Süddeutsche Zeitung

Führungswechsel:Säbel statt Florett

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer kündigt seinen Rückzug an. Mit Nachfolger Rainer Dulger könnte der Ton in der Debatte wieder schärfer werden.

Von Marc Beise

Weiter so oder alles ganz anders? Diese Frage wird bei jedem Führungswechsel gestellt, und meistens kommt dann etwas, das irgendwie dazwischen liegt. So wird es im Zweifel auch im Falle des bevorstehenden Führungswechsels bei den deutschen Arbeitgebern sein. Aber sicher ist das nicht, denn der designierte Nachfolger des langjährigen Präsidenten Ingo Kramer, 67, aus Bremerhaven, der Heidelberger Unternehmer Rainer Dulger, 56, gilt als harter Hund in der Auseinandersetzung mit der Politik und auch den Gewerkschaften - während der Amtsinhaber auf seine hanseatisch-verbindliche Art stolz ist.

Um Kramer hatte es bereits im Vorfeld der letztjährigen Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) Gerüchte gegeben, er sei amtsmüde und wolle nach den üblichen vier Jahren abtreten. Dem hatte der Präsident energisch widersprochen und sich dann auch ein drittes Mal wählen lassen. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung machte er damals klar, dass seine ruhige ausgleichende Art explizit gebraucht werde angesichts der Labilität der großen Koalition von Union und SPD, die sich nach dem Scheitern der "Jamaika"-Verhandlungen mehr schlecht als recht noch einmal zusammengerauft hatte. "Ich kann beitragen, die Verhältnisse in Berlin stabil zu halten", sagte er damals. "Polarisierer gibt es genug, ich kann vermitteln."

Zum Wochenende nun hat Kramer in einem Brief an die Präsidiumsmitglieder der BDA seinen Amtsverzicht bei der nächsten Mitgliederversammlung angekündigt und schlägt den bisherigen Gesamtmetall-Chef Dulger als Nachfolger vor. Für Kramer ist das nur folgerichtig. Es entspreche dem, was er immer angestrebt habe ("fünf Jahre"), die Koalition arbeite ruhig und zuverlässig, und das werde sich hoffentlich bis zur Bundestagswahl im kommenden Jahr nicht mehr ändern. Auch hatte er immer betont, er wolle seinem Nachfolger rechtzeitig Platz machen, damit dieser sich in Ruhe einarbeiten könne.

Kramer weiß, wovon er spricht - denn er hatte es selbst anders erlebt. Sein Vorgänger Dieter Hundt hatte das Amt gefühlt lebenslang bekleidet (nachgezählt waren es rekordhafte 17 Jahre), und als er den Generationenwechsel dann endlich zuließ, fand sich Nachfolger Kramer aus dem Stand im Herzen der Berliner Politik wieder. Die seinerzeitige große Koalition von Union und SPD hatte gerade unter Mühen einen Koalitionsvertrag verhandelt, der mit Beschlüssen gespickt war, die den Arbeitgebern nicht passten. Kramer spießte das in seiner Antrittsrede auf im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel ("Bestellen Sie nichts, was Sie nicht auch bezahlen können"), die pikiert reagierte, indem sie Vorgänger Hundt heftig lobte ("Sie, Herr Kramer, werden eine Weile brauchen, damit Sie das auch noch irgendwie schaffen"). Kramer brauchte in der Tat Zeit, seine Rolle zu finden, seit er sie hat, macht ihm der Job sichtlich Spaß. Sein Verhältnis zu Merkel ist mittlerweile tipptopp. Er nimmt für sich in Anspruch, hinter den Kulissen viel erreicht zu haben, aber auf der offenen Bühne bevorzugt er, wie man so sagt, Florett statt Säbel. Er scheut sich auch nicht, SPD-Minister zu loben, sogar solche, die neue Sozial- und Arbeitsgesetze vorantreiben, die die Unternehmen kostenmäßig weiter belasten. Das hätte es unter manchem früheren Chefvertreter der deutschen Wirtschaft nicht gegeben, und im Unternehmerlager finden viele Kramers Konzilianz, sagen wir mal: nicht so prickelnd.

Zu denen, die lieber härter hinlangen, gehört seit Langem Rainer Dulger. Als Präsident des mächtigen Verbandes Gesamtmetall, der das industrielle Herz der Wirtschaft vertritt, hat er sich immer wieder kritisch geäußert zur Regierung, die die wirtschaftliche Stärke des Landes gefährde. Es wird spannend sein, ob Dulger als dann oberster Repräsentant der Arbeitgeber seinen harten Kurs beibehält. Gewählt wird am 25. November 2020.

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SZ vom 21.09.2020
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