Fusion Linde-Praxair:Jetzt auch Linde: Wie sich Konzerne in Dublin vor der Steuer drücken

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Ach wie schön ist Irland: In das Dubliner Viertel Ringsend haben große Firmen ihren Sitz verlegt und dem Stadtteil zu einem Boom verholfen. (Foto: Moment/Getty Images)

Der neue Firmensitz von Linde und Praxair soll ausgerechnet in Irland liegen. Dort haben auch Apple und Facebook ihren europäischen Hauptsitz, um Europas Finanzämter zu umgehen.

Von Karl-Heinz Büschemann, Pieter Couwenbergh und Alexander Hagelüken, München

Bisher war das Ganze eine Großfusion von zwei Konzernen, gegen die viele Mitarbeiter Bedenken haben. Jetzt aber bekommt der Zusammenschluss von Linde mit der US-Firma Praxair noch eine politische Dimension. Denn der künftig weltgrößte Gasanbieter plant, seinen Hauptsitz im Niedrigsteuerparadies Irland anzusiedeln. In Irland fallen im Regelfall nur etwa zwölf Prozent Unternehmensteuern an, in Deutschland 30 Prozent. Sowohl in Deutschland wie in den USA gebe es "die Tendenz bei Fusionen, den Hauptsitz in ein steuergünstigeres Land zu verlegen", kritisiert der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold.

Der Fall ist ein weiteres Beispiel für ein großes Problem der EU: Sie streitet darüber, dass kleinere Mitgliedsstaaten Konzerne durch niedrige Steuern anlocken - und damit großen Ländern wie der Bundesrepublik Einnahmen abnehmen, mit denen sie Ausgaben für ihre Bürger finanzieren könnten. Aufsehen erregte etwa, dass Luxemburg US-Firmen wie Amazon oder McDonald's durch diskrete Deals Steuersätze von weniger als einem Prozent offerierte. Die EU-Kommission forderte den Apple-Konzern 2016 sogar auf, 13 Milliarden Euro Steuern nachzuzahlen. Der iPhone-Hersteller soll in Irland nicht zwölf, sondern weniger als 0,1 Prozent Steuern gezahlt haben - ein Verstoß gegen europäische Gesetze, die staatliche Subventionen an Unternehmen erheblich einschränken.

Und wie liegt der Fall Linde-Praxair? Durch die Fusion würde ein Gasgigant mit 90 000 Mitarbeitern und knapp 30 Milliarden Euro Umsatz entstehen. Firmenvertreter behaupten, die Steuervorteile in Irland spielten nicht die zentrale Rolle bei der Entscheidung über den Firmensitz. Die Steuern würden dort bezahlt, wo produziert werde. "Ein Unternehmen kann immer behaupten, es zahlt vor allem an den Produktionsstandorten Steuern. Über Patente, Lizenzen und anderes lässt sich der Firmensitz für eine Menge Steuervorteile nutzen", sagt Politiker Giegold.

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Für den offiziellen Firmensitz wird ein neutraler Ort gesucht

Für den Münchner Linde-Konzern ist der Steuervorteil in Irland mindestens ein angenehmer Nebeneffekt. Intern haben sich beide Partner auf Dublin als Firmensitz des neuen Unternehmens verständigt. Warum? "Die Steuer ist ein Faktor für uns", sagt ein Linde-Manager. "Aber nur einer von mehreren, die für Dublin sprechen." Der Zusammenschluss ist bei der deutschen Belegschaft umstritten, weil der amerikanische Partner die Geschäfte des neuen Unternehmens vom bisherigen Praxair-Sitz in Danbury im US-Bundesstaat Connecticut aus führen will. Der machtbewusste künftige Konzernchef Steve Angel besteht darauf.

Daher muss ein neutraler Ort gefunden werden, der als offizieller Firmensitz ausgegeben werden kann. London, das ebenfalls im Gespräch war, kommt nach dem Brexit nicht mehr in Frage, wie bei Linde zu erfahren ist. Bei Amsterdam wäre es nötig, größere Teile der Verwaltung wie Rechtsabteilungen und Personalwesen in die Niederlande zu verlegen. Das wollen die beiden nicht. Bleibt Dublin, das den Vorzug hat, ein englischsprachiges Land zu sein, was amerikanischen Partnern immer gefällt. Und das eben auch noch niedrige Steuern bietet.

Ähnlich gemischt waren die Motive, als Anfang dieses Jahrhunderts der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS gegründet wurde, der inzwischen Airbus heißt. Das Unternehmen, das seine größten Fabriken für Zivil- und Militärflugzeuge in Frankreich und Deutschland hat, suchte damals - angeblich ebenfalls aus psychologischen Gründen - einen neutralen Firmensitz. Die EADS-Gründer entschieden sich für Amsterdam. Man habe die Niederlande gewählt, so erklärte der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Bischoff, "weil wir nicht nach Paris und die nicht nach Berlin wollten". Über die Steuervorteile in den Niederlanden haben die Flugzeugbauer öffentlich nie ein Wort verloren.

In jedem Fall bieten die Niederlande auch Steuervorteile. Die NGO Oxfam setzte das Nachbarland 2016 auf Platz drei der internationalen Steuerparadiese. Firmen wie Ikea, Nike und für ein Jahr auch Starbucks haben hier Briefkastenfirmen. Auch Popstars wie zum Beispiel U2 und die Rolling Stones haben hier ihren steuerlichen Sitz.

Die Niederlande sind populär, da der Staat keine Steuer auf Lizenzgebühren erhebt. Auch kassiert das Nachbarland keine Quellensteuer auf Zinseinnahmen, die ins Ausland gehen. Besonders internationale Unternehmen profitieren von dieser Möglichkeit, weil sie ihre Geldströme auf eine möglichst günstige Art organisieren können.

Kommission will Bemessungsgrundlage für Steuern vereinheitlichen

Eigentlich hatten die EU-Mitgliedsstaaten schon vor genau zwanzig Jahren beschlossen, sich nicht mehr gegenseitig mit unfairen Dumpingangeboten Firmen abzujagen. Ein damals beschlossener Verhaltenskodex sollte "schädlichen Steuerwettbewerb" verhindern. Doch solche Beschlüsse blieben ohne Wirkung. Nach wie vor nutzen Firmen die niedrigen Sätze in Ländern wie Irland oder verschieben Gewinne solange, bis möglichst wenig Steuern bleiben.

Die Brüsseler Kommission will jetzt durch ein Gesetz die Bemessungsgrundlage für Steuern und die Verteilung der Einnahmen einheitlich regeln. Das bremse den schädlichen Wettbewerb und habe auch für Unternehmen Vorteile, "weil sie nicht mehr mit den Finanzämtern in jedem EU-Staat einzeln verhandeln müssten", sagt der Abgeordnete Giegold. Allerdings stemmt sich die übliche Phalanx kleiner Staaten dagegen: Luxemburg, Tschechien, Malta - und Irland.

Das Problem: In Steuerfragen gilt Einstimmigkeit. Bei anderen EU-Gesetzen muss nur die Mehrheit aller Mitgliedsländer zustimmen, bei Steuerfragen müssen dies alle tun. Das stoppte bisher oft jeden Fortschritt im Kampf gegen unfaire Lockangebote. Auch den Plan, mit einer Mindeststeuer Dumpingsätze wie zwölf Prozent in Dublin auszuhebeln.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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