Freihandelsabkommen:TTIP könnte sich verzögern

Congress Convenes On Columbus Day As Government Shutdown Continues

60 Tage Bedenkzeit, im Zweifel gilt nationales Recht: US-Präsident Obama hat dem Kongress Zugeständnisse gemacht.

(Foto: AFP)
  • TTIP und TPP: Präsident Barack Obama möchte zwei Freihandelsabkommen abschließen. Es ist fraglich, ob das noch in seiner Amtszeit klappt.
  • Bei solchen Abkommen könnte der US-Kongress jede einzelne Vorschrift ablehnen. In einem Deal mit Obama verzichtet der Kongress darauf, bekommt dafür aber eine Art Bedenkzeit.
  • Inklusive Wartezeiten würde die Unterzeichnung der Gesetze in die heiße Wahlkampfphase fallen. Die US-Politik liegt vor und nach der Präsidentschaftswahl jedoch lahm.

Von Nikolaus Piper

Präsident Barack Obama glaubt an den Freihandel und er will deshalb am liebsten mit zwei erfolgreichen Handelsabkommen in die Geschichte eingehen: die Transpazifische Partnerschaft (TPP) und die Transatlantische Partnerschaft für Handel und Investitionen (TTIP). Während es gegen TTIP in der amerikanischen Öffentlichkeit kaum Bedenken gibt, ist der Widerstand gegen TPP auf der äußersten Rechten und auf dem linken Flügel von Obamas eigener Demokratischer Partei groß. Besonders gewerkschaftsnahe Abgeordnete und Senatoren fürchten, dass dank TPP amerikanische Jobs nach Vietnam, in die Philippinen und andere asiatische Länder abwandern.

Um überhaupt Chancen zu bekommen, TPP durch den Kongress zu bringen, musste Obama Zugeständnisse machen, die nun indirekt dazu führen könnten, dass nicht nur TPP, sondern auch TTIP erst nach der Präsidentenwahl im November 2016 abgeschlossen werden können. Das geht aus Beschlüssen hervor, die der Finanzausschuss des Senats am späten Dienstag in Washington veröffentlichte.

Abkommen müssen 60 Tage lang öffentlich einsehbar sein

Das Verfahren zum Abschluss von Handelsverträgen ist in den USA so kompliziert, dass es auch die meisten Amerikaner nicht verstehen. Eigentlich hat der US-Kongress das Recht, bei diesen Verträgen jede Vorschrift einzeln zu billigen oder zu verwerfen. Kein Vertragspartner der USA könnte es aber akzeptieren, dass der US-Gesetzgeber einfach die Teile eines Abkommens verwirft, die ihm nicht gefallen. Daher muss der Kongress immer wieder ausdrücklich auf dieses Recht verzichten und dem Präsidenten die "Trade Promotion Authority" (TPA) erteilen, meist kurz "Fast Track" ("Überholspur") genannt.

Eine Mehrheit aus beiden Parteien im Kongress hat inzwischen entschieden, Obama die TPA für die derzeit verhandelten Abkommen zu gewähren. Als Teil eines Deals räumte Obama dem Kongress dabei eine Art Bedenkzeit ein. "Erstmals in der Gesetzes-Geschichte muss der Text eines abgeschlossenen Handelsabkommens 60 Tage lang öffentlich sein, ehe es der Präsident unterzeichnet", heißt es in einer Mitteilung des Senats-Ausschusses. Zusammen mit anderen Wartezeiten könnte dies dazu führen, dass TPP erst im Oktober in den Kongress zur Abstimmung kommen kann. Dann aber steckt Amerika mitten im Vorwahlkampf , keine gute Zeit für komplizierte Abkommen. Wie es in einem Bericht der New York Times heißt, würde dies unter Umständen bedeuten, dass TPP nicht mehr vor der Präsidentenwahl abgeschlossen werden könnte. Das würde dann aber notwendigerweise auch für TTIP gelten, das noch wesentlich weniger weit verhandelt ist.

Washington ab Herbst kommenden Jahres handlungsunfähig

In Berliner Regierungskreisen hieß es dazu, der Ausgang des Verfahrens sei noch völlig offen, "entscheidend ist, wie weit die Verhandlungen in einem Jahr sind", sagte ein mit dem Thema vertrauter Regierungsvertreter. "Entweder man verabschiedet das, was bis dahin verhandelt wurde, oder aber man setzt die Verhandlungen nach der Wahl fort." In Berlin glaubt man, dass Washington vom Herbst 2016 an nicht mehr handlungsfähig ist. Bis die Mannschaft des neuen Präsidenten etabliert ist, könne es Oktober 2017 werden. Wegen des amerikanischen Wahlkalenders hatten Politiker in Berlin und Brüssel auf einen Abschluss der TTIP-Verhandlungen noch in diesem Jahr gedrungen. Dies gilt mittlerweile als unrealistisch.

Sollte Hillary Clinton Präsidentin werden, wären die Chancen für die beiden Handelsabkommen gut. Clinton gilt als freihandelsfreundlich. Der Fall hätte eine gewisse Ironie. Auch ihr Mann Bill Clinton setzte 1993 ein Freihandelsabkommen durch, das ein anderer Präsident vorbereitet hatte: das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta), eine Idee des Republikaners George H. W. Bush (Vater).

Abkommen als Wahlkampfthemen

In das Gesetz, das Präsident Obama seine TPA-Vollmachten gibt, schrieb der Senatsausschuss auch noch einige Klarstellungen: So wird ausdrücklich bestätigt, dass alle Vorschriften in dem Abkommen, die Bundes- oder Staatsgesetzen in den USA widersprechen, nicht wirksam sind. Im Konfliktfall zwischen Abkommen und nationalen Gesetzen gilt immer das nationale Gesetz. Außerdem dürfen die USA durch das Abkommen nicht daran gehindert werden, ihre Gesetze zu ändern. Diese Klarstellungen betreffen nicht nur TPP, sondern jedes Handelsabkommen, also auch TTIP. Sie bestätigen, was Befürworter von Handelsabkommen auch in Europa sagen: TTIP kann keine demokratisch verabschiedeten Gesetze aushebeln.

Trotzdem gibt es in den USA einflussreiche Politiker, die dem Gedanken des Freihandels skeptisch gegenüberstehen. Dazu gehört der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Harry Reid, und die Senatorin Elizabeth Warren aus Massachusetts, die als mögliche linke Gegenkandidatin von Hillary Clinton gilt. Das Abkommen TPP wird daher wohl auf jeden Fall zum Thema im Wahlkampf werden, wobei hier die Trennlinien innerhalb der Demokratischen Partei verlaufen.

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