Fußball global:Das Milliardenspiel

Früher war Fußballspielen einmal die schönste Nebensache der Welt. Inzwischen ist die Sportart längst Teil der Globalisierung geworden. Die Serie der SZ zur Weltmeisterschaft.

Nikolaus Piper

Wer dieser Tage die Werbeorgie um die Weltmeisterschaft in Deutschland verfolgt, der könnte vergessen, dass es sich eigentlich ja nur um die schönste Nebensache der Welt handeln soll. Wenn der Spruch mit der Nebensache denn überhaupt je gestimmt hat, heute ist Fußball für die Nation eine Hauptsache, ein Milliardengeschäft, ein Standortfaktor und ein Politikum.

WM-Ball

Ball mit WM-Logo

(Foto: Foto: dpa)

Je besser die deutsche Mannschaft nach dem 9. Juni abschneidet, desto besser für Angela Merkel, desto besser für die deutsche Wirtschaft, glauben jedenfalls Experten und Stammtisch-Analysten.

Grundsatzurteil

Mit einem Special beleuchtet sueddeutsche.de die ökonomische Seite des Volkssports: Wer verdient daran, wer zahlt drauf, wie sind die volkswirtschaftlichen Konsequenzen? Noch nie ging es dabei um so viel Geld wie heute. Noch nie hat der Weltfußballverband Fifa in so absurdem Ausmaß versucht, seine Markenrechte zu schützen - bis ihn der Bundesgerichtshof vorige Woche mit einem Grundsatzurteil bremste.

Denn der Versuch der Fifa, den Begriff "Fußball-WM 2006" komplett zu privatisieren, ist ungefähr so, als wollte sich BMW den Begriff "Autofahren" patentieren lassen.

Von McKinsey beraten

Fußball ist Teil der Globalisierung geworden. Die sportliche Seite dieses Phänomens ist für die Fans inzwischen völlig normal. Roy Makaay, Claudio Pizarro, Ailton, und Ioannis Amanatidis gehören zur Bundesliga wie Oliver Kahn, Lukas Podolski oder Bastian Schweinsteiger. Die ökonomische Seite ist der Öffentlichkeit dagegen nur teilweise bewusst.

Im globalen Wettbewerb müssen die Vereine nicht nur darum kämpfen, möglichst gute Spieler für möglichst wenig Geld zu verpflichten, in der Konkurrenz stehen auch Trainingsmethoden und, genau so wichtig, Management- und Finanzierungssysteme. Was Wunder, dass die Fifa in Zürich von McKinsey beraten wurde.

Knallhart ausgehandelte Verträge

Und letzte Woche ließen sich der viel gescholtene Jürgen Klinsmann und die deutsche Nationalmannschaft einen Nachmittag lang von Herbert Henzler coachen, dem früheren deutschen McKinsey-Chef und heutigen Aufsichtsratsmitglied von Bayern München. Jeder Profi-Fußballer von einigem Gewicht hat heute seinen persönlichen Manager, der Verträge knallhart aushandelt.

Das Milliardenspiel

Bitter für die Fans: Im Zuge der Globalisierung ist der deutsche Fußball mittelmäßig geworden - bestenfalls. Ein Maßstab dafür ist die Tatsache, dass aus der deutschen Nationalmannschaft heute nur noch ein Spieler - Jens Lehmann - bei einem ausländischen Club (Arsenal London) verpflichtet ist.

Abstand größer geworden

Offenkundig haben sich andere Sportnationen - zum Beispiel Italien, Spanien oder auch England - der Herausforderung der Globalisierung stärker gestellt. Innerhalb Deutschlands ist der Abstand zwischen dem Rekordmeister Bayern München und dem Rest der Bundesliga noch größer geworden.

Vor allem sind die Bayern der Verein, der - fast als einziger unter den großen - nachhaltig und mit großem Erfolg wirtschaftet. Der Verein stellt sich wie ein gut geführter deutscher Mittelständler dar, doch wenn es um den Einkauf internationaler Stars geht, spielen der AC Mailand oder Real Madrid in einer anderen Liga - dank Großsponsoren und den exorbitanten Fernseheinnahmen aus den jeweiligen nationalen Märkten.

Spiegelbild des betreffenden Landes

Dies zeigt: Fußball lässt sich nur begrenzt aus nationalen Kulturen, Öffentlichkeiten oder Gebräuchen herauslösen. Der schöne Sport hat alle Eigenschaften eines öffentlichen Gutes, der Nutzen daraus lässt sich nur teilweise privatisieren, er lebt davon, dass Millionen anderer Leute begeistert mitmachen.

Wenn kleine Jungen nicht mehr kicken, dann gehen den Vereinen irgendwann die Fans und die Werbeeinnahmen aus. Und wenn sich die Vereine nicht mehr um ihr Publikum kümmern, dann lösen sie genau so eine Entwicklung aus. In Deutschland ist es eben nicht vorstellbar, die gesamte Bundesliga oder gar die Weltmeisterschaft ins Bezahlfernsehen zu verbannen. Hier sind der Vermarktung wohltuende Grenzen gesetzt.

Der nationale Fußball ist immer auch ein Spiegelbild des betreffenden Landes - im Guten wie im Schlechten. Deutschland hat in Politik und Wirtschaft die Globalisierung nach der Euphorie bei der deutschen Einheit erst mit Zögern angenommen, wie sollte es da im Sport anders sein?

Aus dem Viertelfinale geschossen

Auch Franz Beckenbauer gehörte zu denen, die noch 1990 glaubten, man könne das Sportpotenzial der Bundesrepublik und der DDR einfach addieren und komme so fast von selbst an die internationale Spitze - bis die bulgarische Mannschaft bei der WM 1994 die Deutschen mit 1:2 aus dem Viertelfinale schoss.

Der organisierte deutsche Fußball muss die sportliche und die ökonomische Seite der Globalisierung annehmen, wenn seine Fans auch künftig Freude an der schönsten Nebensache der Welt haben sollen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: