Führungskräfte:Bedürfnisse erspüren

Für eine bunte Unternehmenskultur braucht es auch ein neues Führungsverständnis. Wenn Firmenchefs den Nährboden schaffen, sodass sich Mitarbeiter entwickeln können, profitieren auch die Betriebe.

Von Katharina Wetzel

In einer globalisierten Wirtschaftswelt sind Unternehmen im Vorteil, die Mitarbeiter unterschiedlicher Kulturen, Regionen und Religionen vereinen. Denn Menschen mit unterschiedlichen Blickwinkeln erkennen leichter neue Risiken und entwickeln eher ungewöhnliche Konzepte. Auch Studien weisen immer wieder auf die Vorteile von heterogenen Teams hin. So erzielen bunt gemischte Teams die besseren Ergebnisse als homogene. Sie steigern die Innovationsfähigkeit von Unternehmen und erhöhen die Mitarbeiterzufriedenheit. Doch wenn es etwa darum geht, mehr weibliche Fachkräfte in den sogenannten Mint-Berufen (Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaft und Technik) unterzubringen oder mehr Migranten in den Arbeitsalltag zu integrieren, sehen viele Unternehmen noch eine Mammutaufgabe vor sich. Für eine bunte Unternehmenskultur braucht es auch eine neue Führungskultur. Doch wie könnte diese aussehen?

"Wenn es dem Chef gut geht, dann geht es auch den Mitarbeitern gut." Laut Patrick Maier ist diese Ansicht gerade im Mittelstand noch weitverbreitet. Der Münchner Unternehmensberater wird meist gerufen, wenn Unternehmen in Schwierigkeiten geraten sind oder bereits Insolvenz anmelden mussten und nun einen Weg aus der Krise suchen. Er trifft dann meist auf Führungskräfte, die es gewohnt waren, ihr Unternehmen zu "managen". Als viele Arbeitsprozesse noch simpel waren, konnten diese noch einfach geregelt und gesteuert werden, meint Maier. Sobald aber innovative Lösungsansätze gefragt seien oder besondere Ideen und Serviceleistungen, brauche es ein anderes Führungsverständnis. Eine E-Mail "bitte machen" sei der falsche Weg.

Eine gute Unternehmensführung - für den Unternehmensberater heißt das in erster Linie, die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erspüren. Firmenchefs müssten den Nährboden schaffen, dass sich die Mitarbeiter entwickeln könnten. Zwei Grundannahmen seien dabei wichtig. Zum einen: Menschen seien nicht zu dumm oder zu schlecht für ihre Tätigkeit. Vielmehr sei es die Aufgabe der Führungskraft, Chancen zu geben, sich fachlich weiterzuentwickeln. Zum anderen: Menschen streben generell danach, besser zu werden und sich weiterzuentwickeln. Wie immer ist jedoch die Umsetzung schwieriger als die Theorie.

Wie schaffe ich es als Unternehmen anderen einen Sinn zu geben?

Oft scheitere es schon an Grundlegendem, meint der Unternehmensexperte. "Was ist unser Ziel, unsere Vision? Mit welchen Werten arbeiten wir zusammen? In den meisten Unternehmen ist das nicht klar", stellt Maier fest. Doch wie soll eine Führungskraft einem Mitarbeiter seine Chancen aufzeigen, wenn er nicht einmal eine Vorstellung für das eigene Unternehmen besitzt? Viele Mittelständler machten intuitiv vieles richtig, meint Maier. Ab einer gewissen Größe sei es aber ratsam, seine Unternehmensvision, Werte und Grundsätze aufzuschreiben.

"Flüchtlinge haben wahrscheinlich keinen Marco-Polo-Reiseführer für Deutschland dabei", sagt Maier. Viele haben einen ganz anderen Wertehintergrund. "Wir sollten jedem die Chance geben, sich mit unserem Grundgesetz, unseren Werten, auseinanderzusetzen", meint Maier. Ein Plakat mit dem Aufdruck 'Wir gehen offen miteinander um' an die Wand zu hängen, sei nicht die Lösung. "Gemeinsame Werte müssen gelebt werden - von oben nach unten." In der Chefetage ist dieses Denken schon angekommen: "Gute Unternehmensführung heißt für mich, eine Organisation mit Klarheit und Verlässlichkeit zu führen, das Gute und die Guten zu beschützen und zu stärken, Graubereiche schnell und konsequent anzugehen und selber unter allen Umständen mit gutem Beispiel voranzugehen", sagte der frühere Allianz-Chef, Michael Diekmann, vor wenigen Tagen, als er den Preis der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz) für gute Unternehmensführung verliehen bekam. Eine gute Unternehmensführung verändert sich auch mit der Kultur der Gesellschaft. Einerseits hat sich die Wirtschaft durch neue Technologien ein Stück weit entmenschlicht. Die moderne Arbeitswelt ist geprägt von einem Anstieg psychischer Erkrankungen. Andererseits ist der jungen Generation der Sinn im Leben oft wichtiger als ein gefülltes Bankkonto. Die Frage, so Berater Maier, müsse daher lauten: Wie schaffe ich es als Unternehmen, meinen Mitarbeitern einen Sinn zu geben?

Gemeinsame Werte, ein Verständnis füreinander und ein menschlicher Umgang können helfen. "Würden Sie Ihrem Kind eine E-Mail schreiben, wenn es einen Fehler gemacht hat?", fragt Maier und meint: "Es ist wichtig zu verstehen, dass man den Mitarbeitern, die man führen darf, mit Demut begegnen muss." Normalerweise wird so ein Verständnis vonseiten der Mitarbeiter erwartet. Maier empfiehlt Firmenchefs, die eigenen Bedürfnisse auch mal zurückzustellen für den Erfolg des Teams und der Zufriedenheit der Mitarbeiter. "Wenn der Mitarbeiter merkt, der Chef kämpft für mich, dann haben Sie die loyalsten Mitarbeiter."

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