Geplantes Freihandelsabkommen:Europa will USA auf hohes Schutzniveau bei TTIP festlegen

Demonstration gegen TTIP und Ceta

Bei einer Demonstration gegen das transatlantische Handelsabkommen TTIP (USA) und Ceta (Kanada) zündet symbolisch eine Merkel-Figur die TTIP-Bombe auf dem Reichstag.

(Foto: dpa)
  • Europa versucht, die USA beim Handelsabkommen TTIP auf ein hohes Schutzniveau festzulegen.
  • Damit soll verhindert werden, dass die Vereinigten Staaten Umwelt- oder Sozialregeln abschwächen und ihre Unternehmen so billiger in die EU exportieren können.
  • Die EU will auch, dass sich die Vereinigten Staaten in TTIP explizit zum Recht auf Streik bekennen.

Von Alexander Hagelüken

Deutsche Kritiker nehmen das TTIP-Abkommen mit den USA ins Visier, wie die Massendemonstration am Wochenende erneut zeigte. Die Gegner befürchten etwa, das geplante Handelsabkommen werde Europas Sozial- und Umweltstandards absenken.

Nun versucht Europa, mit einem eigenen Kapitel zu "Handel und nachhaltiger Entwicklung" den Kritikern zu begegnen und die USA auf ein hohes Schutzniveau festzulegen, obwohl Amerika zahlreiche internationale Arbeits- und Umweltabkommen nicht ratifiziert hat. Das geht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus dem Vorschlag hervor, den die EU-Kommission mit den Mitgliedstaaten besprochen hat und der US-Regierung in der Verhandlungsrunde vom 19. Oktober an vorlegen will.

In dem Kapitel zu nachhaltiger Entwicklung will Europa festschreiben, dass EU und USA jeweils das Recht haben, Umwelt- und Sozialschutz in ihren Gesetzen auf dem Niveau zu sichern, das ihnen angemessen erscheint. Dabei soll jede Seite das Ziel bekräftigen, durch ihre Gesetze und politischen Maßnahmen ein hohes Schutzniveau zu erreichen. Die Voraussetzung soll dabei sein, dass die Regeln auf eine Art festgelegt werden, die international anerkannten Grundsätzen entspricht.

Absenkungswettlauf soll verhindert werden

Explizit verhindern will Europa in einem eigenen Artikel, dass die Vereinigten Staaten Umwelt- oder Sozialregeln abschwächen, damit ihre Unternehmen billiger in die EU exportieren können und so Marktanteile gewinnen. Das soll einen Absenkungswettlauf verhindern, der zulasten der Bürger geht. So sollen beide Seiten anerkennen, dass es unzulässig ist, auf diese Weise Exporte zu fördern oder Investitionen anzulocken. Beide Seiten sollen sich dazu bekennen, dass sie Firmen nicht anbieten, von ihren Umwelt- oder Sozialregeln Ausnahmen zu machen. Was bedeutet das? Falls Europa und die USA diese Schutzklausel vereinbaren, könnte Europa jedesmal eine Verletzung des TTIP-Vertrags reklamieren, wenn die Vereinigten Staaten Normen abschwächen.

Weitgehende Zusicherungen will Europa von den Vereinigten Staaten auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes erreichen. In Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO sind mehrere Kernprinzipien vereinbart, die sich zum Beispiel gegen Zwangs- und Kinderarbeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund des Geschlechts oder der Hautfarbe richten. Außerdem verankern sie das Recht von Beschäftigten, Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen wie Betriebsräte zu bilden und kollektiv Löhne auszuhandeln.

Die USA haben nur zwei der betreffenden acht ILO-Abkommen ratifiziert. Europa will die USA nun bewegen, sich bei TTIP zu allen Grundprinzipien des Arbeitsschutzes zu bekennen. Das könnte in der Praxis einige Auswirkungen haben. Amerikanische Gewerkschaften beklagen beispielsweise, dass südliche US-Bundesstaaten durch komplizierte Regeln erschweren, dass sich in Fabriken Arbeitervertretungen bilden oder gestreikt wird.

Schutz der Gesundheit am Arbeitsplatz

Die EU will auch, dass sich die Vereinigten Staaten in TTIP explizit zum Recht auf Streik bekennen. Und die USA sollen erstmals in einem Handelsabkommen auf die ILO-Agenda für anständige Arbeit Bezug nehmen, die unter anderem den Schutz der Gesundheit am Arbeitsplatz sowie angemessene Bezahlung und Arbeitszeiten festschreibt.

Ein ähnliches Ziel wie beim Arbeitsschutz verfolgt Europa bei der Umwelt. So will sie die USA zu den Prinzipien internationaler Abkommen über Chemikalien und Abfall verpflichten, die Amerika bisher nicht ratifiziert hat. Der Brüsseler Vorschlag zur nachhaltigen Entwicklung sieht außerdem vor, weltweit die Bedingungen in globalen Wertschöpfungsketten zu verbessern, also etwa, wenn in Entwicklungsländern für den Westen produziert wird.

Vorbild Bangladesch

Europa und die USA sollen sich in TTIP dazu bekennen, Vereinbarungen mit anderen Ländern über die Arbeitsbedingungen abzuschließen. Vorbild ist das Abkommen, das EU und die USA mit Bangladesch abgeschlossen haben, nachdem 2013 beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza mehr als 1100 Menschen umgekommen waren. Die freiwillige Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass Bangladesch die Fabriken durch eine bestimmte Zahl ausgebildeter Inspektoren kontrollieren lässt und auf Bau- und Brandsicherheit achtet.

Europa habe noch nie in einem Handelsabkommen so weitreichende Vorschläge zu Sozial- und Umweltschutz gemacht, heißt es aus einem Mitgliedstaat. Nun müssen die Verhandlungen zeigen, ob sich die US-Regierung auf die Vorschläge einlässt. Generell schließen die USA meist sehr gleichförmige Abkommen ab, die auf einem Kompromiss von Demokraten und Republikanern aus dem Jahr 2006 basieren. Um die Forderungen der EU zu erfüllen, müssten sie davon abweichen.

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