Fusionsgespräche von EADS und BAE:Europäische Konzerne wollen Rüstungsgiganten schmieden

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Die Verhandlungen sind politisch brisant, an ihrem Ende könnte jedoch ein europäisches Schwergewicht stehen. Manager der beiden größten europäischen Luftfahrtkonzerne EADS und BAE Systems sprechen über eine Fusion - die für beide Seiten große Vorteile haben könnte.

Jens Flottau, Berlin

Die beiden größten europäischen Luftfahrtkonzerne EADS und BAE Systems verhandeln über eine Fusion. BAE Systems und EADS bestätigten am Mittwochabend, dass die beiden Seiten Verhandlungen führen, diese könnten aber noch scheitern. Dem britischen Unternehmen zufolge würden die bestehenden Anteilseigner an EADS 60 Prozent des neuen Unternehmens halten, die Aktionäre des britischen Konzerns würden auf 40 Prozent kommen.

Mit einem Umsatz von knapp 100 Milliarden Dollar wäre die neue Gruppe mit weitem Abstand das größte Unternehmen in dem Sektor. (Foto: dpa)

Die Fusion wäre die größte Transaktion in der Branche, seit der amerikanische Boeing- Konzern 1997 seinen damaligen Konkurrenten McDonnell Douglas gekauft hat. EADS ist über die Tochtergesellschaft Airbus besonders stark im zivilen Bereich verankert, während sich BAE Systems dort zurückgezogen hat und nur im Verteidigungssektor aktiv ist.

Die Überschneidungen sind daher eher gering, die beiden Unternehmen arbeiten bei mehreren Gemeinschaftsprojekten wie dem Kampfflugzeug Eurofighter zusammen. Mit einem Umsatz von knapp 100 Milliarden Dollar wäre die neue Gruppe mit weitem Abstand das größte Unternehmen in dem Sektor. Boeing, derzeit das größte Luftfahrtunternehmen weltweit, kommt derzeit auf einen Jahresumsatz von 68 Milliarden Dollar. Lockheed Martin erreicht als reiner Verteidigungskonzern 46 Milliarden und ist damit derzeit weltweit die Nummer drei nach Boeing und EADS.

"Der mögliche Zusammenschluss würde einen weltweit führenden internationalen Konzern in den Bereichen der Luft- und Raumfahrt, Rüstung und Sicherheit mit wesentlichen Produktionskapazitäten in Frankreich, Deutschland, Spanien, Großbritannien und den USA schaffen", heißt es in einem von BAE Systems veröffentlichten Statement. Gespräche über die möglichen Folgen einer solchen Transaktion mit einzelnen Regierungsvertretern mehrerer Länder seien bereits aufgenommen worden, so der Konzern.

Bestimmte Unternehmensbereiche im Rüstungsbereich sollen "gemäß ihrer Bedeutung für strategische und nationale Interessen abgesichert werden", so BAE Systems. Besonders heikel ist das Thema der staatlichen Beteiligungen. Frankreich hält derzeit einen Anteil von 15 Prozent an EADS, Deutschland will über die Förderbank KfW bis Ende diesen Jahres 15 Prozent an dem Konzern erwerben und damit Aktien übernehmen, die derzeit von Daimler und einem Bankenkonsortium gehalten werden.

Die britische Regierung hält derzeit eine Sonderaktie an BAE Systems, denn das Unternehmen ist für Großbritannien wegen seiner Rolle als führender Verteidigungskonzern strategisch besonders wichtig. Die Unternehmen planen nun, solche Sonderaktien auch an Frankreich und Deutschland auszugeben und die bestehende und für Großbritannien geltende Sonderregelung auf das neue Unternehmen zu übertragen.

Es war zunächst unklar, ob diese Regelung bedeutet, dass Frankreich sich von seiner Beteiligung trennt und Deutschland sie gar nicht erst übernimmt. Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hintze hatte erst am Dienstag auf der Luftfahrtmesse ILA in Berlin erklärt, die Bundesregierung wolle die Transaktion bis Ende des Jahres hinter sich bringen. EADS und BAE wollen einen gemeinsamen Vorstand und Verwaltungsrat zusammenstellen. Es gab zunächst keine Angaben dazu, wer den Gremien angehören sollte. Branchenkreisen zufolge laufen die Gespräche bereits seit mehreren Monaten, ohne dass dabei Informationen nach außen gedrungen wären.

Von einem Zusammengehen sollen beide Unternehmen profitieren. EADS könnte sich mithilfe der Fusion aus einem strategischen Dilemma befreien. Das Unternehmen hat es sich als Teil der Fusion 2020 vorgenommen, rund die Hälfte des Umsatzes im Verteidigungsgeschäft zu machen. Derzeit ist Airbus für rund 80 Prozent des Geschäfts verantwortlich. Doch während der Zivilsektor boomt, schwächelt der Verteidigungsmarkt vor allem in Europa, da die staatlichen Budgets stagnieren.

Durch die Übernahme von BAE Systems würde sich der Verteidigungsanteil schlagartig drastisch erhöhen, die einseitige Abhängigkeit vom Airbus-Geschäft wäre verschwunden, die strukturellen Probleme im militärischen Bereich allerdings nicht. Die Meldungen über die mögliche Fusion kommt nur drei Monate, nachdem Thomas Enders an die Spitze von EADS gerückt war. Dort hat er den Franzosen Louis Gallois nach fünf Jahren abgelöst. Gemäß der geplanten Verteilung der Anteile ist davon auszugehen, dass Enders auch an die Spitze des neuen Konzerns rücken würde und sein Stellvertreter von BAE Systems benannt würde.

EADS ist im Jahr 2000 als Resultat der Fusion von Aerospatiale-Matra, der damaligen DaimlerChrysler Aerospace und der spanischen Casa entstanden. Zuvor stand der deutsche Konzern kurz vor einer Fusion mit BAE Systems-Vorgänger British Aerospace, doch wurde das Projekt noch in letzter Minute abgesagt. BAE Systems entstand aus der Fusion von British Aerospace und Marconi Electronic Systems im Jahr 1999. BAE Systems hat sich im Laufe der Jahre immer stärker aus dem zivilen Bereich zurückgezogen, hielt aber bis vor wenigen Jahren noch eine Beteiligung von 20 Prozent an Airbus. Diese ging 2006 an EADS über.

Linktipp: Wir verbieten unseren Kindern Spielzeugpistolen und träumen von einer Welt ohne Kriege. Für viele Deutsche sind Waffen aber alltäglich: Sie entwickeln, bauen und exportieren sie - und manche feuern sie ab. Ein Dossier in der Süddeutschen Zeitung.

© SZ vom 13.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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