USA und mit Abstrichen Europa besser geht, anderen, also Japan und Großbritannien, dagegen nicht. Dass in diesem Fall die Geldpolitik auseinanderdriftet, ist doch normal". Das Ganze sei "viel Lärm um nichts".

© SZ vom 16.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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