Vor der Hauptversammlung:Wie die Telekom leidet

Das Kerngeschäft bröckelt, in den Zukunftsmärkten geht es nur langsam voran, und für einen Befreiungsschlag fehlt das Geld. Für die Deutsche Telekom ist es schon ein Erfolg, nur langsam an Boden zu verlieren. Der Konzern im Jahr fünf von René Obermann - eine Bestandsaufnahme.

Björn Finke

Dem Vorstandschef war bewusst, dass da ein gewisses Spannungsverhältnis besteht zwischen Aussage und Auftritt. Ein warmer Mai-Abend in Berlin, das Atrium der Hauptstadtvertretung ist gut gefüllt. Für die Gäste gibt es Wein und Häppchen und unaufdringliche Musik vom Band. Das Atrium ist ein Relikt besserer Zeiten, 500 Quadratmeter groß und drei Stockwerke hoch. Früher befand sich in diesen Stockwerken das Kaiserliche Haupttelegraphenamt, nach einem aufwendigen Umbau ziehen hier seit 2000 die Lobbyisten der Deutschen Telekom die Strippen. In diesem geschmackvollen Ambiente steht Konzernchef René Obermann auf der Bühne. Er erklärt den Gästen, vor allem Politikern, die schwierige Lage und den Spardruck in seinem Unternehmen. "Auch wenn die Repräsentanz noch recht luxuriös ist: Wir haben gelernt, bescheiden zu sein", sagt der 49-Jährige.

Telekom Zentrale

Deutsche Telekom: Das Kerngeschäft bröckelt.

(Foto: dpa)

An diesem Donnerstag wird Obermann wieder über die Lage des Dax-Konzerns sprechen. Allerdings ist das Ambiente weniger gediegen. Statt in einem Prachtbau aus dem Jahr 1861 steht die Bühne in einer Mehrzweckhalle anno 1998, der Kölner Lanxess-Arena. Auf der dortigen Hauptversammlung erhoffen sich die Aktionäre Antworten auf die Frage, wie der Manager der Firma wieder zu Wachstum verhelfen will.

Denn Bescheidenheit ist nicht bloß angesagt, wenn es um die Kosten geht. Bescheiden entwickelt sich auch der Kurs der T-Aktie, und bescheiden sind die Geschäftszahlen . Bei der Bilanzvorlage für das erste Jahresviertel werteten es Analysten schon als Erfolg, dass der Umsatz lediglich um ein Prozent sank.

Obermann führt den ehemaligen Staatskonzern seit fünfeinhalb Jahren, sein Vertrag läuft bis Oktober 2016. Ob sich der Düsseldorfer bis dahin auch mal unbescheiden über kräftiges Wachstum freuen kann, ist fraglich: Das Kerngeschäft bröckelt, in den Zukunftsmärkten geht es nur langsam voran, und für einen Befreiungsschlag fehlt das Geld.

Die Telekom im Jahre fünf von René Obermann - eine Bestandsaufnahme.

Anschluss verpasst

Wichtigster Markt ist Deutschland, 45 Prozent der Umsätze stammen von hier. Doch der Konzern verliert in seinem alten Kerngeschäft - Anschlüsse fürs Telefon - an Boden. Seit 2007 wanderten sieben Millionen Festnetz-Kunden ab. Zwar stieg die Zahl der Kunden für schnelles Internet und Handyverträge, aber unter dem Strich sinkt der Umsatz. Der Grund dafür ist schön für den Verbraucher und schlecht für die Bonner: Der scharfe Wettbewerb lässt die Preise schrumpfen. Und was der Wettbewerb nicht schafft, erledigen die Bundesnetzagentur oder die EU-Kommission. Sie senken etwa die zulässigen Gebühren für Handytelefonate im Ausland oder dafür, Anrufe aus einem Konkurrenznetz zuzustellen. Obermann klagte bei dem Empfang in Berlin, sein Unternehmen werde ausgequetscht wie eine Zitrone.

Auf den schwindsüchtigen Umsatz reagierte die Telekom mit immer neuen Sparprogrammen, die Zahl der Stellen sinkt. So gelang es, die Marge hochzuhalten, im vergangenen Jahr blieben in Deutschland von jedem Euro Umsatz ordentliche 40 Cent als Betriebsergebnis hängen. Doch Branchenbeobachter befürchten, dass der Konzern nicht mehr viel sparen kann, Obermann könnte seine Metapher von der ausgequetschten Zitrone auch mit Blick auf die Kosten seines Unternehmens anbringen.

Dabei werden die Umsätze im klassischen Geschäft weiter fallen, das ist unvermeidlich: Die Berater von Roland Berger schätzen, dass Europas Telekommunikationskonzerne bis 2020 ein Fünftel ihres Umsatzes einbüßen könnten, wenn sie sich darauf beschränken, einfach nur Anschlüsse anzubieten. Zwar werden die Kunden immer mehr und immer rasanter im Internet surfen, sei es zuhause oder auf dem Smartphone. Die "Telekoms" dieser Welt müssen deswegen für Milliarden schnelle Glasfaserleitungen verbuddeln. Doch die Gewinne daraus streichen vor allem Web- und Technologiefirmen wie Google, Facebook und Apple ein.

Obermann kann da nicht tatenlos zuschauen; er hat fünf neue Wachstumsfelder jenseits von Telefon- und Handygesprächen benannt, in denen er den Umsatz bis 2015 von 19 auf 30 Milliarden Euro steigern will. Da geht es um sogenannte Cloud-Dienste, also darum, Privatleuten und Firmen Speicherplatz auf Servern anzubieten. Oder um Online-Anzeigenportale wie Immobilienscout24, die der Konzern gekauft hat. Auch möchte die Telekom mehr daran verdienen, dass Handykunden ruckelfrei im Netz surfen wollen. Und der Konzern hofft auf die Vernetzung des Alltags: "Wir wollen ein internationaler Marktführer für vernetztes Leben und Arbeiten werden", sagt der Manager. Wenn Ärzte, Apotheken und Versicherer Patientenakten digital hin- und herschicken, wenn Energieversorger intelligente Stromzähler nutzen und Verbraucher ihre Waschmaschine vom Sofa im Wohnzimmer aus steuern wollen - dann soll die Telekom als Dienstleister daran verdienen.

Doch gerade bei den exotischeren Anwendungen sind die Umsätze mau, selbst starkes Wachstum wird das Minus im alten Kerngeschäft nicht ausgleichen.

Kampf mit den Kabelfirmen

Immerhin sind die Bonner schon in vielen Wohnzimmern präsent - mit ihren Empfangsboxen fürs eigene Fernsehen T-Entertain. Der Konzern setzt damit Kabelnetzbetreibern wie Kabel Deutschland etwas entgegen. Denn die bieten längst nicht mehr bloß Fernsehen an, sondern jagen der Telekom Internet- und Telefonkunden ab. Dumm nur, dass die Bonner bei der Versteigerung für die Liverechte an der Fußball-Bundesliga leer ausgingen - jetzt muss sich der Magenta-Konzern mit dem siegreichen Bieter Sky einigen, sonst werden die Fußballfans unter den Entertain-Nutzern schnell das Spielfeld wechseln.

Ärger im Ausland

Wachsen könnte das Unternehmen auch in boomenden Schwellenländern wie Brasilien, doch hier sind die Bonner nicht präsent. Und für kostspielige Übernahmen fehlt bei 39 Milliarden Euro Schulden und einem teuren Dividendenversprechen das Geld. Der Verkauf der ungeliebten Tochter T-Mobile USA an AT&T hätte dringend benötigte 39 Milliarden Dollar in die Kasse gespült, aber die Wettbewerbshüter blockierten das Geschäft. Nun sucht das Dax-Mitglied einen anderen Partner. Der Tochter OTE in Griechenland und den Beteiligungen in Osteuropa macht die Finanzkrise zu schaffen, ist diese jedoch überwunden, winken dort zumindest gute Geschäfte.

Gewinner und Verlierer

Lothar Schröder ist stellvertretender Aufsichtsratschef der Telekom. Gefragt nach einer Bilanz der vergangenen Jahre macht er eine einfache Rechnung auf: "Es gab zwei Gewinner und zwei Verlierer bei der Privatisierung der Telekom", sagt der Verdi-Vorstand. Profitiert hätten die Verbraucher sowie der Staat als Verkäufer der Aktien. "Die Verlierer waren die Mitarbeiter und die Aktionäre - zumindest jene, denen es nur um die Höhe des Aktienkurses geht, nicht um die Dividende." Die Anteilseigner, die sich am Donnerstag in Köln versammeln, werden Schröder nicht widersprechen.

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