Führungskultur:"In Deutschland heißt Führen, hart zu sein"

Der Wirtschaftspsychologe Felix Brodbeck über Führung Made in Germany und die Sehnsucht nach neuen Managern.

Elisabeth Dostert

Deutsche Führungskräfte gelten als aufgabenorientiert und technisch versiert, aber wenig inspirierend. Auch mangelt es ihnen häufig an sozialer Kompetenz. "Doch das ändert sich", meint Professor Felix Brodbeck, der gerade den Ruf auf den Lehrstuhl für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München angenommen hat.

Deutsche Führungskräfte gelten als aufgabenorientiert und technisch versiert, aber wenig inspirierend. Auch mangelt es ihnen häufig an sozialer Kompetenz. "Doch das ändert sich", meint Professor Felix Brodbeck, der gerade den Ruf auf den Lehrstuhl für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München angenommen hat.

"Auch in Deutschland müssen Führungskräfte tolerant, offen, fair und teamfähig sein, sonst bleibt der wirtschaftliche Erfolg irgendwann aus": Felix Brodbeck

(Foto: Foto: Catherina Hess)

SZ: Herr Professor Brodbeck, die deutschen Manager haben in weiten Teilen der Bevölkerung einen schlechten Ruf. Sie gelten als arrogant, macht- und geldgierig, eitel und selbstherrlich. Stimmt das?

Felix Brodbeck: Es stimmt, dass der Ruf von deutschen Managern in weiten Teilen der Bevölkerung schlecht ist.

SZ: Sind sie auch schlecht?

Brodbeck: Das weiß ich nicht. Es ist schwierig herauszufinden, wie Manager wirklich sind. Es ist leichter herauszufinden, wie sich Manager eine gute Führungskraft vorstellen. Das kann aber auch schon sehr tief blicken lassen.

SZ: Wieso ist es so schwierig herauszufinden, was den guten Manager ausmacht?

Brodbeck: Weil uns die Daten für eine eingehende wissenschaftliche Untersuchung fehlen. Die schlummern in den Personalabteilungen der Unternehmen. Aber selbst, wenn ich an diese Daten herankommen und Mittelwerte errechnen könnte, würde diese Norm nur eine Person beschreiben, die es gar nicht gibt. Jeder Manager, der dieses Profil sieht, würde zu Recht behaupten können, so bin ich nicht. Aber aus der inzwischen fast 100-jährigen wissenschaftlichen Führungsforschung lassen sich einige Aussagen über das Verhalten von Führungskräften ableiten.

SZ: Welche?

Brodbeck: Es gibt im Wesentlichen zwei Verhaltenstypen. Erstens, das eher aufgabenorientierte Führungsverhalten. Dabei werden möglichst konkrete Ziele aufgestellt und man sorgt durch entsprechende Kontrolle und Anreize dafür, dass die Ziele erreicht werden.

SZ: Und zweitens?

Brodbeck: Personalorientiertes Führungsverhalten. Dabei kümmert man sich um die Belange der Mitarbeiter, motiviert und unterstützt sie bei der Aufgabenerledigung und ihrer Entwicklung.

SZ: Welcher Typ ist erfolgreicher?

Brodbeck: Das kommt unter anderem auf die Perspektive und den Zeithorizont an. Wenn es in einer Firma nur um kurzfristige Effizienz und Rendite geht, ist die Aufgabenorientierung der schnellere Weg. Wenn ich aber langfristig handle und möchte, dass die Mitarbeiter nicht nur Leistung abdrücken, sondern sich entwickeln können, zufrieden sind, weniger unter Stress leiden oder sich ausgebrannt fühlen, dann ist die Personalorientierung die bessere Wahl.

SZ: Welcher Typ ist weiter verbreitet?

Brodbeck: In Deutschland ist man der Aufgabenorientierung gegenüber aufgeschlossener. Das bestätigt auch die Studie GLOBE (Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness; Anm. d. Red.), für die wir 17.000 Manager der mittleren Führungsebene in 62 Ländern nach den Merkmalen einer guten Führungskraft befragt haben. Die Befragten sollten sich dazu eine konkrete Person aus ihrem Umfeld vorstellen, sozusagen den Besten, den sie kennen.

SZ: Was ergab Ihre Umfrage?

Brodbeck: Im internationalen Vergleich besticht die deutsche Führungskultur durch eine hohe Leistungs- und Zukunftsorientierung, aber auch ein hohes Maß an Unsicherheitsvermeidung zu Lasten von Innovation und Experimentierfreudigkeit. Bei der Humanorientierung landet Deutschland auf einem der letzten Plätze.

SZ: Kommt daher der schlechte Ruf der deutschen Manager?

Brodbeck: Das kann gut sein. Die besondere Nachricht aus GLOBE ist, dass deutsche Manager Humanorientierung noch nicht einmal bei einer hervorragenden Führungskraft erwarten. Das kann bedeuten, dass ein Mangel an sozialer Kompetenz bei Managern in Deutschland weithin akzeptiert oder zumindest toleriert wird. In Deutschland heißt Führen immer noch, hart zu sein in der Sache und hart zu den Beschäftigten. Wir sind direkt, kritisieren schnell und sagen, was wir denken.

"In Deutschland heißt Führen, hart zu sein"

SZ: Wieso sind wir so?

Brodbeck: Das ist schwer zu beantworten. Mein Koautor Michael Frese und ich haben dieser Frage im gerade erschienenen GLOBE-Buch ein ganzes Kapital gewidmet. Nehmem Sie beispielsweise den deutschen Begriff vom Individuum, das führt. Dieser ist zwar weltbekannt, jedoch historisch bedingt verpönt. Im englischen Kulturraum wird der "Leader" hingegen sehr positiv gesehen.

SZ: Und warum haben die Deutschen solche Schwierigkeiten mit dem Begriff?

Brodbeck. Nicht nur begrifflich betrachtet wirkt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs "Führung Made in Germany" entpersönlicht und entfremdet. Sowohl hiesige als auch internationale Managementforscher beschreiben deutsche Führungskräfte im internationalen Vergleich als aufgabenorientiert und technisch versiert, jedoch auch als wenig inspirierend und mangelhaft in ihrer sozialen Kompetenz.

SZ: Gibt es Aussicht auf Besserung?

Brodbeck: In Deutschland wächst die Sehnsucht nach neuen Führungskräften. Wir haben im Rahmen der GLOBE-Studie auch gesellschaftskulturelle Wertetrends untersucht und kamen zu dem Ergebnis, dass Führungspersönlichkeiten mit hoher sozialer Kompetenz gefragt sind, diese sollen motivieren, teamfähig, einfühlsam, tolerant, offen und fair sein.

SZ: Warum der Sinneswandel?

Brodbeck: Viele Institutionen sozialer Sicherung erodieren seit einiger Zeit. Was zunehmend zählt ist die Eigenverantwortung. Auch haben Korruption und grenzwertige Moralvorstellungen das Vertrauen sowohl in die Manager als auch in die sie kontrollierenden Institutionen erschüttert.

SZ: Und die Folge?

Brodbeck: Persönliches Vertrauen ist wieder gefragt. Im internationalen Vergleich schnitt Deutschland auch wegen der überbordenden Bürokratie stets schlecht ab. Die Allmacht von Bürokratie und staatlichen Institutionen in Deutschland geht aus einem historisch sehr weit zurückreichenden Streben nach Unsicherheitsvermeidung und Sicherheit hervor. Die Bürger wünschen sich nun mehr Pragmatismus und Menschlichkeit und sie sind bereit dafür auf institutionalisierte Sicherheitsmechanismen zu verzichten. Das bringt allerdings auch neue Ängste mit sich.

SZ: Welche?

Brodbeck: Wenn beispielsweise der Arbeitnehmerschutz zurückgedrängt wird, woher sollen Arbeitnehmer nun die Sicherheit nehmen, ihrem Chef in der Sache zu widersprechen, ohne den Rauswurf oder zumindest die Karriere zu riskieren?

SZ: Das muss den Chef nicht scheren?

Brodbeck: Muss es doch. Er braucht das Vertrauen der Mitarbeiter, um die Firma voranzubringen. Wenn die Mitarbeiter nicht mehr ihr Bestes geben - und dazu gehören auch heftige Kontroversen - sondern dem Chef nur nach dem Maul reden, um den Job nicht zu verlieren, hat die Firma auch bald ein Problem. Wenn das Vertrauen nicht mehr institutionell abgesichert ist, müssen moderne Führungskräfte es mit anderen Mitteln herstellen.

SZ: Wie soll das gehen?

Brodbeck: Sie müssen stärker als noch vor zehn Jahren auf die Mitarbeiter eingehen und soziale Kompetenz zeigen. Die Einsicht, dass die Mitarbeiter das wichtigste Kapital sind, beginnt sich derzeit ja durchzusetzen.

SZ: Aber meist doch nur schönes Gerede. Glauben Sie wirklich, dass die Mehrzahl der Manager den Zusammenhang zwischen Vertrauen und Leistung schon realisiert hat?

Brodbeck: Nein. Der Wandel braucht Zeit. Aber im mittleren Management tut sich schon eine ganze Menge. Der humanere Führungsstil wird sich durchsetzen. International tut er das bereits. Auch für das Top Management gibt es ermutigende Befunde. Studien in den USA belegen, dass zum Beispiel Vorstandsgremien, in denen die Macht verteilt ist und die als Team agieren, sich besser schlagen als andere und sich die Firma schneller auf neue Rahmenbedingungen einstellt.

"In Deutschland heißt Führen, hart zu sein"

SZ: Der Wandel erfolgt also aus purem wirtschaftlichem Erfolgsdruck?

Brodbeck: Ja. Aber nicht nur dies. Sondern auch die Werte und Normen einer Gesellschaft spielen eine maßgebliche Rolle. Sie unterliegen einem gewissen Wandel, auch wenn dieser nur sehr langsam abläuft. Durch GLOBE war feststellbar, dass die gesellschaftskulturellen Soll-Werte in sehr hohem Maße mit den Erwartungen an Führungskräfte in Zusammenhang stehen. Gesellschaftliche Trends definieren demnach was von modernen Führungskräften erwartet wird.

SZ: Ein Beispiel, bitte?

Brodbeck: Aus empirischen Studien in den USA ist bekannt, dass sowohl weibliche als auch männliche Führungskäfte, die sich in der Familie oder in der Gesellschaft engagieren, von ihren Mitarbeitern als die besseren Führungskräfte wahrgenommen werden. Offenbar geben sie ihre soziale Kompetenz, die sie bei verschiedenen Führungsrollen im Privatleben einsetzen, nicht am Werkstor ab. Der Wandel braucht Zeit, aber der Anfang ist gemacht.

SZ: Wie äußert sich der Wandel denn?

Brodbeck: Etwa in der Zeitung. Wir haben Stellenanzeigen Anfang der achtziger und Mitte der neunziger Jahre analysiert und miteinander verglichen. Kooperations- und Teamfähigkeit stehen heute in jeder Anzeige an vorderster Stelle, das war früher nicht so. Auch die sozialen Werte, die auf Gleichberechtigung von Mann und Frau abzielen, gewinnen an Bedeutung. Wir haben schon Mitte der neunziger Jahre prognostiziert, dass wir mehr Frauen in Spitzenpositionen haben werden, zum Beispiel als Bundeskanzlerin.

SZ: Angela Merkel ist ein Ausreißer, wie er bestenfalls in der Politik vorkommen kann. In den Vorstandsetagen der hundert größten börsennotierten Unternehmen dominieren Männer.

Brodbeck: Ja. Was denken Sie, wenn man die heutige Situation linear extrapoliert, wie lange es dauert, bis das Verhältnis ausgewogen ist?

SZ: 200 Jahre?

Brodbeck: Gar nicht so schlecht. Für England wurden ca. 250 bis 300 Jahre berechnet. Das ist kein Witz.

SZ: Eine ermutigendere Botschaft für Frauen haben Sie nicht?

Brodbeck: Nun, diese Berechnungen beruhen auf linearen Modellen. Das heißt, es wird nicht berücksichtigt, dass gesellschaftliche Trends zu Beginn eher langsam verlaufen bevor sie an Momentum gewinnen, weil die Bedingungen günstig sind. Denken Sie an den Prozentanteil weiblicher Studierender Anfang des letzten Jahrhunderts. Das sah sehr ähnlich aus. Heute sind es 50 Prozent oder mehr, je nach Studienrichtung. In der Diskrepanz zwischen wahrgenommener und gewünschter Gleichberechtigung steckt eine Menge Veränderungspotential.

SZ: Wie äußert sich das konkret?

Brodbeck: Kann der Bürger beispielsweise erkennen, dass sich in seinem Umfeld etwas in die gewünschte Richtung bewegt, dann ändert er auch sein Verhalten. Deshalb ist es so wichtig, dass konkrete Signale, etwa von der Politik, ausgesendet werden, zum Beispiel dass Frauen Karriere machen dürfen, können und sollen, auch und gerade dann, wenn sie Kinder haben wollen. Das wird eine Menge bewirken, unter anderem auch, dass mehr weibliche Führungskräfte in Spitzenpositionen zu finden sind. Das dürften dann eher unsere Töchter sein, als unsere Ururenkelinnen.

SZ: Wir korrelieren Führungsstil und wirtschaftlicher Erfolg?

Brodbeck. Es kommt auf die Situation an, was wirkt. In vielen Situationen ist die Aufgabenorientierung sehr effektiv. Das Führungsverhalten muss der Lage entsprechen.

SZ: Bitte ein konkretes Beispiel?

Brodbeck: Einen sehr jungen Mitarbeiter sollte ich eher unterstützen und nach seinem Urteil fragen, ihm aber nicht die große Entscheidungsgewalt überlassen, weil ihm dafür Kompetenz und Erfahrung fehlt. In diesem Fall führt also eine Kombination von Aufgaben- und Personalorientierung zum Erfolg. Oder, ein anderes Beispiel: Wenn ich keine formale Macht habe, was in den heutigen eher vernetzt denn hierarchisch organisierten Unternehmen häufig vorkommt, muss ich stärker überzeugen können und komme mit sozialen Tugenden weiter. Eine gute Führungskraft sollte aber auch flexibel sein, also direktiv oder partizipativ vorgehen können, je nachdem, was die Situation erfordert.

SZ: Nennen Sie mir doch bitte ein fleischgewordenes Ideal?

Brodbeck: Da fällt mir in Deutschland so schnell niemand ein. Wir haben mitte der neunziger Jahre Leute auf der Straße gefragt, wen sie für herausragende Führungskräfte in Politik und Wirtschaft halten.

"In Deutschland heißt Führen, hart zu sein"

SZ: Und?

Brodbeck: Wir haben drei Zeiträume unterschieden: Im Zeitraum 1945 bis 1960 fiel Ludwig Erhard als charismatischer Führer auf. In den siebziger Jahren war es Willy Brandt, in den achtziger und neunziger Jahren imponierte Helmut Kohl. Unter den Wirtschaftsbossen hat Leo Kirch in den neunziger Jahren am stärksten die Menschen beeindruckt.

SZ: Der Mann musste für seine Firma Insolvenz anmelden!

Brodbeck: Aber in den Neunzigern galt er als Visionär, der eine Menge bewegt hat. Das blieb den Leuten offenbar im Gedächtnis als herausragende Führung. Er war aber auch bekannt als Patriarch, der persönliche Beziehungen instrumentalisierte und stark an persönlicher Macht interessiert war. Das geht häufig Hand in Hand.

SZ: Aber wer verkörpert heute am besten die Verbindung aus direktivem und partizipativem Führungsstil?

Brodbeck: Sind Sie mir böse, wenn ich ihnen Angela Merkel nenne, also wieder ein Beispiel aus der Politik und nicht aus der Wirtschaft? Aufgrund ihrer Popularität haben sich viele Menschen ein Bild von ihr gemacht.

SZ: Sie sind frei in Ihren Äußerungen, aber eine Begründung hätte ich gerne.

Brodbeck: Ich kenne die Kanzlerin nicht persönlich. Aber so wie sie in den Medien dargestellt wird, scheint sie durch gutes Zuhören und ausdauernde Kommunikation einiges zu bewegen.

"In Deutschland heißt Führen, hart zu sein"

SZ: Es gab Zeiten, da wurden solche Fähigkeiten Angela Merkel als Führungsschwäche ausgelegt?

Brodbeck: Aber je nach Lage kann sie umschalten. Sie kann auch sehr hart wirken, wie beispielsweise jetzt in der Debatte um eine europäische Verfassung, in der sie Polen doch deutlich signalisiert hat, wenn die nicht mitmachen, dann geht es auch ohne Polen weiter. Im Ausland kommt sie gut an. In Großbritannien, wo ich seit vielen Jahren lehre, gilt sie als eine nettere Version von Margaret Thatcher, der Eisernen Lady, der sehr stark männliche Attribute wie Macht, Leistungsstärke und Durchsetzungskraft angeheftet wurden. Angela Merkel passt besser in ein weibliches Schema, das durch Attribute wie Nachhaltigkeit und Fürsorge gekennzeichnet ist. Deshalb wirkt sie auf viele auch weniger bedrohlich als Frau Thatcher.

SZ: Wann zeigt sich, ob jemand zur Führungskraft taugt oder nicht?

Brodbeck: Ob jemand sich zur Führungskraft entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab. Das ist eine Mischung aus genetischer Disposition, darunter fällt sicher der Wille zu Macht, individueller Entwicklungsgeschichte und kulturellem Umfeld. Ähnlich wie Intelligenz oder Sprachvermögen wird die Führungsstärke stark durch die Umwelt geformt.

SZ: Ein Beispiel, bitte?

Brodbeck: Der Wille zur Macht, das Machtmotiv, kann genetisch vorhanden sein. Aber das heißt nicht, dass man per se als Erwachsener dieses Machtstreben auch gut einsetzen kann. Das hängt von den sozial-interaktiven Situationen ab, die man durchlebt. Der amerikanische Psychologe David McClelland fand heraus, dass sich ein Mensch mit einer höheren Machtdisposition eher Situationen aussucht, in denen er sein Machtbedürfnis befriedigen kann. Wenn die Person dann einigermaßen lernfähig ist, lernt sie, immer besser mit der Macht umzugehen.

SZ: Welchen Einfluss üben die Eltern aus?

Brodbeck: Die prägen durch ihre Präferenzen und ihren Verhaltensstil die Führungsstärke der Sprösslinge. Sobald ein Kind sozial interagiert, ist das Thema Führung und geführt werden da. Auch Erziehung hat viel mit Führung zu tun. Wenn in der Famile Elternteile ihr eigenes Machtstreben in besonderem Maße ausleben, kann das Thema Macht und Unterwerfung für die Kinder einen hohen Stellenwert bekommen. Das heißt aber nicht notwendigerweise, dass dominante Kinder dominante Eltern haben. Im Gegenteil: Wenn man einen dominanten Vater hat, kann es sein, dass man sich eher unterwürfig verhält, weil das die richtige Strategie sein kann, um überhaupt zurechtzukommen.

SZ: Für immer und ewig?

Brodbeck: Die Tendenz ist schon groß, dass man sich später auch eher dominanten Persönlichkeiten anschließt und freiwillig unterordnet. Analog werden Menschen mit einem ausgeprägten Machtmotiv mit höherer Wahrscheinlichkeit später Führungspositionen einnehmen. Ob ihre Macht der Gesellschaft dient oder nicht, so sagt McClelland, hängt von der Art des Machtmotivs ab.

SZ: Die da wären?

Brodbeck: Es gibt ein sozialisiertes und ein egozentrisches Machtmotiv. Die einen setzen ihre Macht im sozialen Gefüge ein, um Gutes zu tun, die gehen nicht über Leichen. Die Egozentriker sehen nur sich, ob die Gesellschaft profitiert oder nicht, ist ihnen gleichgültig. Allerdings können auch die lernen, sich sozial zu verhalten. Das hängt allerdings davon ab, ob ethisches Verhalten, soziale Kompetenz und Integrität in der Gesellschaft, in den Organisationen und in den Bildungseinrichtungen vorgelebt, vermittelt und auch eingefordert werden.

SZ: Wie sieht es in Deutschland aus? Werden diese Werte vorgelebt?

Brodbeck: Viele gesellschaftliche Gruppen sind sehr bemüht, diese Werte vorzuleben und in die öffentliche Diskussion zu bringen. Denken Sie an die Debatte über Private Equity und Hedge Fonds als Heuschreckenplage, wo durch clevere Finanzierungsmodelle kurzfristig hohe Gewinne aus Firmen gezogen werden, und die soziale Verantwortung sowie eine nachhaltige Unternehmensentwicklung stehen in Gefahr auf der Strecke zu bleiben.

Im internationalen Kontext laufen ähnliche Diskussionen unter dem Stichwort "Business Ethics". Aus meiner Business School Erfahrung in England kann ich sagen, dass soziale Kompetenz und gesellschaftliche Verantwortung heute einen wesentlich höheren Stellenwert im Management Curriculum einnehmen, als noch vor zehn Jahren. Und auch viele namhafte Wirtschaftsführer beschäftigen sich zunehmend damit, wie man gesellschaftliche Verantwortung konkret einlösen kann, nicht zuletzt auch in Deutschland.

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