Führungswechsel bei der Deutschen Bank:Intrigen am Main

Anshu Jain sägt Ackermanns Leute ab und ruft massiven Widerstand seines Vorgängers hervor. Der Investmentbanker hat beim Umbau des Vorstandes der Deutschen Bank viel Getöse verursacht. Nun ziehen besonders viele englischsprachige Vertraute des neuen Chefs in die Führungsetage ein. Wird das Institut unter Jain zur Zockerbude?

Harald Freiberger und Alexander Hagelüken

Es hatte sich das alles so schön vorgestellt, das ungleiche Duo, das künftig Deutschlands größte Bank leitet. An diesem Freitag wollten der dynamische Anshu Jain und der bodenständige Jürgen Fitschen ihr neues Führungsteam erst vom Aufsichtsrat abnicken lassen und dann der Öffentlichkeit präsentieren: eine ehrgeizige, recht junge Truppe, internationaler denn je zuvor. Unter all den News sollte möglichst wenig auffallen, dass Jain und Fitschen Getreue des scheidenden Chefs Josef Ackermann abservieren, die an ihren Stühlen sägen könnten. Soweit der Plan, der schöne Schlagzeilen versprach. Doch es kam alles anders.

Deutsche Bank - Anshu Jain

Ausschließlich seine Vertrauten sind aufgestiegen: Anshu Jain bei einer Bilanz-Pressekonferenz der Deutschen Bank.

(Foto: dpa)

Seit die Personalien vorab an die Bild-Zeitung durchgesickert waren, ist die Deutsche Bank mal wieder ganz anders in den Schlagzeilen: Als Intrigantenstadl, bei dem sich große Egos mit viel Getöse beharken. Wegen der Personalien wurde sofort klar, dass an den Schalthebeln der Macht künftig besonders viele englischsprachige Vertraute des Investmentbankers Jain sitzen. Und es wurde rasch öffentlich, was Josef Ackermann davon hält: nichts. Vereinzelt hieß es, er habe über die Personalien getobt. Doch wer ihn kennt, weiß, dass Ackermann sehr ruhig und ganz kühl wird, wenn er richtig böse ist. Am Tag der Indiskretionen war er sehr ruhig und ganz kühl. Der Alte und der Neue streiten über die Strategie: Ein glatter Führungswechsel sieht anders aus.

Als Josef Ackermann selbst vor zehn Jahren Chef wurde und den Vorstand umbaute, verkündete sein Vorgänger Rolf Breuer die Personalien - ohne Widerspruch. Für die Sitzung der Aufsichtsräte, die am Freitagvormittag im großen Sitzungssaal im 34. Stock die Personalien absegneten, nahm sich Ackermann dagegen kritische Worte vor. Dass es stillos sei, Mitarbeiter aus der Bild-Zeitung erfahren zu lassen, wer ihre neuen Chefs sind. Eine Kritik, die jene für verlogen halten, die Ackermanns Umfeld selbst für das frühe Lancieren der Personalien verantwortlich machen.

Die Beziehung zwischen Ackermann und Jain vereiste vor einem Jahr. Damals sprach sich der Patriarch, der bei der Deutschen Bank in zehn Jahren eine Ära prägte, für Ex-Bundesbanker Axel Weber als seinen Nachfolger aus. "Die richtige Persönlichkeit kann alles lernen, Persönlichkeit aber kann man nicht lernen", sagte er über Weber. Für Jain, 48, der sich jeden Artikel über die Deutsche Bank ins Englische übersetzen lässt, klang das so: Ackermann hält mich für ungeeignet, die Bank zu führen.

Anshus Armee

Jain bekam mit, was Ackermanns Umfeld über ihn verbreitete: Dass man ihn der deutschen Politik und Öffentlichkeit für nicht vermittelbar hielt, weil er Chef des Investmentbankings ist, das die Finanzkrise mitverursachte. Weil er für all die riskanten Geschäfte verantwortlich war, die der Deutschen Bank in den USA Milliarden-Klagen eingebracht haben. Ackermann traut Jain nicht zu, dass er den von ihm selbst seinerzeit eingeschlagenen Weg fortführen kann, der auf einen Ausgleich zwischen Investmentbanking und dem traditionellen Bankgeschäft baut, was Ackermann durch den Kauf der Postbank einleitete.

Einen Kurswechsel unter Jain vermuten auch andere. Vom "Durchmarsch der Londoner Investmentbanker" ist die Rede, von "Anshus Armee". In den Filialen sorgten sich Mitarbeiter, das traditionelle Bankgeschäft gerate unter die Räder, beschreibt ein Insider. Manche Kunden fragten, "ob ihr Geld künftig von den Investmentbankern verzockt wird". Auch in der Politik gibt es solche Stimmen. So warnt der SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider, dass sich die Geschäftspolitik hin zu mehr Risiko verändern könnte. "Das kann dem Steuerzahler nicht egal sein, weil er am Ende für eine systemrelevante Bank bürgen muss."

Zu dieser Sichtweise passt, dass Jain den Risikovorstand und Ackermann-Vertrauten Hugo Bänziger absägte und an der Hierarchie vorbei seinen Vertrauten William Broeksmit zum Nachfolger machen wollte. Peinlicherweise lehnte die Finanzaufsicht den Kandidaten soeben ab, so dass nun Bänzigers Stellvertreter Stuart Lewis den Posten übernimmt.

Will Jain zurück zum Turbo-Banking?

Doch stimmt es wirklich, dass Jain zurück zum Turbo-Banking will, das der Welt die Finanzkrise bescherte? Viele Beobachter zweifeln. Analyst Konrad Becker vom Bankhaus Merck & Finck erwartet keinen radikalen Strategiewechsel: "Jain will aus der Deutschen Bank keine Zockerbude machen". "Vor zehn Jahren hätte Jain beim Kauf der Postbank gekotzt, weil sie ihm nicht ins Konzept gepasst hätte, heute ist er froh darum", sagt ein hoher Verantwortungsträger eines Konkurrenten der Deutschen Bank. "Risiken beim Eigenhandel einzugehen, lohnt sich nicht so wie vor der Finanzkrise", analysiert der Frankfurter Bankprofessor Martin Faust. Manches Investmentbanking sei sinnvoll und weniger riskant, etwa die Absicherung der zunehmenden Währungs- und Zinsrisiken.

Jain hat erkannt, dass die Karten neu gemischt werden. Zum Beispiel sind Schweizer Banken wie UBS oder Credit Suisse strengeren Gesetzen unterworfen und scheiden teils aus dem Geschäft aus. Da ergeben sich Chancen", analysiert Faust. Die Aussichten auf dem umkämpften deutschen Markt mit seinen niedrigen Margen seien gering. Anstrengungen in Asien oder Südamerika, ob Investmentbanking oder klassische Kredite, versprechen dagegen Wachstum. Und dazu passt Jains neues Personaltableau voller Angelsachsen und Asiaten sehr gut.

Wer das gelten lässt, erkennt schnell, dass es beim Zwist zwischen Ackermann und Jain nicht nur um einen Kampf um die Strategie geht. Sondern auch sehr um Emotionen. Hier der lange von Ackermann gehätschelte Kronprinz, der plötzlich unerwünscht war. Dort der überlebensgroße Epochenmacher, der die Bank erst internationalisierte, dann sicher durch die Finanzkrise lenkte und schließlich mit dem Kauf der Postbank solider machte. Und der nun einfach Probleme hat mit dem Verlust der Macht, nachdem es ihm nicht gelang, bei der Deutschen Bank Aufsichtsratschef zu werden.

Selten ist das so gut sichtbar wie auf Ackermanns letzter Bilanz-Präsentation am 2. Februar. Mit ernstem Gesicht betritt er den Hermann-Josef-Abs-Saal in Frankfurt. Das berühmte Ackermann-Lächeln bleibt aus, ein gemeinsames Foto mit Jain und Fitschen lehnt er ab. In seiner Rede ohrfeigt er Jain: "Die Investmentbank hat die Erwartungen leider nicht erfüllen können." Der Hohenheimer Bankprofessor Hans-Peter Burghof urteilt: "Ackermann ist fit und sucht die Macht. Wahrscheinlich ist er einfach beleidigt, dass ihn keiner mehr anruft." Viel reisen wolle er nach seinem Abgang, verbreitete Ackermann vergangenes Jahr. Seit dieser Woche weiß man, dass er nicht nur den Aufsichtsrat des Versicherungskonzerns Zurich übernimmt, sondern auch das verzweigte Imperium der schwedischen Wallenberg-Familie beraten wird.

Stolpern zu Beginn

Wer am 1. Juni sein voluminöses Chefzimmer im 32. Stock der Frankfurter Zentrale übernimmt, steht noch nicht fest. Jain und Fitschen logieren bisher eine Etage drunter. Wie geht es weiter bei der größten deutschen Bank? Kommt es zu Machtkämpfen der Doppelspitze, strebt der neue Aufsichtsratschef Paul Achleitner nach einer Sprechrolle?

Es ist ja meistens viel los in Deutschlands einziger internationaler Top-Bank. Kein Zufall sei das, meint ein Manager der Konkurrenz: "Die sind die Einzigen in Deutschland, die unter die weltweit fünf größten Geldhäuser stoßen können. Und eine solche Rolle zieht Mega-Egos an, die mit Ellenbogen arbeiten. Ein Chef fördert Mitarbeiter, die so sind wie er." Anshu Jain kündigte kürzlich einen Ausleseprozess unter den internationalen Top-Häusern an. Und gab als Ziel aus: "Die Deutsche Bank wird sich unter den größten fünf globalen Finanzinstituten festsetzen."

Nun wird spekuliert, was genau in Deutschlands erstem Bankhaus geschehen wird. Ein intimer Beobachter erwartet, dass sich die Doppelspitze aus Außenminister Jain und dem für die Konsenspflege in Deutschland ausgeguckten, bereits 63-jährigen Fitschen nach außen so harmonisch präsentieren wird wie möglich. "Der Fitschen freut sich, dass er noch drei Jahre dabei ist, womit er gar nicht gerechnet hatte."

Für Jain gelte etwas anderes, sagt ein anderer Insider: "Wenn er irgendwann alleine regieren will, darf er keine Konflikte mit Fitschen haben, die bekannt werden. Sonst wird man nach Fitschens Ausscheiden sagen: Seht ihr, man braucht einen Aufpasser, um diesen Investmentbanker zu zähmen. Stellen wir ihm doch wieder jemanden zur Seite, vielleicht den Privatkundenvorstand Rainer Neske." Eine weitere Doppelspitze, so sagt der Insider, wäre Jains Horror. Er will, dass es bald nur einen gibt, der für Ackermanns Chefbüro in Frage kommt.

Dazu wäre es allerdings nötig, dass er die weiteren Stufen seines Wegs souverän schreitet. Der Anfang an der Spitze, mit all den Turbulenzen um sein Führungsteam und dem durchgefallenen Risiko-Chef: Das wirkt eher wie ein Stolpern.

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