Freihandelsabkommen Ceta:Halb so schlimm

Das Wirtschaftsministerium ließ das Ceta-Abkommen mit Kanada prüfen: So problematisch wie befürchtet seien die Klauseln zum Investorenschutz gar nicht, lautet das Ergebnis der Wissenschaftler.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Am Montag sind es die Naturfreunde Deutschland, die es auf die Freihandelsabkommen Ceta und TTIP abgesehen haben. Die beiden Abkommen der EU - Ceta mit Kanada, TTIP mit den USA - nutzten nur Großkonzernen, wettert der umweltpolitische Sprecher des Verbands, Eckart Kuhlwein, per Pressemitteilung. "Bei Ceta muss die Notbremse gezogen werden." Schließlich enthalte es die so umstrittene Klausel zum Investitionsschutz, "als Blaupause für TTIP".

Fast zur gleichen Stunde sitzen zwei Juristen im Bundeswirtschaftsministerium, in dessen Auftrag haben sie das bereits ausgehandelte Ceta-Abkommen seziert. Zumindest Eckart Kuhlwein könnten sie beruhigen, denn erstens ist ein Notbremsung noch immer möglich - über die nationalen Parlamente. Und zweitens ist sie möglicherweise nicht nötig. So schlimm, wie von vielen befürchtet, sind die Klauseln zum Investorenschutz womöglich gar nicht.

So hatte Stephan Schill, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht, just diesen Teil unter die Lupe genommen. Demnach bestehe kein Anlass zu der Befürchtung, ausländische Konzerne könnten sich auf dem Umweg über das Handelsabkommen zusätzliche Rechte oder Schadenersatz erstreiten.

Neues Abkommen löchrig wie ein Schweizer Käse

"Das Ergebnis ist klar", sagt Schill. "Das deutsche Verfassungsrecht geht beim Schutz bestehender Investitionen wesentlich weiter." Mehr noch: Das Abkommen beseitige nicht einmal alle Nachteile, die kanadische gegenüber deutschen Firmen hierzulande haben. Was die Ausnahmen angehe, die ausländische Firmen diskriminierten, sei das neue Abkommen "löchrig wie ein Schweizer Käse", sagt Schill, "und es erlaubt gleichzeitig den Mäusen, neue Löcher hineinzufressen". Die Frage stelle sich schon, welchen Wert das Investitionskapitel angesichts so lascher Vorgaben überhaupt habe, schreibt er in seinem Kurzgutachten, insbesondere auch für hiesige Investoren in Kanada.

Auch hinsichtlich der umstrittenen Schiedsgerichte sieht der Gutachter wenig Probleme. Das Abkommen sehe diese Verfahren nur bei gezielter Benachteiligung ausländischer Investoren vor - und das erst, nachdem diese im Inland alle Rechtswege ausgeschöpft haben. Komme es aber doch zum Schiedsverfahren, verlangten die Ceta-Regeln hier weitgehende Transparenz. "Was in dem Abkommen zum Investitionsschutz steht", sagt Wirtschaftsstaatssekretärin Brigitte Zypries (SPD), "ist etwas, womit Deutschland leben kann." Aber nicht leben muss. Denn ein zweites Gutachten beschäftigte sich mit der Frage, ob der Bundestag dem Abkommen zustimmen, es ratifizieren muss.

Die Antwort des Bielefelder Professors Franz Mayer: ja. "Man kann nur Verträge schließen, wenn man die entsprechende Kompetenz hat", sagt er. Gerade in Fragen des Investitionsschutzes, aber etwa auch bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, gebe es eine "Kompetenzlücke".

Damit handele es sich um ein "gemischtes Abkommen", das auch die Parlamente der 28 EU-Staaten passieren muss. Nun droht ein Rechtsstreit, denn die EU-Kommission sieht das bisher anders. Schon Freitag wollte sie das Ceta-Abkommen beim EU-Kanada-Gipfel in Ottawa paraphieren. Diese Pläne, so heißt es nun im Ministerium, seien vom Tisch.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: