Führungstreffen von Siemens:Einschwören auf harte Zeiten

Es geht um viel bei dieser Rede: Das Management von Siemens versammelt sich in Berlin. Konzernchef Peter Löscher muss dort erklären, wie er den Konzern aus der Krise führen will. Eines ist sicher: Das Unternehmen muss kräftig sparen.

Björn Finke

Siemens Bilanz Pk in München

Peter Löscher im Rampenlicht: In dieser Woche ist der Siemens-Chef in Berlin und schwört sein Management auf harte Zeiten ein. 

(Foto: action press)

Seine besten Jahre liegen wohl hinter ihm, aber steht er auf der Bühne, gibt es kein Halten mehr. So auch bei dem Auftritt im Berliner Hotel Intercontinental. Mehr als 500 Gäste waren gekommen, um ihn zu hören.

Das war im Juni, da war der ergraute walisische Herzensbrecher Tom Jones ("Delilah") Gaststar auf dem Rosenball in dem Berliner Hotel. Das Interconti ist jedoch nicht nur für Bälle ein beliebter Veranstaltungsort, sondern ebenso für Tagungen. Siemens etwa richtet dort jeden Herbst sein Führungskräftetreffen aus. Das diesjährige Familientreffen findet von Mittwoch bis Freitag statt. Auch bei dieser Veranstaltung sind an einem Tag - am Donnerstag - alle Blicke auf einen Mann auf der Bühne gerichtet. Der ist mit 55 Jahren 17 Jahre jünger als Tom, der Tiger, Jones, aber nicht annähernd so charismatisch.

Doch ist er seit fünf Jahren Chef des größten deutschen Technologiekonzerns, und von seinem Auftritt erhoffen sich die 600 aus aller Welt angereisten Manager Aufschluss darüber, wie es weitergeht mit dem Münchner Dax-Mitglied.

Wie die Firma aus der Krise kommt.

Wie Vorstandschef Peter Löscher seine zweite Amtszeit zum Erfolg machen will.

Im Juli hatte der Österreicher seinen zweiten Fünf-Jahres-Vertrag angetreten, noch im selben Monat musste der polyglotte Firmenlenker eingestehen, dass Siemens nicht gut auf den Abschwung der Weltwirtschaft vorbereitet ist. Dass die Bestellungen einbrechen trotz ambitiöser Wachstumsziele. Und dass das Management bei den Kosten die Disziplin hat vermissen lassen. "Wir können nicht zufrieden sein", sagte er - und kündigte ein Sparpaket an. Seitdem wurde die Firma durchforstet, auf der Suche nach Schlendrian und Bürokratie. Ergebnisse der kritischen Selbstbetrachtung wird Löscher nun am Donnerstagnachmittag präsentieren.

Es geht also um viel bei dieser Rede vor den Mächtigen des Siemens-Reiches, und doch heißt es aus der Firma, Details des Sparpakets seien nicht zu erwarten. Löscher werde stattdessen die Manager auf seine Ziele einschwören, auf mehr Rendite, mehr Tempo. Bis November obliege es dann den Führungskräften, die Vorgaben des Vorstands in konkrete Sparmaßnahmen umzusetzen. Die werden zusammengefasst und von Löscher bei der Bilanz-Präsentation am 8. November als Effizienzprogramm vorgestellt.

Die Analysten der Bank JP Morgan rechnen bereits vor, dass der Konzern mit zuletzt 74 Milliarden Euro Umsatz vier Milliarden Euro sparen müsste, um wieder attraktive Margen zu erreichen. Im Frühsommer 2012 blieben von jedem Euro Umsatz nur bescheidene neun Cent Betriebsgewinn über, in etwa so viel wie 2007. Weil das zu wenig war, hatte der Manager damals ein Programm mit dem hübschen Namen "Fit for 2010" aufgelegt und die Kosten gesenkt. 13.000 Stellen fielen weg, die Rendite stieg deutlich. Doch jetzt ist Löscher wieder da angekommen, wo er gestartet war. Das mag für den Hobby-Läufer Löscher bei seinen Runden im Englischen Garten akzeptabel sein - bei der Gewinnmarge ist es für ihn ein Ärgernis.

Acht Milliarden - ohne nennenswerten Effekt

Allerdings gehen weder Analysten noch Gewerkschafter davon aus, dass ein Kahlschlag bei den Jobs droht. Zumal in Deutschland ein Beschäftigungspakt betriebsbedingte Kündigungen sehr erschwert. 119.000 der weltweit 370.000 Mitarbeiter sind hierzulande angestellt. Löscher selbst sagte zum Thema Entlassungen in einem Interview in der Mitarbeiterzeitung: "Das war noch nie unser Ansatz und wäre viel zu kurz gedacht."

Die Beobachter von JP Morgan schätzen, dass das Unternehmen versuchen wird, bei Lieferanten weiter zu sparen. Auch könnte sich der Konzern aus wenig zukunftsträchtigen Randbereichen oder aus bestimmten Staaten zurückziehen. "Wir sind in 190 Ländern dieser Welt zu Hause", pflegt Löscher stolz zu sagen. Vielleicht muss er das Bekenntnis demnächst ein wenig anpassen. Einen Rückzug aus Geschäftsfeldern hat ebenso Finanzvorstand Joe Kaeser auf einer Analystenkonferenz angedeutet: Siemens müsse sich um sein Portfolio kümmern, sagte er.

Allerdings ist zugleich klar, dass es ohne Stellenabbau nicht geht. Die Firma streicht ohnehin bereits Jobs in Problemsparten, etwa der Windkraft oder bei Transformatoren. Auch im Medizintechnikbereich fallen Arbeitsplätze weg, als Folge der "Agenda 2013". Bei diesem Programm geht es darum, Prozesse zu beschleunigen, neue Produkte zu entwickeln, stärker in Schwellenländern zu investieren - und 1500 von 51.000 Stellen zu streichen. Löscher nennt jene Agenda immer als Vorbild für das neue konzernweite Programm. Tatsächlich hat die Sparte in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres die höchste Gewinnmarge erwirtschaftet, zwölf Cent bleiben von jedem Euro Umsatz hängen.

Die niedrigste Marge liefert die Infrastruktur-Sparte ab, hier sind es keine sechs Cent. Vor einem Jahr hat Siemens dort seine Produkte für Städte und Versorger gebündelt, um stärker vom Wachstum der Metropolen zu profitieren. Viele Beobachter zweifeln, ob der neue Zuschnitt wirklich Extra-Geschäft zur Folge hat: "Wir sind alles andere als überzeugt, dass die Schaffung des Sektors irgendetwas anderes hervorbringt als höhere Kosten", ätzen die Analysten der Deutschen Bank. Die Margenschwäche des Bereichs wird die Architekten des Sparprogramms sicher zu besonderer Zuwendung motivieren.

Eine zweite Weichenstellung Löschers war, stark auf die Energiewende zu setzen. Siemens, der "grüne Infrastrukturgigant" (Löscher), verabschiedete sich gegen eine hohe Vertragsstrafe aus der Kernenergie, kaufte die Solarfirma Solel und investierte in Technik für Windkraft. Der sonnige Zukauf erwies sich aber als Flop, und die Windbranche steckt wegen gekappter Subventionen in der Krise. Zudem unterschätzte Siemens die Schwierigkeiten beim Anschluss von Windparks auf See - die Verspätungen belasten die Münchner mit einer halben Milliarde Euro.

Löschers Fokus auf Städte und Grünes hat den Konzern also bisher nicht recht vorangebracht. Deswegen wird gespart.

Fallen nun bei Siemens Stellen weg, folgt der Abbau nahezu nahtlos auf den Aufbau. In den vergangenen anderthalb Jahren hat die Firma 23.000 neue Jobs geschaffen. Dass jetzt ein umfassendes Sparprogramm kommt, liegt folglich auch daran, dass der Konzern weiter auf Wachstum setzte, als der Konjunkturabschwung schon in Sicht war. Der Wert neuer Bestellungen sank seit Frühsommer 2011. Das ganze neue Personal und all die schönen Investitionen in Forschung und Entwicklung führten aber nicht dazu, dass Siemens tatsächlich schneller zugelegt hätte als Rivalen wie ABB und General Electric - im Gegenteil zog die Konkurrenz davon. Dabei will Löscher den Umsatz auf 100 Milliarden Euro steigern. Bei der Ankündigung des Sparpakets hatten er und Kaeser denn auch geklagt, dass die Ingenieure in den vergangenen Jahren acht Milliarden Euro ausgegeben hätten, ohne nennenswerten Effekt auf das Umsatzwachstum.

Diese Chance werden die Herren Ingenieure wohl nicht wieder bekommen.

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