Die ersten vier Jahre als Anwalt behielt Merz noch das Mandat als Abgeordneter, dann sagte er Adieu. Man könnte sagen: Merz bremste sanft ab, bevor er endgültig ausstieg. Und er hatte das Glück, unbeschadeter rauszukommen als die meisten seiner Mitstreiter, die in der Ära Merkel die Segel strichen. Obwohl Merz der einzige ist, dem Merkel tatsächlich ein Amt entriss, den Fraktionsvorsitz im Bundestag, wirkt er glücklicher, zufriedener als viele Weggefährten. In den berühmt-berüchtigten Anden-Pakt der Kochs und Wulffs trat Merz erst 2005 ein, also in dem Jahr, in dem er seinen Abschied nahm und Merkel Kanzlerin wurde. Als die Truppe vor wenigen Wochen gemeinsam Warschau besuchte, spürte Merz dankbar, wie heil er das neue Leben im Kontrast zu anderen erreicht hat.
Dabei hat sich eines auch nach elf Jahren nicht geändert: Es dauert gerade mal eine Minute, dann ist Merz bei der Politik. Argumentiert, erzählt, gestikuliert und redet so geschliffen wie eh und je. Leidet mit der CDU, analysiert Europa. Und hält vieles, was die Kanzlerin gemacht hat, für einen Fehler. Nur: Nach dem Ausstieg schwor er sich, keine Interviews und keine Talkshows mehr zu machen, nicht zu innenpolitischen Themen. Und nicht zu Merkel.
Dieses Gelübde will er auch an diesem Morgen nicht brechen. Obwohl klar wird, dass er an vielem, was die CDU heute macht, zweifelt; und obwohl klar ist, dass er mitbekam, wie die CSU, wie sehr vor allem Edmund Stoiber Ende 2015 und Anfang 2016 übers Land reiste, um Merkel zu stoppen. Merz freilich steckte da längst in seinem neuen Leben; er war schon bald ins internationale Board der amerikanischen Kanzlei gewechselt, war viel gereist - und griff zu, als man ihm im Frühjahr 2016 antrug, Aufsichtsratschef der deutschen Tochter von Blackrock zu werden.
Eine Heuschrecke? Merz lächelt und wirft die Arme in die Höhe. Nein, das sei Blackrock nun wirklich nicht. Keine Heuschrecke und auch nicht die größte Bank der Erde, was ihr manche salopp nachsagen würden. "Blackrock verleiht kein Geld, und Blackrock besitzt kein einziges Unternehmen komplett." Die Firma agiere vielmehr wie ein großer Treuhänder. Deshalb sei auch das Bild vom "Großaktionär" schief. Blackrock verwalte kein eigenes Geld, sondern das seiner Kunden.
Einfluss freilich hat Blackrock schon; selbstverständlich sei ein Unternehmen wie das seine mit den Dax-Konzernen im Gespräch und könne auch auf Aktionärsversammlungen Wirkung entfalten. Konkreter will Merz nicht werden, aber er lächelt beinahe genüsslich an dieser Stelle. Die Macht hinter der öffentlichen Zurückhaltung - die gefällt ihm natürlich.
Offiziell ist er Aufsichtsratschef, also der oberste Kontrolleur der Geschäftsführung. Dabei aber will er es nicht belassen, irgendwie klingt ihm das nach zu wenig. In Amerika, betont Merz, spreche man von einem active chairman, einem "aktiven Vorsitzenden". Entsprechend sei seine Rolle eine ganz andere. Eine Größere, heißt das.
Kehrt so einer noch mal zurück? Noch mal Politik? Berlin? Könnte das Motivation sein, sich noch einmal zu engagieren? Merz schüttelt den Kopf. Wohl kaum - und erst recht nicht, solange Merkel da ist.
Zu schlecht war jenes Erlebnis, das ihn im Jahr 2004 von ihr entfernt hat und noch heute ärgert. Im Frühjahr des Jahres hatte sie den Chef des Internationalen Währungsfonds, Horst Köhler, in einer Nachtsitzung der CDU-Spitze zum Bundespräsidentenkandidaten ausgerufen - und dabei die eigene Truppe aus Sicht von Merz offen belogen. Auf die Frage, ob es nicht falsch sei, den Deutschen Köhler aus einem so prominenten Amt wie dem des IWF-Chefs herauszuholen, habe sie geantwortet, Köhler werde ohnehin keine Chance auf eine Verlängerung haben. Wenige Tage später erzählte Köhler der gleichen CDU-Führung, er sei gerade mittendrin gewesen in den Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung - für Merz das glatte Gegenteil dessen, was er von Merkel gehört hatte. "In dem Moment war klar, dass ich das alles nicht mehr mitmachen würde."