Fusionen:Ende der Kleinstaaterei

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Immer mehr Sparkassen und Volksbanken fusionieren. Allein können sie die wachsenden Anforderungen der Regulierungsbehörden nicht stemmen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Wenn Sparkassen oder Volksbanken fusionieren, schlägt das normalerweise nur lokal große Wellen. In der Regel kommt es alljährlich zu einer Handvoll solcher Zusammenschlüsse. Doch seit einigen Monaten ist bei den Regionalbanken ein großer Paarungswille ausgebrochen.

Wohin man schaut, bahnen sich Fusionen an: Im Westen verschmilzt die Sparkasse Wesel mit der angeschlagenen Sparkasse Dinslaken-Voerde-Hünxe zur Niederrheinischen Sparkasse Rhein-Lippe. Im Süden schließen sich Neu-Ulm/Illertissen und Günzburg/Krumbach zusammen, und im Norden fusioniert die Sparkasse Hohenweststedt mit den Kollegen in Kiel. Die skurrilen Doppelnamen belegen einerseits die typisch deutsche Kleinstaaterei im Sparkassenwesen. "Auf den Sparkassen-Tagungen spricht derzeit jeder mit jedem, da geht es zu wie auf dem Marktplatz", sagt Bernd Nolte, Sparkassenexperte der Beratungsfirma 4P Consulting. "Da werden uralte Differenzen überbrückt, jeder schaut, ob es jemanden gibt, mit dem man fusionieren kann." In den kommenden fünf Jahren werden von den derzeit 413 Sparkassen in Deutschland noch rund 250 übrig bleiben, schätzt Nolte. Die Zahl der Volksbanken dürfte sich bis dahin von jetzt 1047 auf 700 dezimiert haben.

Die Dachverbände der Sparkassen und Volksbanken wissen um den Ernst der Lage. Die Zahl der Fusionen werde in den kommenden Jahren wahrscheinlich steigen, sagt ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) in Berlin. Der BVR, der Dachverband der Genossenschaftsbanken, hat bereits für 2015 rund 30 bis 40 Fusionen gezählt, während es bei den Sparkassen im abgelaufenen Jahr nur drei waren. "Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend im nächsten Jahr leicht beschleunigen wird", heißt es beim BVR. Dann wird die Zahl der Volksbanken erstmals unter 1000 sinken.

Doch was treibt Sparkassen und Volksbanken einander in die Arme? Der Rückgang der Zinsen etwa, der die Gewinnspanne im Kreditgeschäft aufzehrt, sowie natürlich die allgegenwärtige Regulierung, die vor allem die Minibanken überfordert. Seit Jahren kommt beides zusammen. Nun zehrt es mit Verzögerung an den Gewinnen. Denn viele Banken und Sparkassen profitierten lange davon, dass sie ihr Geld in hochverzinste Wertpapiere und Kredite angelegt hatten.

Doch deren Laufzeit endet jetzt, und so müssen sich die Institute darauf einstellen, dass der Zinsüberschuss und damit ihr wichtigster Ertragsbringer sinkt. Die Alternative ist wenig attraktiv und würde Kunden verschrecken: Strafzinsen auf Spargroschen. Die Hoffnung jedenfalls, dass die Zinsen bald wieder steigen und sich die Probleme in Luft auflösen, ist trotz der Mini-Zinswende in den Vereinigten Staaten verflogen.

Der Ausweg also sind Fusionen, mit den in der Wirtschaft üblichen Begleiterscheinungen: Vorstände verlieren ihre Posten, die Kosten für zentrale Aufgaben wie Marketing, Recht und Personal sinken. Lokalpolitiker müssen ihre lukrativen Sitze in den Verwaltungsräten der Sparkassen räumen, deren Eigentümer Kommunen, Städte und Landkreise sind.

Natürlich könnten die Institute auch versuchen, Gebühren zu erhöhen, Dienstleistungen auszulagern oder zu kooperieren, um den Rückgang im Zinsüberschuss aufzuhalten, sagt Michael Bockelmann, Präsident des Genossenschaftsverbands, der in mehreren Bundesländern die Bilanzen der Volks- und Raiffeisenbanken prüft. Doch um sich von den Kosten zu befreien, werde in vielen Fällen der Zusammenschluss die einzige Lösung sein.

Viele Volksbanken und Sparkassen fusionieren daher lieber jetzt, aus einer Position der Stärke heraus. Im Münsterland etwa bindet sich kleine Sparkasse Gronau gerade an die größere Schwester in Westmünsterland, die seit 2002 bereits fünf Fusionen hinter sich hat. Zusammen kommen sie nun auf eine Bilanzsumme von gut sieben Milliarden Euro; damit gehören sie zu den 30 größten Instituten der Republik.

Experten erwarten, dass sich in Deutschland die Zahl der Filialen bis 2035 fast halbieren wird

Vorstandschef Heinrich-Georg Krumme hofft, nicht nur die Regulierungskosten besser in den Griff zu kriegen, sondern auch bei der Digitalisierung den Anschluss zu halten. Demnächst bietet das Institut zum Beispiel Videoberatung an, ein Service, mit dem sonst nur größere Häuser experimentieren können. Und: "Wir können jetzt über deutlich höhere Kredite entscheiden, als es kleinen Instituten möglich ist." Berater Nolte sagt: "Für viele kleine Sparkassen ist die Fusion der Griff nach dem Strohhalm." Jetzt könnten die Träger-Kommunen noch gute Bedingungen heraushandeln, in drei Jahren aber wohl nicht mehr, sagt er. Kommunen oder Landkreise, die ihre Sparkassen erst in der Not fusionieren, müssen im Zweifel sogar nachschießen. Wie in Dinslaken, wo sich die Sparkasse bei der Kreditvergabe übernommen hatte und jetzt nur per Fusion aufgefangen werden kann - um den Preis freilich, dass die Trägergemeinden 20 Millionen Euro Kapitalhilfe zuschießen mussten.

SZ-Grafik; Quelle: Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (Foto: SZ)

In manchen Gemeinden ist die Bank der einzige Begegnungsort für ältere Menschen

Für die Kunden ändert sich zunächst allenfalls die Bankleitzahl, wenn Sparkassen oder Volksbanken fusionieren. In ländlichen Gebieten allerdings beschleunigen Zusammenschlüsse oft Filialschließungen sowie den Stellenabbau. Ohnehin gehen viele Experten davon aus, dass sich die Zahl der Bankfilialen in Deutschland bis 2035 fast halbieren wird. Das trifft vor allem Sparkassen und Genossenschaftsinstitute mit ihrem dichten Filialnetz. Das liegt nicht allein an den Folgen von Niedrigzinsen und Regulierung; sondern auch daran, dass immer mehr Menschen ihre Bankgeschäfte im Internet erledigten.

"In manchen Gemeinden ist die Sparkassenfiliale der einzige Begegnungsort für ältere Menschen. Dieser Filialtypus ist jetzt nicht mehr zu halten. Daher suchen viele Institute nach alternativen Konzepten", sagt Nolte. Das könnten mobile Berater sein; auch Bargeld erhalten die Menschen dann eben beim Einzelhändler vor Ort oder über mobile Geldversorgung.

Ihren regionalen Charakter werden Sparkassen nicht verlieren. Die Zeit der Kleinstaaterei freilich geht zu Ende.

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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