Führungskrise bei Siemens:Aufsichtsratschef auf Abruf

Gerhard Cromme

Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme: Wegen der Führungskrise um Löscher in der Kritik. 

(Foto: dpa)

Nur noch eine Sache des Wann und Wie: Bei Siemens soll nach einer Übergangszeit auch Ober-Kontrolleur Gerhard Cromme ausgewechselt werden. Das liegt nicht nur am verpatzten Wechsel von Löscher zu Kaeser an der Konzernspitze, der zur Schlacht auf offener Bühne geriet.

Von Karl-Heinz Büschemann und Klaus Ott

Dieser Mittwoch wird für alle Beteiligten schwer. Der Aufsichtsrat von Siemens tagt und Chefkontrolleur Gerhard Cromme muss den Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher mit lobenden Worten verabschieden. Nachdem er, Cromme, soeben erst Löschers Ablösung vehement betrieben und durchgesetzt hat. Der scheidende Konzernchef wird Worte des Dankes für seine Zeit bei Siemens sagen, obwohl er sich genauso vehement gegen seinen Rausschmiss gewehrt hat. Dann wird Cromme den Eindruck erwecken, der Führungswechsel, der den Konzern seit fast einer Woche durchschüttelt, sei erledigt. Wenn sich der Aufsichtsratschef da mal nicht täuscht.

Wahrscheinlich geht es bei Siemens schon bald auch um Crommes Zukunft - obwohl er selbst sich für unersetzlich hält. Zumindest noch für die nächsten fünf Jahre, bis seine reguläre Amtszeit an der Spitze des Kontrollorgans endet, so heißt es in seinem Umfeld. Dann stünde der frühere Stahlmanager kurz vor seinen 75. Geburtstag am 25. Februar 2018.

Cromme glaubt sehr entschieden und gegen allen Anschein, er habe den Führungswechsel von Löscher zum neuen Vorstandschef Joe Kaeser im genau richtigen Augenblick vollzogen. Dafür werde man ihn auf der nächsten Hauptversammlung im Januar 2014 loben, hofft er tatsächlich.

Seine Aufgabe wäre reibungsloser Austausch des Vorstands gewesen

Im Aufsichtsrat sieht man das anders. Der Ober-Kontrolleur habe kaum Chancen, die volle Amtsperiode zu bleiben. Nicht nur, weil er erst im März den Aufsichtsratsvorsitz beim Stahlkonzern Thyssen-Krupp in Essen wegen schwerer Versäumnisse niederlegen musste. Cromme fehlt inzwischen auch die breite Unterstützung bei Siemens in München. Nicht einmal die zehn Vertreter der Kapitalseite im Aufsichtsrat stehen noch komplett hinter ihm. Und in der von IG Metall-Chef Berthold Huber angeführten Arbeitnehmerbank gibt es Bestrebungen, den Chefkontrolleur auszuwechseln, sobald ein passender Nachfolger gefunden ist.

Cromme kann nicht mehr uneingeschränkt auf seine Kollegen Kontrolleure bauen, nachdem er den Wechsel von Löscher zu Kaeser verpatzt hat. Seine Aufgabe wäre es gewesen, für einen möglichst reibungslosen Austausch des Vorstandschefs zu sorgen. Er hätte dem glücklosen Löscher klarmachen müssen, dass der das Vertrauen fast aller Kontrolleure verloren hat. Nach Angaben aus Konzernkreisen musste sogar Gewerkschaftschef Huber auf Löscher einreden, um ihn zum unvermeidlichen Rücktritt zu bewegen.

Nur noch eine Frage des Wann und Wie

Der einstige Stahl-Manager hatte sich vorgenommen, sich nach seinem Abschied bei Thyssen-Krupp ganz auf die angesehene Aufgabe des Siemens-Aufsichtsratschefs zu konzentrieren. Der schlaue Taktierer hatte vieles getan, um im Kontrollgremium in München möglichst viele Vertraute um sich zu scharen. Dazu gehört Allianz-Vorstandschef Michael Diekmann. Auch der langjährige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zählte bisher zu diesem Kreis. Ackermann ist einer der beiden stellvertretenden Vorsitzenden im Aufsichtsrat von Siemens, der andere ist Gewerkschaftschef Huber.

Die von Cromme betriebene beziehungsweise gutgeheißene Personalpolitik im Kontrollgremium führte dazu, dass dort außer dem früheren Bayer-Chef Werner Wenning niemand sitzt, der Erfahrung mit der Führung eines Industriekonzerns hat. Ein großes Manko. Auf der Arbeitnehmerseite konnte sich Cromme bislang auf die Unterstützung von IG Metall-Chef Huber verlassen. So ähnlich hat er es auch bei Thyssen-Krupp gehalten. Vertraute sollten ihm die Freiheit geben, unangefochten zu schalten und zu walten.

Doch am vergangenen Wochenende, als es um die Ablösung von Peter Löscher ging, haben ihm gleich drei Aufsichtsräte die Gefolgschaft aufgekündigt: Ex- Banker Ackermann, der Allianzer Diekmann und die Familienunternehmerin Nicola Leibinger-Kammüller. Die drei sollen Crommes Vorgehen gegen Löscher als "stillos" bezeichnet haben. "Das schadet dem Unternehmen", heißt es aus dem Umfeld der Kritiker. In der Siemens-Zentrale, im Arbeitnehmerlager des Aufsichtsrats und in Crommes Umfeld wird das genau andersherum gesehen.

Notfalls muss der Nachfolger von außen kommen

Ackermann habe mit seinem Zaudern klare und schnelle Entscheidungen verhindern; er habe Löscher falsche Hoffnungen gemacht, dass der Konzernchef bleiben könne. Das habe zum Debakel beigetragen. Im Übrigen habe Ackermann nur eine Agenda: Ackermann. Er wolle Cromme ablösen - was Ackermann selbst dementiert. Für die Arbeitnehmer wäre Ackermann als Kontrollchef untragbar.

Für sie ist es aber offenbar auch keine Frage mehr, ob Cromme als Aufsichtsratschef gehen soll. Sondern nur nach eine Sache des Wann und Wie. Und Wer. "Man braucht die richtigen Leute, um so ein Projekt durchzuziehen", heißt es aus dem Lager der Betriebsräte und Gewerkschafter. Sprich, den richtigen Nachfolger. Der müsste aus Sicht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat notfalls von außen kommen.

Cromme setzt nun alle Hoffnung auf Kaeser. Mache der neue Vorstandschef seine Sache gut, dann werde der Ärger bei Siemens bis zum Aktionärstreffen im Januar vergessen sein, heißt es aus Crommes Umfeld. So ähnlich hatte der Ex-Stahlmanager schon einmal kalkuliert, bei Thyssen-Krupp. Am Ende war Cromme weg.

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