Süddeutsche Zeitung

Fusion mit Fiat:Warum Chrysler an die Börse soll

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Er sagte alle Termine auf der IAA ab: Fiat-Chef Sergio Marchionne hat in den vergangenen Wochen lieber still und leise einen Börsengang von Chrysler vorbereitet. Das soll eine Frage klären, die bisher höchst umstritten ist.

Von Kathrin Werner, New York

Wo ist Sergio Marchionne? Im letzten Moment hatte der Chef des italienischen Autobauers Fiat und der amerikanischen Konzerntochter Chrysler alle Termine auf der Automesse IAA abgesagt. Die Branche spekulierte, was der Chef eines europäischen Autobauers, wohl wichtigeres zu tun haben könnte, als zum europäischen Branchentreffen zu kommen. Zukäufe, Verkäufe, Kooperationen, Börsengänge? "Vielleicht erfahren wir in den nächsten Tagen, worum es geht", hatte ein Fiat-Sprecher die Spekulationen noch befeuert.

Inzwischen liegt sehr nahe, womit Marchionne die vergangenen Tage verbrachte: Er hat einen Börsengang von Chrysler vorbereitet, viele Gespräche mit Anwälten, Beratern und Bankern geführt. "Wir dürften bereit sein, die Dokumente für den Börsengang innerhalb der dritten Woche des Monats vorzulegen", kündigte Marchionne nun in der Financial Times an. Das wäre noch in dieser Woche. Ein Börsengang sei bereits in diesem Jahr möglich, Anfang 2014 aber wahrscheinlicher.

Keine Einigung über den Preis

Fiat hält 58,5 Prozent an Chrysler. Seit die Italiener den amerikanischen Konzern 2009 unter Aufsicht von US-Präsident Barack Obama aus der Krise retteten und die Mehrheit übernahmen, wächst der Anteil daran nach und nach.

Den Rest an Chrysler hält ein Fonds namens Veba, der zur amerikanischen Autogewerkschaft UAW gehört und Krankenversicherungskosten von Pensionären trägt. Veba will das Aktienpaket abstoßen. Chrysler will es kaufen und den europäischen und den amerikanischen Konzern zum nach Umsatz siebtgrößten Autohersteller der Welt verschmelzen.

Gemeinsam sollen die Unternehmen stark genug sein, um mit Konzernen wie VW, General Motors oder Toyota mitzuhalten. Der Fonds ist dazu verpflichtet, einen Preis für den Chrysler-Anteil herauszuschlagen, der so hoch wie möglich ist. Marchionne dagegen will den Preis niedrig halten. Da sich die Verhandlungspartner nicht einigen können, soll nun der Markt über den Wert von Chrysler entscheiden - über Angebot und Nachfrage an den Aktien.

Die Marke gilt wieder als cool

Chrysler steht gut da, und das hilft der Gewerkschaft, den Unternehmenswert hoch zu verhandeln. Chrysler ist mit Wucht aus der Krise gekommen. Die einst tot geglaubte Marke gilt in Amerika wieder als cool, vor allem wegen Modellen wie dem Jeep Grand Cherokee oder dem Pickup-Truck Ram 1500. Und der amerikanische Markt wächst.

Inzwischen kommt der drittgrößte Autobauer der Vereinigten Staaten zu Hause wieder auf einen Marktanteil von 11,4 Prozent. Chryslers rasantes Wachstum aus den Jahren 2011 und 2012 hat sich inzwischen zwar etwas verlangsamt, im vergangenen Quartal stieg der Umsatz nur noch um sieben Prozent auf 18 Milliarden Dollar.

Im Ausland ist Chrysler nicht sehr stark, besonders im Wachstumsmarkt China. Experten kritisieren, dass insbesondere der namensgebenden Marke Modelle fehlen. Zum Beispiel ein kleineres, günstigeres Auto oder ein Premium-Modell. Die Verkäufe sind in diesem Jahr aber noch immer um 9,5 Prozent gewachsen, genauso schnell wie der Rest des Marktes. Insgesamt dürfte die Nachfrage nach neuen Autos in Amerika weiter steigen, das Land erholt sich schließlich nach und nach von der Wirtschaftskrise. Und mit jedem verkauften Auto steigt der Wert von Chrysler. Die Zeit ist also auf der Seite der Gewerkschaft.

Rote Zahlen bei Fiat

Marchionne dagegen ist in Eile. Zum einen deshalb, weil er den Preis niedrig halten will. Außerdem möchte er mit dem Komplett-Zusammenschluss von Chrysler und Fiat endlich vorankommen. Das spart zum Beispiel Kosten im Einkauf und bei der Finanzierung. Nicht zuletzt will der Fiat-Chef die Einnahmen der profitablen US-Tochter möglich schnell direkt verwenden können. Fiat steckt in Europa in den roten Zahlen. Falls es zu einem Börsengang komme, könnte das die Fusion zwar einerseits weiter verschieben, glaubt Marchionne. Schließlich müsste er die Aktien dann einzeln über die Börse zurückkaufen. Andererseits kommt neues Tempo in den Prozess.

"Wir müssen diesen Weg gehen, um den Wert des Unternehmens zu bestimmen", sagte Marchionne der Financial Times. "Wir müssen einen Weg finden, der keine nach meiner Einschätzung außergewöhnlichen und hohen Erwartungen an den Wert aufkommen lässt."

Marchionne verhandelt schon seit Monaten mit dem Gewerkschaftsfonds über den Preis, auch vor Gericht. Gerichtsunterlagen zufolge schätzt Marchionne Chryslers Gesamtwert auf 4,2 Milliarden Dollar, während der Fonds von bis zu 10,3 Milliarden Dollar ausgeht. Im Januar hatte der Gewerkschaftsfonds den Anspruch angemeldet, dass 16,6 Prozent von Chrysler an die Börse gebracht werden, damit der Wert bestimmt werden kann. Da wundert es nicht, dass Marchionne lieber verhandelt, als auf der IAA aufzutreten.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2013
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