G 20:Drei Plagen bedrohen unseren Wohlstand

Grönland-Gletscher schmelzen im warmen Meerwasser

Eine der drei Plagen: Der Klimawandel. Viele Gletscher - wie dieser im Kangerdlugssuaq-Fjord in Ost-Grönland - ziehen sich deswegen immer weiter zurück.

(Foto: dpa)

Die Welt steuert auf einen Abgrund zu. In den nächsten Monaten wird sich entscheiden, ob sie abstürzt - und die G 20 haben es in der Hand.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Eines der Probleme der Globalisierung ist, dass sich Wirtschaft und Politik unterschiedlich entwickelt haben. Während Unternehmen grenzenlose Geschäfte tätigen, bleiben die Staaten auf ihre Nationalgrenzen beschränkt. Verglichen mit den Unternehmen gibt es zwischen den Regierungen wenig Zusammenarbeit, die die Grenzen überwindet. Es gibt zwar Entscheidungsgremien wie den G-20-Club der Industrie- und Schwellenländer, aber zu wenig Entscheidungen.

Mangels solcher Kooperation fällt es schwer, Auswüchse der Globalisierung zu bekämpfen - etwa die Steuervermeidung multinationaler Konzerne. Den Schaden, der dadurch entsteht, bezahlen überall die Arbeitnehmer. Sie vermögen ihre Einnahmen nicht zu verschleiern und müssen die Steuerflucht der Unternehmen durch ihre Abgaben ausgleichen.

Wie sehr es den Regierungen des Erdballs an Zusammenarbeit mangelt, dürften die nächsten Monate schonungsloser offenlegen denn je. Mit dem Brexit und Donald Trump sind Kräfte an die Macht gelangt, die nationalen Egoismus propagieren - und der ganzen Welt schaden, wenn sie damit durchkommen. Trump und die britische Premierministerin Theresa May versprechen Firmen drastische Steuersenkungen. Sie heizen dadurch einen ruinösen Wettbewerb an, der am Ende allen Industriestaaten die Kassen leert. Ausbaden werden dies wieder die Arbeitnehmer, die mehr zahlen und weniger staatliche Leistungen erhalten.

Ein ähnliches Desaster verspricht Trumps Protektionismus, den er weiter konkretisiert, indem er nach dem Veto gegen das pazifische Handelsabkommen TPP nun US-Firmen 35 Prozent Strafe auf Waren ankündigt, die sie im Ausland produzieren. Stoppen die Industriestaaten gegenseitig ihre Exporte, schrumpft der Wohlstand aller. Noch globaler wäre der Schaden, wenn nationale Egoismen zu einer Abkehr vom Pariser Klimaabkommen führen.

Die G 20 haben schon einmal einen globalen Showdown abgewendetet

Angesichts dieser Gefahren bedarf es der Kooperation. Es bedarf ausführlicher Gespräche, in denen moderate Politiker wie die Bundeskanzlerin für die Vorteile der Zusammenarbeit werben - und davor warnen, dass nationaler Egoismus am Ende auch die Urheber in den Abgrund reißt. Der G-20-Club, dessen Präsidentschaft die Bundesregierung just in dieser dramatischen Phase der Weltpolitik übernimmt, erscheint dafür als ideales Gremium.

Die G 20, die globale Erweiterung der westzentrierten G-7-Kaminplaudereien der Siebzigerjahre, wirken auf Skeptiker allerdings nicht gerade wie ein Powerhouse. Zu viel blieb seit dem Start 1999 Ankündigung, zu wenig kam heraus. Rutscht die Welt in eine ökonomische Eiszeit, ohne dass die vernünftigen Kräfte dies zu stoppen vermögen?

Allen Skeptikern lässt sich entgegenhalten, dass die G 20 schon mal einen globalen Showdown abwendete. Nach der Weltrezession durch die Finanzkrise 2008 drohte ein Wettlauf der Protektionisten. Damals waren Regierungen versucht, ihre Bürger durch symbolstarke Aktionen gegen ausländische Hersteller zu beruhigen. Die Zusammenarbeit der G 20 verhinderte diesen Wettlauf. Und sie entwickelte zumindest Ansätze zur Vorbeugung der nächsten Finanzkrise.

Gemeinsam gegen Steuerwettbewerb, Protektionismus und Klimawandel

Auf diesen Erfolgen muss die Staatengemeinschaft aufbauen, jetzt, da der Erdball neuerlich vor einem Abgrund steht. Schaden droht ja nicht nur durch den Populismus von Trump und May. Das aggressive Vormachtstreben Russlands und Chinas belastet die internationalen Beziehungen schon seit Jahren. Multiple politische Konflikte könnten die Globalisierung lähmen, die die Weltwirtschaft in den vergangenen Dekaden auf ein ganz neues Niveau gehoben hat.

In dieser Situation sollten sich die moderaten Regierungen verbünden, um auf Kooperation statt Konfrontation zu dringen. Angela Merkel kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Es ist toll, wenn die Unterhändler in der deutschen G-20-Präsidentschaft über Wichtiges wie Antibiotika-Resistenzen reden, das auch noch in zwei Jahren wichtig ist.

Ihr ganzes politisches Gewicht aber sollte die Kanzlerin gegen Steuerwettbewerb, Protektionismus und Klimawandel einsetzen. An diesen drei Plagen entscheidet sich in den nächsten Monaten, wohin die Welt steuert. Wenn Merkel sich auf die zentralen Fragen konzentriert, kann sie den Unterschied machen. Andernfalls verschenkt sie in diesen dramatischen Monaten eine Chance.

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