Die Fragen der Aktionäre kommen nicht wirklich überraschend. Vorstandschef Stephan Sturm sagt seit einigen Wochen, was er vom Ansinnen hält, den Konzern zu zerschlagen. Ihm gefalle die Struktur, sagte er bei der Bilanzpressekonferenz im Februar. Er sagt es am Freitag in der virtuellen Hauptversammlung in vorauseilendem Widerspruch: "Zumindest bis auf weiteres halte ich unsere aktuelle Struktur für die richtige. Sie hat uns über die Jahre sehr gut gedient." Er sagt dort aber auch, dass die Struktur laufend hinterfragt werde: "Das ist ein ganz normaler Prozess. Dabei gibt es keine Tabus."
Ein Tabu ist die Zerschlagung für den größten Aktionär wohl nicht mehr, die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung, die immerhin 27 Prozent an Fresenius hält. Wie das Manager Magazin berichtet, gab es mehrere Treffen von Stiftungsvertretern mit Sturm. Dabei sei es auch darum gegangen, ob der Konzern nicht zu stark in hochregulierten Bereichen wie dem Krankenhausgeschäft und Dialyseklinken sei.
Fresenius beschreibt sich als "diversifizierten Gesundheitskonzern mit vier starken Unternehmensbereichen." Die Realität ist noch komplexer als die Selbstdarstellung. Unter dem Dach von Fresenius Medical Care betreibt der Konzern weltweit Dialysezentren und bietet Heimdialyse. Fresenius Helios ist nach eigenen Angaben die größte private Klinik-Gruppe in Europa. Fresenius Kabi liefert Generika, Biosimilars, Trink-, Sondennahrung und Infusionen für schwerkranke Menschen und die dafür nötigen Geräte. Und Fresenius Vamed entwickelt, plant und errichtet unter anderem Krankenhäuser. 2020 setzte der Konzern mit weltweit gut 311 000 Mitarbeitern insgesamt 36,3 Milliarden Euro um.
Einen Abbau der Beteiligung an Fresenius Medical Care, er liegt derzeit bei rund 30 Prozent, schloss Sturm am Freitag aus. Gerade in der Pandemie habe sich die Widerstandskraft des Geschäftsmodell gezeigt. "Wir stehen auf einem breiten, soliden Fundament", sagt Sturm. Er zählt einige Vorteile der diversifizierten Struktur auf, zum Beispiel bei der Aufnahme und den Konditionen von Krediten und die Streuung des Risikos auf Märkte und Regionen. Aber es gebe keine "Denkverbote". Sollte die "erwartete Ergebnisbeschleunigung nicht eintreten", dann müsse man auch über die Struktur nachdenken. Kurzfristig gebe es keinen Handlungsbedarf.
Fresenius müsse noch eine "ganze Weile mit deutlichen Belastungen durch Corona rechnen, vermutlich bis mindestens Mitte des Jahres", erwartet Sturm. In den kommenden beiden Jahren müsse sich das Wachstum beschleunigen. Kleine bis mittlere Übernahmen schließt Sturm nicht aus, mit einer größeren rechne er zumindest kurzfristig nicht, sagt er.