Klimaschutz:Siemens-Chef Kaeser bekommt Post von Fridays-for-Future

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Siemens Kraftwerkssparte baut immernoch Braunkohlekraftwerke wie diese in Jänschwalde, Brandenburg. (Foto: dpa)
  • Die Kritik wendet sich gegen eine Beteiligung von Siemens an einem indischen Kohle-Bergbau-Projekt.
  • Der Konzern Adani will in Australien rund 60 Millionen Tonnen fördern und in Indischen Kraftwerken verbrennen.
  • So würden 80 Millionen Tonnen CO₂ jährlich freigesetzt

Von Jan Bielicki, München

Siemens-Chef Joe Kaeser erhält in diesen Tagen etliche E-Mails von jungen Menschen. "Guten Tag Herr Kaeser", beginnen die Schreiben, doch dann wird es weniger freundlich: "Ich bin erschüttert", heißt es in dem Text, den die Klima-Bewegung Fridays for Future formuliert hat - und zwar erschüttert darüber, dass Kaeser in Australien "ein rückwärtsgewandtes Vorhaben und die Zerstörung unseres Planeten und unserer Zukunft" unterstütze. Darum hat Fridays for Future seine Anhänger aufgerufen, an diesem Freitag vor Siemens-Standorte in ganz Deutschland zu ziehen.

Der Protest richtet sich gegen ein höchst umstrittenes Projekt tief im Outback Australiens. Im Bundesstaat Queensland will der indische Konzern Adani von 2021 an riesige Kohlevorkommen abbauen. In der von der nationalliberalen Bundesregierung in Canberra bereits genehmigten Carmichael-Mine will Adani jährlich bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle aus dem staubigen Boden des abgelegenen Galilee-Beckens baggern, das Bergwerk wäre damit eine der größten Kohle-Abbaustätten der Welt. Die dort geförderte Kohle würde, in Indiens Kraftwerken verbrannt, im Jahr fast 80 Millionen Tonnen des Klimagases Kohlendioxid in die Atmosphäre freisetzen. Das entspricht etwa einem Zehntel des CO₂-Gesamtjahresausstoßes Deutschlands.

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Siemens ist an dem gigantischen Bergwerks-Projekt eher am Rande beteiligt: Der deutsche Weltkonzern ergatterte den Auftrag, die Signaltechnik für die Eisenbahn zu bauen, deren Waggons die schwarze Last an die 200 Kilometer entfernte Küste transportieren sollen. Dort, am Rande des Meeresschutzgebiets um das durch erhöhte Wassertemperaturen ohnehin schwer geschädigte Große Barriereriff, wird der Hafen von Abbot Point für Schiffsriesen ausgebaggert, die diese Kohle nach Indien transportieren sollen. Es wäre der größte Exporthafen für Kohle weltweit.

Die Carmichael-Mine steht für die wachsende Kluft zwischen den in Paris vereinbarten Zielen zum Schutz des Weltklimas und der tatsächlichen Politik besonders in den Hauptförderländern fossiler Brennstoffe. Um zu verhindern, dass die Welttemperatur um mehr als zwei Grad ansteigt, müsste die Förderung von Kohle, Gas und Kohle in den nächsten Jahren eigentlich drastisch sinken. Die Pläne der meisten Förderländer sehen laut einer Analyse des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) aber vor, mehr fossile Brennstoffe aus dem Boden zu holen.

Australien, schon heute größter Exporteur und nach China zweitgrößter Förderer, plant demnach, 2030 etwa 750 Millionen Tonnen des schwarzen Stoffs zu fördern - ein gutes Drittel mehr also als im Jahr 2018. Die Regierung unterstützt die Branche dabei mit viel Steuergeld. Pro Jahr fließen laut UNEP umgerechnet mehr als 7,5 Milliarden Euro Subventionen in die Förderung fossiler Brennstoffe, und da sind die dem Minenbetreiber Adani gewährten Rabatte auf die Schürflizenzgebühren nicht dabei. An dieser bergbaufreundlichen Politik will Premierminister Scott Morrison auch angesichts der verheerenden Buschbrände in seinem von der Klimakrise besonders betroffenen Land nichts ändern.

Die Finanzierung von Kohleabbau und Kraftwerken wird immer weniger unterstützt

Trotz staatlicher Hilfe muss Adani darum kämpfen, das Projekt zu finanzieren. Unter dem Druck internationaler Proteste - und niedriger Weltmarktpreise für Kohle - haben Großbanken aus aller Welt, darunter die Deutsche Bank, öffentlich davon Abstand genommen, Geld in die Mine zu stecken. Auch Versicherer wie die Allianz oder die Münchener Rück haben bereits 2018 ihren Ausstieg aus dem Geschäft mit Kohleabbau und Kohlekraftwerken erklärt.

Für Siemens ist das nicht so einfach. Schließlich gehört Kraftwerkstechnik zum Kerngeschäft des Konzerns. In China etwa entsteht derzeit das Kohlekraftwerk Pingshan - mit Siemens-Turbinentechnik. Es soll aber laut Eigenwerbung das "sauberste" Kohlekraftwerk der Welt werden. Mit seiner Kraftwerkstechnik argumentiert Siemens auch im Fall der Carmichael- Mine. Man verfolge "im Kampf gegen den Klimawandel einen deutlich breiteren Ansatz", heißt es in einer Pressemitteilung des Konzerns. 2018 hätten "unsere Technologien unseren Kunden geholfen, ihre eigenen Emissionen um mehr als 600 Mio. Tonnen zu reduzieren" - also um mehr als den CO₂-Ausstoß Australiens im Jahr davor. Siemens-Chef Kaeser twitterte im Dezember, er wolle die Bedenken der Minen-Kritiker "ernst nehmen" und "sorgfältig prüfen". Versprechen wollte er aber nichts: Siemens' Entscheidung "kann sich ändern oder nicht".

© SZ vom 09.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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