Süddeutsche Zeitung

G-20-Treffen:Viel geredet, wenig erreicht

In Japan versuchen Minister aus den 20 stärksten Industrie- und Schwellenländern, den Handelskrieg zu entschärfen und das Steuersystem ans digitale Zeitalter anzupassen.

Von Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin, Fukuoka/Tsukuba

Ob Handelskrieg, Konjunktur oder Besteuerung von Unternehmen - es mangelte nicht an strittigen Punkten auf dem G-20-Treffen der Finanz- und der Handelsminister am Pfingstwochenende in Japan. Fortschritte gab es kaum. Das waren die Themen.

Handelskrieg

Der Konflikt zwischen China und den USA ist auf den G-20-Treffen am Pfingstwochenende nicht entschärft worden. "Wir haben gehofft, die Länder würden einen Kompromiss finden", sagte Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire der SZ auf dem Treffen der G-20-Finanzminister in Fukuoka. "Stattdessen sind neue Zölle wahrscheinlicher geworden." Der Handelskrieg werde das Wachstum "weiter verlangsamen", auch in der Eurozone, warnte Le Maire. Nun müssten die Chefs persönlich ran. "Die Botschaft ist klar: China und die USA müssen den Konflikt beenden." Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, er hoffe auf den Durchbruch beim G-20-Gipfel Ende Juni in Osaka. Dort sollen die Präsidenten Donald Trump und Xi Jinping aufeinandertreffen.

Der Konflikt dominierte sowohl das jährliche Treffen der Finanzminister aus den 20 größten Industrie- und Schwellenländern als auch das der Handelsminister. In der Abschlusserklärung des Finanztreffens heißt es gleich zu Beginn, das Wirtschaftswachstum verharre auf niedrigem Niveau; die Risiken würden nicht abgebaut. "Besonders problematisch ist, dass Handels- und geopolitische Spannungen zugenommen haben", steht im Papier der Finanzminister. In Fukuoka war bekannt geworden, dass China und die USA vier Wochen lang nicht miteinander gesprochen hatten. Keine Seite habe sich kompromissbereit gezeigt.

Die Handelsminister tagten parallel in Tsukuba nahe Tokio. Dort behalfen sich die japanischen Gastgeber am Ende mit einer Zusatzerklärung. "Viele Minister äußerten ernsthafte Sorgen über die gegenwärtigen Spannungen, die den Handel umgeben", heißt es da. Zuvor hatten die Minister stundenlang Kompromisse gesucht - und das Papier kürzer und kürzer werden lassen. Das Wenige, das in der Erklärung steht, ist ähnlich wie in der Erklärung der Finanzminister kaum aussagekräftig. Es seien "Taten nötig", damit die Welthandelsorganisation WTO besser funktioniere. Konkrete Vorschläge fehlen. Strukturelle Probleme "in einigen Branchen" könnten negative Auswirkungen haben, heißt es. Gemeint sind Überkapazitäten beim Stahl, doch nicht mal das wird erwähnt.

Konjunktur in Deutschland

Die Bundesrepublik ist von den Handelsspannungen direkt betroffen. Der "globale Gegenwind" habe das Wirtschaftswachstum abgekühlt, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann am Sonntag nach Abschluss der Beratungen. Nach dem starken ersten Quartal 2019 erwarte er im zweiten Quartal "einen leichten Rückgang". Die exportorientierte Industrie sei im Abschwung, die Binnenkonjunktur weiter stark. Die Prognose für Deutschland sei mit 0,6 Prozent Wachstum für 2019, bezogen auf das Bruttosozialprodukt, "nicht berauschend". Auch in der Eurozone sei der wirtschaftliche Schwung verloren gegangen, die Prognose liege bei 1,6 Prozent Wachstum.

Globale Steuerregeln

"Echter Durchbruch" beim G20-Treffen in Japan, twitterte Olaf Scholz nach dem Treffen. Alle Finanzminister unterstützten seine Idee, "eine globale Mindestbesteuerung einzuführen". Die G-20-Finanzminister ringen um weltweite Regeln zur Besteuerung großer Konzerne und der Digitalwirtschaft, um das internationale Steuersystem an das digitale Zeitalter anzupassen und Steuerschlupflöcher zu schließen. "Wir werden unsere Anstrengungen für eine konsensbasierte Lösung mit einem finalen Bericht im Jahr 2020 verdoppeln", heißt es in der Abschlusserklärung.

Anlass ist, dass vor allem Internetkonzerne wie Google oder Facebook von geltenden Steuerregeln kaum erfasst werden. Sie zahlen deutlich weniger Steuern als etwa Industriebetriebe. Außerdem soll eine Mindestbesteuerung einen Steuerwettlauf nach unten verhindern und Modelle zur Steuervermeidung durchkreuzen.

Verhandelt werden dabei zwei verschiedene Ansätze: zum einen, wie und wo digitale Unternehmen besteuert werden, zum anderen, dass alle Unternehmen weltweit mit einem Mindeststeuersatz belegt werden. Behindert werden könnten die Verhandlungen ein weiteres Mal durch die USA. Man befürchtet, dass der schwelende Handelsstreit zwischen den USA und China sowie Europa die Einigung bei der Besteuerung großer Konzerne erschwert oder sogar verhindert. "Wir sollten den Handelskrieg und die Steuergesetzgebung nicht verbinden", sagte Le Maire.

Digitalsteuer

Ziel ist, immaterielle Wirtschaftsgüter, etwa Daten, zu besteuern. Dazu liegen Vorschläge aus Großbritannien, den USA und der G24, einem Zusammenschluss von Schwellenländern, vor. Die Vorschläge laufen teilweise oder ganz darauf hinaus, Gewinne nicht mehr am Herstellungsort beziehungsweise am Unternehmenssitz zu versteuern, sondern am Umsatzort. Deutschland lehnt das ab, Schätzungen zufolge betrügen die Steuerausfälle ungefähr 16 bis 17 Milliarden Euro. Scholz geht davon aus, dass keines der drei Modelle beschlossen wird. Die deutsche Verhandlungslinie ist, dass man die Digitalsteuer mit einer Mindestbesteuerung zu einem Paket verknüpft. Entweder soll beides gelten - oder nichts.

Mindestbesteuerung

Ziel ist es generell, weltweit eine Untergrenze zur Besteuerung von Unternehmen durchzusetzen. Die Höhe ist offen, sie soll sich an der Untergrenze in den USA orientieren, die mit 13 Prozent angegeben wird. Setzt sich die Idee durch, müssten auch Unternehmen in Steueroasen mehr Steuern zahlen. Zudem würde es schwierig, Steuern zu verschieben. Scholz betonte das Interesse Deutschlands, von den Neuregelungen zu profitieren. "Mein Gefühl ist, dass wir mehr Steuern im Saldo einnehmen", sagte er. Konkrete Studien gibt es dazu noch nicht. Die Mindestbesteuerung soll auch von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 vorangebracht werden.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2019
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