Fusion:Jetzt wird es schmutzig

Carsten Kengeter, CEO of Deutsche Boerse talks to the media while standing next to Hesse's Economy minister Tarek Al-Waziri during the presentation of FinTec start-up facilities provided by Deutsche Boerse in Frankfurt

Carsten Kengeter ist Chef der Deutschen Börse, war aber auch Top-Manager bei der Bank UBS. Da geriet er in die Affäre um manipulierte Zinssätze.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Der Chef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, muss sich eines Verdachts erwehren. Er kommt denkbar ungelegen.

Von Björn Finke, Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt/London

Es sind die entscheidenden Tage: Schon an diesem Mittwoch oder Donnerstag könnten Deutsche Börse und London Stock Exchange (LSE) ihren Aktionären das offizielle Fusionsangebot vorlegen, wie es aus dem Umfeld der Konzerne heißt. Und prompt macht eine alte Affäre wieder Schlagzeilen - Schlagzeilen, die Carsten Kengeter schaden, dem Chef der Deutschen Börse, der auch das zusammengeführte Unternehmen leiten soll. Das US-Wirtschaftsblatt Wall Street Journal berichtet, britische Ermittler hätten den Manager vor drei Jahren in einem internen Dokument mit der Manipulation des Zinssatzes Libor in Verbindung gebracht.

Ein Verfahren gegen den Deutschen eröffnete das Serious Fraud Office (SFO), die Londoner Behörde für Fälle schwerer Wirtschaftskriminalität, aber nicht. Die Vorwürfe sind schon länger bekannt; sie drehen sich darum, dass Kengeter 2008 und 2009 ein Vorgesetzter des verurteilten Libor-Betrügers Tom Hayes war. Dass jedoch die Zeitung dieses bislang unveröffentlichte Dokument von März 2013 gerade jetzt ausgräbt - oder es ihr zugespielt wurde -, ist für die Deutsche Börse unangenehm. Der Konzern aus Eschborn teilte mit, es habe diverse Untersuchungen gegeben, und keine habe Anlass für Bezichtigungen gegen Kengeter geliefert.

In Frankfurter Finanzkreisen ist zu hören, es sei damit zu rechnen gewesen, dass die Libor-Affäre noch einmal als Munition von Gegnern der Fusion genutzt werde. Oder von Beteiligten, die zumindest nicht wollen, dass Kengeter den verschmolzenen Konzern führen wird.

Es ist schon der dritte Versuch der Deutschen Börse in den vergangenen 15 Jahren, mit dem kleineren Londoner Rivalen zusammenzugehen. Der fusionierte Konzern soll seinen Sitz in London haben, dafür soll Kengeter das Unternehmen leiten. LSE-Chef Xavier Rolet wird abtreten. Neben den Aktionären müssen allerdings auch Wettbewerbshüter und Börsenaufseher dem Geschäft zustimmen. Außerdem erwägt der US-Rivale Intercontinental Exchange (ICE) ein Gegenangebot - dann gäbe es eine Bieterschlacht.

Der verurteilte Libor-Betrüger Tom Hayes belastet seinen früheren Vorgesetzten Kengeter

Kengeter fing im vorigen Juni als Vorstandschef der Börse an. Vor der Berufung habe der Personalausschuss des Aufsichtsrats seine Rolle bei den Libor-Verfahren genau untersucht, heißt es in Frankfurt. Der heute 48-Jährige war von Ende 2008 an Top-Manager bei der Schweizer Bank UBS gewesen - und damit einer der Vorgesetzten von Tom Hayes. Der Brite wurde im vergangenen Sommer als erster Banker weltweit wegen der Manipulation des wichtigen Zinssatzes Libor verurteilt: zu 14 Jahren Haft, wobei die Berufungsinstanz das Strafmaß auf elf Jahre verringerte.

Ende 2012 ließ das Serious Fraud Office Hayes festnehmen. Er sagte zunächst umfassend aus, die Ermittler nahmen 82 Stunden an Gesprächen auf. Unter anderem behauptete Hayes, dass die Betrügereien beim Libor ein offenes Geheimnis bei der UBS gewesen seien. Hayes spekulierte für die Bank in Tokio. Als Kengeter die Niederlassung dort besuchte, habe der Deutsche an Treffen teilgenommen, bei denen Mitarbeiter über die Manipulation des Libor sprachen, sagte Hayes.

Diese Aussage wurde im Juni beim Prozess gegen Hayes in London verlesen. Neu an dem Bericht des Wall Street Journal ist, dass die Ermittler nach den Verhören mit Hayes dessen Ex-Chef Kengeter Anfang 2013 in einem internen Dokument offenbar als möglichen Mittäter des Briten nannten. Zudem zitiert die Zeitung aus E-Mails von oder an Kengeter, in denen dessen Untergebener Hayes gelobt wird.

Zu einem Verfahren führte all das aber nicht. Schmutzige Wäsche zu waschen, ist bei Übernahmekämpfen nichts Ungewöhnliches. Das musste die Deutsche Börse bereits 2005 erfahren. Als Werner Seifert, damals Chef, die LSE gegen den Willen des Londoner Managements kaufen will, wird sein Privatleben in britischen Zeitungen ausgebreitet. Genüsslich meldete das Boulevardblatt Sun, der zum zweiten Mal verheiratete Seifert habe angeblich eine Geliebte in London, passenderweise die Herausgeberin des Finanzblatts Institutional Investor. Bei der habe Seifert zwei Mappen mit geheimen Fusionsunterlagen liegen lassen.

Der Mann, der die Fusion schließlich verhinderte, war Chris Hohn, Chef des Hedge-Fonds TCI. Er forderte, Seifert solle die Kriegskasse per Aktienrückkauf ausschütten anstatt so viel Geld für die Londoner Börse zu zahlen. Seifert und Aufsichtsratschef Rolf Breuer unterschätzten Hohn. Sie versuchten, ihn als Spekulanten zu verunglimpfen. Doch Hohn gelang es, Verbündete unter den normalerweise eher braven Fondsgesellschaften zu finden. Er bekam seinen Willen; Seifert musste gehen. Indes gibt es auch weniger negative Nachrichten von der Deutschen Börse: In Finanzkreisen hieß es, dass Ann-Kristin Achleitner im Mai in den Aufsichtsrat einziehen soll. Die Frau von Deutsche-Bank-Oberaufseher Paul Achleitner, die bereits in den Kontrollgremien von Münchner Rück, Metro und Linde sitzt, soll den scheidenden Gerhard Roggemann ersetzen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: