Süddeutsche Zeitung

Fresenius Medical Care:Gaben, Günstlinge und Geldgeschenke

  • Zahlreiche Fälle von systematischer Bestechung beim Dialysekonzern Fresenius Medical Care haben ein juristisches Nachspiel in Deutschland.
  • Nach Informationen von SZ, NDR und WDR ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen der im Frühjahr bekannt gewordenen Korruptionsaffäre.
  • Mitarbeiter des Konzerns hatten von 2007 bis 2016 in mehreren Ländern Ärzte und Amtsträger bestochen.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Alles an den Geschäften war verdächtig, aber jahrelang hat niemand reagiert. Als sich Fresenius Medical Care entschied, seine Produkte auch nach Angola zu verkaufen, warnte ein Manager per E-Mail eindringlich vor den dortigen Verhältnissen. Man müsse besonders vorsichtig sein und alles besonders sauber dokumentieren, wegen des hohen Korruptionsrisikos. Trotzdem verdiente ein hochrangiger Direktor des angolanischen Militärs schon an den ersten Dialysegeräten mit, die der deutsche Konzern an Militärkrankenhäuser in dem westafrikanischen Staat lieferte. Von 2011 an hatte die angolanische Tochterfirma dann sehr auffällige Aktionäre: Zwei berühmte, einflussreiche Nierenärzte und besagter Direktor erhielten einen Anteil von mehr als einem Drittel der Firma, ohne je dafür zu bezahlen.

Der Fall Angola zeigt beispielhaft, wie weit verbreitet und üblich Bestechung und Korruption bei Fresenius Medical Care in einigen Ländern lange waren - was inzwischen auch die deutsche Justiz beschäftigt. Fresenius Medical Care, in mehr als 150 Ländern aktiv, ist weltweit einer der größten Anbieter von Dialysegeräten und entsprechenden Produkten und betreibt etwa 3900 Fachkliniken. Damit noch mehr Nierenpatienten mit Fresenius-Produkten behandelt wurden, half das Unternehmen regelmäßig nach. Von 2007 bis 2016 hat der Konzern in 17 Ländern systematisch Ärzte in staatlichen und militärischen Krankenhäusern sowie Amtsträger bestochen. Millionen Dollar Schmiergeld sind geflossen, um Ausschreibungen zu gewinnen oder Ärzte und Krankenhäuser zum Kauf von Fresenius-Produkten zu bewegen.

Die Praktiken wirken lehrbuchhaft: Es gab etwa Beraterverträge ohne erkennbare Gegenleistung, Ärzte erhielten Briefumschläge mit Bargeld, Fresenius-Mitarbeiter wiesen Schmiergeldzahlungen als Provisionen aus. Ermittler der US-Börsenaufsicht SEC haben Fälle in Saudi-Arabien, Angola und acht westafrikanischen Ländern dokumentiert sowie unter anderem in Spanien, Mexiko, der Türkei und China. Die Aufsichtsbehörde beschreibt sie ausführlich in einem Abschlussbericht. In einem Vergleich mit dem US-Justizministerium hat der Konzern bereits im Frühjahr Fehlverhalten und mangelnde Kontrollen zugegeben und weitreichende Zugeständnisse akzeptiert. 231 Millionen Dollar hat das Unternehmen in den USA gezahlt, darunter eine Geldstrafe von knapp 85 Millionen Dollar an das Justizministerium.

Abgeschlossen ist die Affäre für den Konzern damit aber noch nicht. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt wegen der Bestechungsfälle. Die Behörde bestätigte die Ermittlungen, ohne Details zu nennen. Gegen wie viele ehemalige oder aktive Mitarbeiter sich die Ermittlungen richten, bleibt offen. Die SEC betont in ihrem Bericht, hochrangige Mitarbeiter in der Konzernzentrale hätten selbst über konkrete Schmiergelder mitentschieden. In einem Fall sollen Manager in Deutschland Zahlungen von 123 000 Dollar an einen marokkanischen Nierenspezialisten ermöglicht haben, indem sie das Geld zuerst als Bonus an einen Fresenius-Manager in Westafrika auszahlten und dafür Verträge zurückdatierten.

Abschlussbericht der US-Ermittler zeigt, wie interne Kontrollen versagt hatten

Fresenius teilte mit, die Fälle intern gründlich aufgearbeitet und personelle Konsequenzen gezogen zu haben, in Deutschland und den jeweiligen Ländern. Der Konzern gibt an, mit den Behörden zu kooperieren. "Die zuständigen deutschen Behörden haben wir selbst frühzeitig über den Stand unserer eigenen sowie der Ermittlungen der US-Behörden informiert", schreibt ein Sprecher. Man habe nach 2012 die Compliance, also die Programme zur Einhaltung der Regeln, deutlich verbessert. Wenn es auch nach 2012 noch einige Fälle gegeben habe, die man aufgedeckt und in enger Kooperation mit den Behörden aufgearbeitet habe, "bestätigen uns diese eher in dem Nachdruck, mit dem wir die Compliance-Verbesserungen bei uns vorantreiben", heißt es weiter.

Die SEC-Ermittler zeigen in ihrem 29-seitigen Abschlussbericht von Ende März, wie sehr die internen Kontrollen zuvor versagt hatten. Da waren saudi-arabische Ärzte, die sechsstellige Summen für nie erbrachte Beratungsleistungen abrechnen, da gab es versteckte Provisionen an mehrere Geschäftsführer staatlicher Krankenhäuser in Gabun, da wurden Amtsträger in Spanien für Informationen über bevorstehende Ausschreibungen unter anderem mit Reisen und teuren Geschenken belohnt. Mit Blick auf das China-Geschäft beschreibt die SEC, wie Ärzte mit Bonuszahlungen beeinflusst werden sollten, um Produkte von Fresenius Medical Care zu bevorzugen. Die Boni flossen gezielt an leitende Angestellte von Kliniken, die bei Ausschreibungen mitentscheiden konnten; mal in bar, mal per Überweisung, oftmals über externe Zwischenhändler. Details aus dem Bericht der Börsenaufseher wollte der Konzern auf Anfrage nicht kommentieren.

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SZ vom 21.10.2019/vd
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