Süddeutsche Zeitung

Freihandel:In ganz Afrika

In Afrika wird das weltgrößte Freihandelsabkommen beschlossen. Die Hoffnungen sind bei den 54 Ländern groß - und es gibt einen gemeinsamen Gegner: China.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Es ist ein gigantischer Markt, 1,3 Milliarden Menschen leben auf dem afrikanischen Kontinent, mit einer Wirtschaftsleistung von 3,4 Billionen Dollar. Ein großes Potenzial, das die 55 Länder des Kontinents bisher aber nur zu einem sehr kleinen Teil ausgeschöpft haben. Afrikanische Länder handeln nur wenig untereinander, lediglich 17 Prozent der Exporte gehen in Nachbarländer - europäische Staaten handeln zu 69 Prozent untereinander, asiatische Länder machen 59 Prozent ihres Außenhandels mit anderen asiatischen Ländern.

In diese Richtung will auch Afrika, am Wochenende verabschiedeten 54 Mitgliedsländer der Afrikanischen Union von Ägypten bis Südafrika das weltgrößte Freihandelsabkommen AfCFTA, das sich zum Ziel gesetzt hat, 90 Prozent der bestehenden Zölle und Handelsbarrieren abzubauen (nur das eigenbrötlerische Eritrea ist nicht dabei). Das Abkommen werde "die Träume unserer Bevölkerung von Wohlstand und Lebensqualität Realität werden lassen", sagte der derzeitige AU-Vorsitzende, der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi. Der Internationale Währungsfonds nennt die Freihandelszone eine "bahnbrechende Neuerung" für den Kontinent.

Ausländische Unternehmen, auch aus Deutschland, sollen künftig leichter investieren können

Bis die Zollunion überall in Kraft tritt, werden aber noch einige Jahre vergehen. Bis zu zehn Jahre Zeit haben die am wenigsten entwickelten Länder, um alle Zollschranken abzubauen. Zudem müssen acht bestehende Regionalbündnisse integriert werden, die teilweise bereits regionale zollfreie Räume haben. "Afrika schafft ab Juli 2020 einen echten Binnenmarkt", sagte Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. "Das ist wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents und erleichtert auch deutschen Unternehmen, in Afrika zu investieren." Afrikanische Länder erhalten bisher nur ein Zehntel der Direktinvestitionen, die nach Asien fließen. Das soll sich mit dem Zollabkommen ändern.

Länder wie Äthiopien und Ruanda versuchen seit Längerem sich als günstigere Alternative zu China und anderen südostasiatischen Ländern zu positionieren, wo die Löhne in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. Einige Textil- und Handyhersteller haben bereits ihre Fertigung in riesige Gewerbeparks nach Ostafrika verlagert, der zollfreie Export in den Rest des Kontinents würde solche Standorte attraktiver machen. Ruanda und Äthiopien haben in den vergangenen Jahren ihre Infrastruktur massiv ausgebaut, von Addis Abeba führt eine neue elektrifizierte Eisenbahn an den Hafen von Dschibuti, was den Handel erleichtern soll.

Andere Länder haben die Befürchtung, womöglich zu den Verlierern zu gehören. Nigeria, die zweitgrößte Volkswirtschaft in Sub-Sahara-Afrika hatte bis zuletzt mit der Unterschrift gezögert, dort erinnert man sich noch gut an die Folgen verschiedener IWF-Programme in den 90er-Jahren, die das Land zur Öffnung der Märkte zwangen, chinesische Billigtextilien überschwemmten das Land und zerstörten heimische Industrien. Heute gilt formal gesehen ein Importverbot, die korrupte politische Elite verdient aber ganz gut daran, die eigentlich verbotenen Waren gegen Bestechung ins Land zu lassen. Ein großer Teil des angeblich einheimischen Reises stammt in Wahrheit aus Thailand.

Viele afrikanische Länder befürchten, dass asiatische Billigware in afrikanischen Einfuhrhäfen einfach als "Made in Africa" umdeklariert wird und dann die lokalen Märkte überschwemmt. China war eine treibende Kraft im Hintergrund, die sich für den Abschluss des Zollabkommens starkmachte.

Nigerias Präsident Muhammadu Buhari kündigte bereits an, verstärkt Schutzmaßnahmen gegen Schmuggel ergreifen zu wollen. Da viele korrupte Politiker in Nigeria und anderswo am Schmuggel mitverdienen, sind manche Experten skeptisch, wie viel das Zollabkommen in der Realität verändert.

"Es wird nie eine wirkliche Freihandelszone geben", sagte der Marokkaner Karim Tazi, der in der Elfenbeinküste und Kenia Fabriken besitzt, der Financial Times. Viele Länder seien nicht bereit, auf Zölle zu verzichten, die ihnen regelmäßige Einnahmen verschaffen. Andere sind optimistischer. Wenn die Unterzeichnerländer die Vereinbarungen rasch umsetzen würden, könnte der innerafrikanische Handel bis 2022 um 52 Prozent steigen, glaubt die UN.

Vor allem Südafrika gilt als möglicher Profiteur des Abkommens, das Land gilt als einziges industrialisiertes des Kontinents, seine Mobilfunkanbieter, Supermarktketten und Banken breiten sich schon lange in den Nachbarländern aus. Es ist ein schwieriges, aber lukratives Geschäft, das Investitionsumfeld mag in Afrika schwieriger sein als sonst auf der Welt, die Gewinne sind aber oft deutlich höher als anderswo.

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SZ vom 12.07.2019
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