Freizeitpark-Boom:Ein bisschen Spaß muss sein

"Auch in der Krise wollen Eltern alles für ihre Kinder tun": Die Welt der Achterbahnen ist noch in Ordnung. Freizeitparks haben trotz des Bankendesasters weltweit so viel Zulauf, dass Investoren Milliarden in die Branche stecken. In Deutschland kann vor allem der Europa-Park mithalten - auch bei den Zuwachsraten.

Dieter Sürig und Melanie Staudinger

Chip Cleary sitzt im Ristorante Cesare des Europa-Parks Rust und strahlt über beide Ohren. Die Fenster ziert eine Silhouette von Julius Caesar. Draußen schaut die Architektur so aus, als ob das Kolosseum nicht weit wäre. Auf dem ockerfarbenen Putz unter der holzgetäfelten Decke sind Porträts des Imperators drapiert. Und Chip Cleary, der quirlige Kalifornier, sitzt mittendrin.

Freizeitpark-Boom: Die größten Freizeitparks in Europa

Die größten Freizeitparks in Europa

Nicht nur Amerikaner lieben solche Kulissen. Auch immer mehr Deutschen ist der ganze Zauber eine Reise wert. Roland Mack, Chef des Europa-Parks, hat dieses Geschäftsmodell bis zur Perfektion getrieben. Cleary ist bei ihm zu Gast, weil Mack für ein Jahr Präsident des Weltverbandes der Freizeitparkindustrie, IAAPA (International Association of Amusement Parks and Attractions) ist. Und Cleary ist dort der Geschäftsführer.

Er ist also ganz hin und weg, hat gerade die neue Holzachterbahn Wodan getestet und schwärmt nun von dem, was die Familie Mack da in rund 35 Jahren so alles hingestellt hat. "Der Europa-Park ist für mich einer der besten Themenparks weltweit", sagt er. Der 61-Jährige, Schnauzer, gescheiteltes grau-blondes Haar, kennt sich aus in der Branche. Er hat den Wasserpark Splish Splash auf Long Island geführt und ist durch diverse Übernahmen bei der spanischen Parques Reunidos Group gelandet.

Wenn man Cleary so zuhört, dann erfährt man, dass die Welt der Achterbahnen trotz Finanzkrise in Ordnung ist. Natürlich ist der Konkurrenzkampf hart, doch es werden Milliarden investiert, neue Freizeitparks aus dem Boden gestampft. Die Branche boomt, man kann viel Geld verdienen. Zumindest, wenn man groß genug ist. Disney hat 2011 mit Parks und Hotels 1,6 Milliarden Dollar Betriebsgewinn gemacht.

Je nach Definition gibt es in Deutschland etwa 70 bis 100 Freizeitparks. Mit internationalen Besucherzahlen mithalten können nur wenige. Allen voran der Europa-Park, der laut Themed Entertainment Association (TEA), einem US-Verband der Freizeitparkausrüster, der drittgrößte europäische Park ist (Grafik) und weltweit auf Rang 21 liegt. Auch von den Zuwachsraten her hat Rust mit knapp sechs Prozent Weltniveau. TEA zufolge haben die Besucherzahlen in den 25 größten Parks der Welt 2011 um 3,8 Prozent auf 196 Millionen Besucher zugelegt, bei den Top 20 Europas um 2,8 Prozent auf 58 Millionen Besucher.

Richtig Musik ist in Asien drin: Die größten Parks hatten 7,5 Prozent Zuwachs - auf 103 Millionen Gäste. "Der asiatische Markt wächst sehr schnell", sagt Cleary. Disney baut einen Park in Shanghai, in Singapur hat ein Franchisenehmer einen Universal Park eröffnet. "Die Gäste kommen nicht mit Bussen, sondern mit BMW und Mercedes. Das ist ein Markt mit 1,3 Milliarden Menschen", schwärmt er. Es gebe schöne Projekte in den USA. Das echte Wachstum spiele sich aber in Asien ab.

Mitunter etwas piefig wie Roberto Blanco

Der Chef des nach Besuchern zweitgrößten Freizeitkonzerns hinter Disney, die britische Merlin Entertainments Group (Gewinn: 300 Millionen Pfund), Nick Varney, bestätigt dies. Im Herbst eröffnet er ein Legoland in Malaysia. "Diese Region macht einen immer größeren Anteil unseres Geschäfts aus - vom Umsatz und von den Besuchern her."

Europa-Park Rust

Achterbahn im Europa-Park Rust: Deutsche Erlebnisparks haben im vergangenen Jahr etwa 32 Millionen Besucher angelockt.

(Foto: dpa/dpaweb)

Und Europa?

Varney will sein Angebot beispielsweise auch in Deutschland erweitern. Merlin ist neben Legoland für den Heide-Park, Madame Tussauds, Sea-Life und Dungeon bekannt. Varney plant hier nur kleinere Dinge, wie ein Dungeon-Gruselkabinett in Berlin und ein Legoland Discovery in Oberhausen. "Der westeuropäische Markt ist gesättigt, was neue Parks betrifft", sagt Roland Mack. Dafür tut sich im Osten mehr. In der Nähe von Warschau will ein Luxemburger Investor für 620 Millionen Euro den Freizeitpark Adventure World bauen.

Ist es schlau, jetzt Geld in einen Freizeitpark zu stecken? IAAPA-Chef Chip Cleary findet, dass seine Branche gerade wegen der Finanzkrise Aufwind erfährt. "Auch in der Krise wollen Eltern alles für ihre Kinder tun. Sie gehen nicht mehr zum Golfen, aber die Familie möchte weiterhin gemeinsam etwas unternehmen", sagt er.

Und in Deutschland profitieren auch kleinere Parks davon, wenn die Familie lieber einen Kurztrip unternimmt als die große Reise ans Mittelmeer. Die 70 Freizeitparks des deutschen Verbandes VDFU verbuchen für 2011 mit 32 Millionen Besuchern ein Plus von 5,3 Prozent.

Wenn man bei VDFU-Chef Ulrich Müller-Oltay, anruft, flötet einem in der Warteschleife "Ein bisschen Spaß muss sein" ins Ohr. Die Freizeitparks in der Republik laufen "weitestgehend als Familiengeschäft", sagt Müller-Oltay. Auch sie kommen mitunter etwas piefig daher wie Roberto Blanco. Man ahnt, wo das Problem vieler familiärer Betreiber liegt, die zum Teil sogar Besucherzahlen geheim halten: Oft fehlt das Geld zu modernisieren, geschweige auszubauen.

Manche wollen aus der Not eine Tugend machen und werben mit Nostalgie. Das reicht nicht. Märchenpavillons, Fliegenpilzhütten und Achterbahnen aus den Fünfzigern haben ihren Charme, bringen aber kaum volle Kassen. Moderne Fahrgeschäfte sind teuer. Trotzdem versuchen auch kleinere Parks, mit spektakulären Fahrgeschäften Besucher anzulocken.

Harry Potter World als Vorbild

Während der Heide-Park Soltau 2001 an die britische Tussauds Group (heute Merlin Entertainments) verkauft wurde, sind viele Familienbetriebe aber nicht dazu bereit, Investoren zu beteiligen. Besitzer Hans-Peter Tiemann hatte sich für diese Lösung entschieden, um den Heide-Park attraktiver zu machen. Müller-Oltay kennt das Dilemma vieler Parkbetreiber. "Es ist notwendig, ausreichend Platz zu haben, um sich auszudehnen." Nicht nur attraktive, sondern auch mehr Attraktionen und Hotels müssen her - für Mehrtagesgäste.

Genau an diesem Punkt steckt das Phantasialand bei Köln. Eingekesselt zwischen Wohn- und Naturschutzgebiet will der Park seit zehn Jahren erweitern. Auf 56 Hektar sollte die Fläche verdoppelt werden, Naturschützer liefen Sturm. Nun akzeptiert Parkdirektor Ralf-Richard Kenter einen Kompromiss der Bezirksregierung und verzichtet auf Flächen im Landschaftsschutzgebiet. Er darf auf 46 Hektar erweitern. "Wir haben ein begrenztes Einzugsgebiet. Das ist jetzt ausgeschöpft", sagt er.

Bisher wollte er 130 Millionen Euro in Fahrgeschäfte und Hotels investieren. Nun werde es weniger, aber nicht die Hälfte. Die Betreiberfamilie suche auch keinen Investor. "Der Inhaber, Herr Löffelhardt, will das nicht aus der Hand geben, wir haben auch bisher über Banken finanziert."

Europa-Park-Chef Roland Mack hat keine Platzprobleme und gerade für 40 Millionen Euro das Themenhotel Bell Rock mit Leuchtturm und Neuengland-Flair gebaut. In zwei Jahren will er zudem ein "völlig neues Themenkonzept" realisieren und engagierte den französischen Regisseur Luc Besson, bekannt durch Filme wie "Léon, der Profi" und "Arthur und die Minimoys". Die Besucher sollen sich in der Minimoys-Welt wiederfinden - durch Kombination von Film, Fahrgeschäft und Architektur.

Vorbild für Mack ist die Harry Potter World in Florida, wo der Besucher per Achterbahn durch die Welt des Zauberers schwebt. Es ist ein Erfolgsgeheimnis von Mack, jedes Jahr eine neue Attraktion hinzustellen. So hat er in rund 35 Jahren knapp 700 Millionen Euro investiert - ohne Subventionen, wie er betont. Der Umsatz beträgt Insidern zufolge knapp 300 Millionen Euro. Den will er mittelfristig mit einem Wasserpark weiter steigern.

Verbandschef Müller-Oltay sieht auch gute Chancen für kleinere Parks, die nur ihr gesichertes Auskommen haben möchten. Das Geschäft baue auf "Illusionierung und Emotionalisierung" auf, da hätten sich viele Parks einen "Wettbewerbsvorteil im individuellen Bereich" geschaffen. Auch Kollege Chip Cleary weiß, dass es nicht Disney, Mack & Co. alleine sind, die die Branche prägen: "Neben großen Parks gibt es eine Fülle wunderbarer Familienparks. Da sich auch diese Parks weiterentwickeln und nachhaltiger werden, wird die Branche eine glänzende Zukunft haben."

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