Wer in Deutschland einen großen Börsenkonzern leitet, bleibt selten lange im Amt. Die Top-Posten geraten häufig zum Schleudersitz. Fast keiner hält sich lange. Fast keiner. Denn im Winter 1994 rückte Michael Frenzel an die Spitze der Preussag AG vor. Dann begann die wundersame Wandlung eines Mischkonzerns zur Tui AG, zu Europas größtem Touristikunternehmen. Fast alles im Konzern hat sich geändert. Nur der ewige Michael Frenzel blieb. Bis heute.
Jetzt muss der 65-Jährige abtreten. Weil er den letzten Machtkampf verloren hat.
Zum Schluss ging es für den dienstältesten Vorstandschef einer großen deutschen Aktiengesellschaft ganz schnell. Am Montag kamen die Aufsichtsräte des Hannoveraner Unternehmens zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Eingeladen hatte Oberkontrolleur Klaus Mangold, der seit einiger Zeit am Abtritt von Frenzel feilt. Es war eine Sitzung mit Sprengkraft, gefolgt von einer dürren Mitteilung am frühen Abend. Mit Ablauf der kommenden Hauptversammlung am 13. Februar 2013 werde der Vorstandsvorsitzende "auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand der Tui AG ausscheiden", teilte der MDax-Konzern mit. Nachfolger wird der Deutschlandchef des Mobilfunkkonzerns Vodafone, Friedrich Joussen. Dieser tritt am 15. Oktober bereits in den Tui-Vorstand ein.
Seit Monaten hatten Mangold und Frenzel hinter den Kulissen miteinander gerungen. Eigentlich wollte der promovierte Jurist Frenzel ein Jahr länger bleiben, bis März 2014. Vor gut einem Jahr hatte er seinen Vertrag an der Spitze bis dahin verlängern lassen. Doch Mangold habe das nicht gepasst, heißt es. Im Frühjahr beauftragte er einen Headhunter und bat um Vorschläge. Die Personalie Joussen soll er erst vergangene Woche einigen Aufsichtsräten vorgestellt haben. Jetzt endet alles in höflichen Worten. "Der Aufsichtsrat dankt Herrn Frenzel für eine erfolgreiche Arbeit", lässt Mangold mitteilen.
Mit Frenzel geht ein Urgestein der alten Deutschland AG. 1981 fing er bei der inzwischen abgewickelten WestLB an. Dort leitete er das Büro des allmächtigen Vorstandschefs Friedel Neuber, der mit der Bank für die SPD in Nordrhein-Westfalen Industriepolitik machte. Vier Jahre später bekam Frenzel die Zuständigkeit für die vielfältigen Beteiligungen der Bank, und 1988 wechselte er schließlich in den Vorstand des Preussag-Konzerns, dessen Mehrheit die WestLB besaß: Dort räumte er auf.
Das Problem: Frenzel hat Tui groß gemacht (Umsatz: 17,5 Milliarden Euro), aber nicht sehr profitabel. Hinter vorgehaltener Hand hat Aufseher Mangold ihn deshalb häufig kritisiert. Ein Meilenstein beim Umbau war 1997 der Einstieg in die Reederei Hapag-Lloyd, der erste Schritt in die Touristik. Es folgten Übernahmen weiterer Firmen wie Tui Deutschland, Thomson Travel und Nouvelles Frontières. 2002 wurde die Preussag AG in Tui AG umbenannt. Zuletzt verhagelten Krisen wie Vulkanausbrüche oder der Arabische Frühling die Bilanz.
Doch Frenzel wollte sein Lebenswerk zu Ende bringen, daher kommt der frühere Abtritt ungelegen. Er selbst hatte sich zwei Ziele gesetzt vor seinem Rückzug: So wollte er die restlichen Anteile an der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd - es sind noch 22 Prozent - verkaufen oder an die Börse bringen. Dann wollte er mit den Erlösen aus Verkauf oder Börsengang den Konzern mal wieder neu ausrichten. Aber die Neuordnung muss er ebenso wie die Suche nach einem neuen Personalchef dem Nachfolger Joussen überlassen.
Der 49-Jährige steht bereit: Ende September wird er als Deutschlandchef des britischen Mobilfunkanbieters Vodafone zurücktreten - nach neun Jahren an der Spitze der hiesigen Landesgesellschaft - und wechselt dann als einfaches Mitglied in den Tui-Vorstand. Joussen hatte seine Karriere Ende der achtziger Jahre beim Vorläufer Mannesmann Mobilfunk begonnen.
Der Neue gilt als durchsetzungsstark - und das kann er gebrauchen, denn Tui hat mächtige Aktionäre: den russischen Oligarchen Alexej Mordaschow (25 Prozent) und den streitlustigen, norwegischen Reeder John Fredriksen (15 Prozent). Mordaschow hat zusammen mit Mangold auf Frenzels Abgang gedrängt. Ihm missfällt vor allem, dass Tui keine Dividende zahlt.
So ganz wird Michael Frenzel aber nicht verschwinden: Er bleibt der Aufsichtsratschef der wichtigsten Konzerntochter Tui Travel und Präsident des Welt-Tourismusverbandes.