Süddeutsche Zeitung

Fusion beim Kabel:Rot gegen Magenta

Brüssel genehmigt die größte Telekom-Fusion in Europa seit Jahren: Vodafone darf den Kölner Konkurrenten Unitymedia übernehmen. Der Telekom gefällt das gar nicht.

Von Alexander Mühlauer und Benedikt Müller, Brüssel/Düsseldorf

Um klar zu machen, worum es geht, wagt Margrethe Vestager einen kühnen Vergleich: "Der Zugang zu bezahlbaren und hochwertigen Breitband- und TV-Diensten ist in unserer modernen Gesellschaft fast genauso gefragt wie der Zugang zu fließendem Wasser." Das mag übertrieben sein, aber für die EU-Wettbewerbskommissarin sind eben auch Kabelnetze ein Grundbedürfnis. Und so genehmigt Vestager am Donnerstag die größte Fusion, die der Telekommunikationsmarkt in Europa seit Jahren gesehen hat: Vodafone darf den Kölner Konkurrenten Unitymedia sowie weitere Kabelnetze in Osteuropa für 18,4 Milliarden Euro übernehmen - aber nur unter Auflagen.

Kein Wunder, denn zusammen bilden Vodafone und Unitymedia einen der größten Anbieter von Telefon, Internet und Fernsehen in Deutschland. Die erste Auflage betrifft das Kabel-TV. Vodafone ist mit 7,6 Millionen zahlenden Haushalten schon heute Marktführer in Deutschland. Allerdings ist der Konzern bislang weder in Hessen, Nordrhein-Westfalen noch in Baden-Württemberg als Fernsehanbieter vertreten. Dort besitzt Unitymedia die Kabelnetze und erreicht 6,3 Millionen Haushalte. Betrachtet man nur diesen Übertragungsweg, kommen beide Firmen auf einen Marktanteil von mehr als 80 Prozent.

Daher schreibt die EU-Kommission nun vor, dass der fusionierte Konzern die Einspeisegebühren nicht erhöhen darf. Das ist das Geld, das Sender zahlen müssen, damit ihr Programm über Kabelfernsehen zu sehen ist. So will Brüssel die Medienvielfalt sicherstellen. Viele Wohnungsunternehmen lassen ganze Mietshäuser von Kabelanbietern anschließen; Mieter zahlen ihr Fernsehen dann über die Nebenkosten.

Die zweite Auflage betrifft den Wettbewerb um schnelles Internet. Immer mehr Kunden nutzen Kabel auch zum Surfen, als Alternative zum Festnetz der Deutschen Telekom. Zusammen mit Unitymedia ist Vodafone klar zweitgrößter Breitbandanbieter. Der Konzern hat künftig erstmals in allen Bundesländern ein eigenes Festnetz, um der Telekom Konkurrenz zu machen. Vodafone will diese Anschlüsse in den nächsten Jahren für Download-Geschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde aufrüsten. Dann wären die Leitungen in der Spitze viermal so schnell wie die meisten Anschlüsse der Telekom.

Kritiker des Zusammenschlusses sehen die Medienvielfalt in Deutschland bedroht

Doch Vodafone muss dieses Kabelnetz nun für den Anbieter Telefónica (O2) öffnen. So schreibt es die EU-Kommission vor. Der Konkurrent kann dann Leitungen anmieten und eigene Verträge für Internet, Telefon und Fernsehen abschließen. Mithin können Kunden künftig zumindest zwischen zwei Kabelanbietern wählen. Vodafone hatte den Wettbewerbshütern diese Öffnung an Telefónica als Entgegenkommen angeboten, allerdings nur mit Bandbreiten von bis zu 0,3 Gigabit pro Sekunde.

Wettbewerber warnen hingegen, dass mit der Fusion ein Duopol auf dem Telekommunikationsmarkt entstehen könnte: eine Situation mit zwei Marktführern, die alle anderen an den Rand drängen könnten. Diese anderen, das sind etwa der Anbieter 1&1, der Leitungen der Telekom anmietet und vertreibt, sowie die Firma Tele Columbus, die unter der Marke Pÿur Kabelnetze in Berlin und Ostdeutschland betreibt. Hinzu kommen Firmen wie M-net oder Netcologne, die regionale Glasfasernetze aufbauen. Solche Glasfaserleitungen ermöglichen noch schnelleres und zuverlässigeres Internet als Kabelanschlüsse.

Die Fusion von Vodafone und Unitymedia werde den Glasfaserausbau zusätzlich erschweren, warnt die Telekom. Der Konzern wolle die Entscheidung der EU-Kommission "intensiv analysieren" und erwägt, vor das Gericht der Europäischen Union zu ziehen. Dieses könnte die Freigabe überprüfen. Auch der Medienverband Vaunet prüft "weitere Schritte". Fernsehsender hatten befürchtet, dass sie künftig höhere Einspeisegebühren zahlen müssten. Nach dem Zusammenschluss sei "jeder deutsche Fernsehsender gänzlich abhängig von Vodafone/Unitymedia", warnte RTL. Die Fusion berge "erhebliche Gefahren für die Medienvielfalt in Deutschland", kritisierten Verbände wie der Vaunet.

Bislang hatten Wettbewerbshüter Kabelfusionen kritisch gesehen. Beispielsweise hatte Kabel Deutschland 2004 schon einmal versucht, die Netze in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen zu kaufen. Dies scheiterte aber am Veto des Bundeskartellamts. Vodafone hat Kabel Deutschland 2013 übernommen. Diesmal hingegen hat nicht das Kartellamt, sondern die EU-Kommission den Fusionsplan geprüft, da dieser auch Geschäfte in Rumänien, Tschechien und Ungarn umfasst.

Die EU hatte bei der Privatisierung der Bundespost vorgeschrieben, dass die damals entstandene Deutsche Telekom ihr Kabelnetz abgeben muss. So wollte Brüssel den Wettbewerb beleben. In der Folge verkaufte die Telekom ihre TV-Kabel in regionalen Häppchen an Finanzinvestoren. Mit einem Zusammenschluss von Vodafone und Unitymedia kämen gut 80 Prozent dieses Netzes nun wieder in eine Hand.

Vodafone will die Fusion bis Monatsende abschließen. Die Verträge und Tarife beider Firmen sollen "bis auf Weiteres" bestehen bleiben. Kunden von Unitymedia erhalten auch kein Sonderkündigungsrecht. Die Marke bleibe vorerst bestehen, dürfte aber langfristig der bekannteren Marke Vodafone weichen, sagt ein Sprecher. Pläne eines möglichen Stellenabbaus müsse man zunächst "im Detail entwickeln" und mit Betriebsräten besprechen. Vodafone setze auf einen "sozial verträglichen Prozess".

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Quelle:
SZ vom 19.07.2019
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