Süddeutsche Zeitung

Freihandel:Neoliberale Handelsabkommen haben keine Chance mehr

Neue Freihandelsabkommen wären eine Chance für Europa, gerade nach der Wahl des Protektionisten Donald Trump. Das Problem: Die EU hat aus den Fehlern der Vergangenheit wenig gelernt.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Noch vor kurzer Zeit sorgte sich Europa, im internationalen Handel von Asien und den USA abgehängt zu werden. Beide schienen begieriger, durch neue Abkommen wie TPP gemeinsam Geschäfte anzustoßen, ohne boring old Europe. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat alles verändert. Der Protektionist im Weißen Haus beschert Europa neue Chancen, aber auch neue Gefahren. Nur wenn die Europäer alles richtig machen, bleiben sie am Ball. Aber derzeit machen sie einiges falsch. Das geplante Abkommen mit Japan, das nun durch die Enthüllung der Verhandlungen in den Blickpunkt rückt, bietet ein gutes Beispiel.

Trumps Skepsis gegenüber dem Freihandel bedeutet, dass Europa das geplante Handelsabkommen TTIP mit den Vereinigten Staaten erst mal vergessen kann. Deshalb sucht die EU neue Partner. Unter Hochdruck arbeitet sie an einem Vertrag mit Japan. Ein erfolgreicher Abschluss verspricht große Wirkung: Bis zu 30 Prozent mehr Exporte, das wäre einiges an Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen. Und der Japan-Pakt soll noch mehr sein: Ein Signal an andere Nationen, mit Europa ins Geschäft zu kommen. Es geht um Giganten wie Indien, um Wirtschaftsräume wie Südamerika und Südostasien.

Europas Verbraucherschutz ist sakrosankt, und das völlig zu Recht

Europas Chancen auf einen Deal mit Japan stiegen, seit Trump das Pazifikabkommen TPP genauso abgesagt hat wie den europäischen TTIP-Vertrag. Europa erwächst bei seinen Plänen aber neue Konkurrenz. Nachdem sich Amerika aus der Rolle des globalen Vorreiters für den Freihandel verabschiedet hat, will China das Vakuum füllen - und den wirtschaftlichen Austausch in Asien unter seiner Führung ordnen. In einem Abkommen will Peking auch die Japaner einsammeln. Die Regierung in Tokio ist hin- und hergerissen. Einerseits möchte sie sich keinesfalls von China dominieren lassen. Andererseits will sie ihren Firmen mehr Zugang zum Reich der Mitte verschaffen. Für Europa wäre ein solcher Deal eine Gefahr. Wenn die beiden größten asiatischen Wirtschaftsmächte mit weniger Schranken miteinander handeln, geraten Europas Firmen leicht ins Hintertreffen. Deshalb ist es richtig, dass Europa selbst einen schnellen Handelsvertrag mit Japan anstrebt - und danach einen mit China.

Doch unterwegs machen die Europäer gerade ein paar Fehler. Die Japaner sind sensibel, was Takt und Etikette angeht. Dass Europas Chefunterhändler in einem größeren Briefing von Diplomaten der Hauptstädte darüber plaudert, die Popularität von Premier Abe schwinde, ist ungeschickt - umso mehr, als die Bemerkungen jetzt ihren Weg in die Zeitung gefunden haben.

Noch weit schwerer wiegt, dass Brüssel den Rückhalt zu Hause vernachlässigt. Seit Konzerne private Schiedsgerichte missbrauchen, um wie Vattenfall Milliarden Schadenersatz wegen des deutschen Atomausstiegs zu fordern, wollen viele europäische Akteure ein Ende dieser Geheimtribunale. Wie wichtig das EU-Regierungen und -Abgeordneten ist, hat Brüssel Tokio offenbar nicht klargemacht. Genauso wenig wie die Tatsache, dass Europas Verbraucherschutz sakrosankt ist. Völlig zu Recht übrigens.

Mit diesen Schnitzern gefährdet Brüssel das ganze Abkommen. Denn seit den Massenprotesten gegen TTIP ist klar: Rein neoliberale Handelsabkommen haben in Europa keine Chance mehr.

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SZ vom 26.06.2017/jps
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