Freihandel:Wer andere zum Bettler macht, wird selbst einer

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Seit Adam Smith weiß man eigentlich, dass Freihandel in der Regel allen beteiligten Nationen nutzt. (Foto: Robert Haas)

Es ist wieder vorstellbar geworden, dass Staaten ihre Währung als Waffe im Handelsstreit einsetzen. Schuld daran ist aber nicht nur US-Präsident Donald Trump.

Kolumne von Nikolaus Piper

Früher einmal, als in Versailles König Ludwig XIV. und in München der Kurfürst Max Emanuel über ihre Völker herrschten, war Wirtschaftspolitik ganz einfach. Sie sollte das Gold in den Schatzkammern des Monarchen mehren. Das konnte geschehen, indem der Gewerbefleiß des Volkes gefördert wurde, vor allem aber dadurch, dass das Land mehr Waren exportierte als importierte, dass seine Handelsbilanz also einen Überschuss aufwies. Dafür hatten Zölle, Verbote und Monopole zu sorgen.

Die klassische Nationalökonomie begann im 18. Jahrhundert mit der Erkenntnis, dass dieses Streben nach einem möglichst hohen Überschuss in der Handelsbilanz Unfug ist, weil es zwangsläufig dazu führt, dass in einem anderen Land Handelsdefizite entstehen, das dadurch zum Feind wird. Adam Smith, der Urvater der Zunft, formulierte das so: Durch diese Politik würde "den Völkern eingeredet, ihr Interesse bestünde darin, alle ihre Nachbarn zu Bettlern zu machen". Seither heißt im Englischen der Versuch, eine Währung künstlich abzuwerten, um mehr Waren im Ausland zu verkaufen, beggar thy neighbour policy.

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Seit Adam Smith weiß man, dass Freihandel in der Regel allen beteiligten Nationen nutzt und dass der Versuch, andere zum Bettler zu machen, oft damit endet, dass man selber einer wird. Aber das alte Freund-Feind-Denken in Handelsfragen ist verführerisch, und besonders in Umbruchzeiten erliegen viele Menschen dieser Versuchung. Donald Trump ist insofern ein Kind unserer Zeit. Freihandel ist unpopulär, wie zuletzt die Demonstrationen in Deutschland gegen das zu Zeiten von Präsident Barack Obama geplante Handelsabkommen TTIP zeigten. Trump gibt dem noch eine besondere Note, indem er sich als verfolgende Unschuld gibt, so als müsse er eine Beggar-Thy-Neighbour-Politik betreiben, weil ja die anderen - besonders Chinesen und Deutsche - ihn zuvor schon zum Bettler gemacht hätten.

Diese Woche jedenfalls ist der amerikanisch-chinesische Handelskrieg auf dem Feld der Währungspolitik angekommen. Die Notenbank in Peking hat zugelassen, dass der Dollar gegenüber dem Yuan stärker geworden ist, was Produkte aus der Volksrepublik automatisch wettbewerbsfähiger macht. Trump erklärte China daraufhin zum "Währungsmanipulator". Alle wissen, dass das nicht stimmt und dass die Chinesen in Wirklichkeit einfach aufgehört haben, sich den Kräften von Angebot und Nachfrage entgegenzustellen. Und die machen die Währung billiger, auch wegen Trumps Zollpolitik.

Womit sich wieder die Frage stellt, wer hier wen zum Bettler macht. Der Währungsstreit diese Woche hat aber noch eine andere Bedeutung. Er illustriert, welche Brüche der Aufstieg Chinas zur Supermacht in der Welt im Allgemeinen und in Amerika im Speziellen auslöst. Chinas Währung Renminbi ("Yuan" ist der Name der Währungseinheit) ist nur halb in das Weltwährungssystem integriert, der Handel mit ihr ist stark eingeschränkt, die Kurse werden politisch gesteuert. Angesichts der Macht Chinas ist das ein Anachronismus. Die Frage ist: Wird es gelingen, diesen Anachronismus zu beseitigen und China in die offene Weltwirtschaftsordnung einzubinden? Oder wird die Welt in verschiedene Handelsblöcke zerfallen, die sich nach Trump'scher Manier mit Zöllen und Abwertungen bekämpfen?

Das Bekenntnis der USA zum "starken Dollar" ist Vergangenheit

Die historische Bedeutung dieser Frage kann gar nicht überschätzt werden. Die heutige, westlich dominierte Ordnung entstand, weil die westlichen Siegermächte des Zweiten Weltkrieges begriffen hatten, wie katastrophal die Folgen von Abschottung und Protektionismus im Vorlauf zu diesem Krieg waren. Die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich hatten sich in den frühen 1930er Jahren einen regelrechten Währungskrieg geliefert, unter dem besonders die Weimarer Republik litt. Die Politiker in Berlin machten den Kampf der Währungen nicht mit, weil dann die Schulden des Reiches ins Unermessliche gestiegen wären. Der Preis war eine verheerende Deflation. Das erklärt Hitler nicht, aber die Krise erleichterte zweifellos seinen Aufstieg.

Die Planungen für die neue, bessere Ordnung begannen bereits 1940, nach dem Fall Frankreichs, als Nazi-Deutschland auf dem Höhepunkt seiner Macht war. Damals entwarf Walther Funk, Wirtschaftsminister des Dritten Reiches, Pläne für eine "Neue Ordnung" in Europa, in der Wirtschaft und Währungen der besetzten Staaten dem deutschen Interesse unterworfen gewesen wären. Die Entwürfe für eine globale Wirtschaftsordnung, die damals in London und Washington entstanden, waren auch eine Antwort der zivilisierten Welt auf diese Pläne für einen nationalsozialistischen Handelsblock. Der Internationale Währungsfonds, 1944 auf der Konferenz von Bretton Woods beschlossen, sollte zum Beispiel verhindern, dass Länder jemals wieder auf Währungsmanipulation zurückgreifen mussten.

Das Währungssystem, das nach dem Krieg entstand, erlebte und überlebte schwerste Krisen. Im Endeffekt funktionierte es, weil die Vereinigten Staaten als faktische Garantiemacht dahinterstanden, die im Zweifel auch einmal kurzfristige nationale Interessen zurückstellte und sich zum "starken Dollar" bekannte. Diese Woche hat gezeigt, dass man sich auf diese Rolle der USA nicht mehr verlassen kann. Man darf sich dabei keine Illusionen machen - für seine aggressive Währungspolitik findet Trump im ganzen Land Unterstützung. Elizabeth Warren, eine dezidiert linke Bewerberin um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, legte gerade einen eigenen Plan vor, wie die USA den Dollar gezielt abwerten und so Jobs schaffen könnten. Es ist keine Frage, wie Adam Smith das genannt hätte.

© SZ vom 09.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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