Freihandel:Ceta: Kommt Deutschland da noch raus?

  • Hunderttausende Bürger unterstützen das Verfahren gegen Ceta vor dem Verfassungsgericht.
  • Am ersten Verhandlungstag werden vor allem die Argumente beider Seiten vorgetragen - eine vorläufige Entscheidung soll es aber schon am Donnerstag geben.

An diesem Mittwoch wird vor dem Bundesverfassungsgericht die Verhandlung über das umstrittene Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada geführt.

Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sagte zur Eröffnung der Verhandlung, die politische Debatte neige zu Vereinfachungen - die verfassungsrechtliche Bewertung müsse aber der Komplexität der Angelegenheit Rechnung tragen. Dazu zitierte er Albert Einstein mit den Worten: "Alles sollte so einfach wie möglich sein, aber nicht einfacher."

Das Gericht will bei der Prüfung der Eilanträge angesichts der gravierenden Folgen einer solchen Entscheidung einen strengen Maßstab anlegen. "Das gilt ganz besonders, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Maßnahme mit völkerrechtlichen oder außenpolitischen Außenwirkungen in Rede steht", sagte Voßkuhle.

Die Eilklagen von rund 200 000 Bürgern und der Linksfraktion im Bundestag zielen zunächst darauf, dass Karlsruhe den deutschen Vertretern im EU-Ministerrat aufträgt, bei der Abstimmung über die vorläufige Anwendung des Abkommens am kommenden Dienstag mit "Nein" zu stimmen.

Die Verfassungshüter müssen deshalb in einer sogenannten Folgenabwägung feststellen: Welche Nachteile hätte es, wenn die Bundesregierung nach der geplanten vorläufigen Anwendung von Ceta nicht mehr aus dem Vertrag herauskäme - aber die Verfassungsklagen später im Hauptsacheverfahren Erfolg hätten? Und umgekehrt: Welche Nachteile es hätte, wenn der Ceta-Prozess nun gestoppt würde, die eigentliche Klage sich aber später als erfolglos erweist?

Darum interessierte sich in den ersten Verhandlungsstunden das Gericht - vereinfacht - vor allem für die Frage: Kommt Deutschland noch aus Ceta heraus, wenn der Vertrag vorläufig angewendet wird? Nach den ersten Anhörungen an diesem Mittwoch dürfte das Gericht wohl eher zu dem Schluss kommen: Das ist der Fall.

Die Organisationen Campact, Foodwatch und Mehr Demokratie hatten für ihre Klage etwa 125 000 Unterstützer gefunden, die zweite Klage, initiiert von der Musiklehrerin Marianne Grimmenstein, wurde von 68 000 Menschen unterschrieben und vielen weiteren unterstützt. Die Kritik der Kläger: Ceta sei verfassungswidrig und untergrabe demokratische Prinzipien. Sie wollen deshalb, dass das Verfassungsgericht die Zustimmung der Bundesregierung zu dem Abkommen verhindert. Diese "einstweilige Anordnung" wäre allerdings nur vorläufig, eine endgültige Entscheidung wird das Gericht erst in den kommenden Monaten treffen.

Es ist ungewöhnlich, dass das Bundesverfassungsgericht die Termine für die mündliche Verhandlung und die Urteilsverkündung so rasch angesetzt hat. Prozessbeobachter deuten das als Zeichen dafür, dass die Richter im komplexen Ceta-Vertragswerk tatsächlich ein verfassungsrechtliches Problem entdeckt haben. Die schnelle Verhandlung soll es der Bundesregierung ermöglichen, notfalls noch vor der geplanten Abstimmung Ende Oktober einzugreifen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte vor Verhandlungsbeginn vor einem Scheitern des Ceta-Abkommens gewarnt: "Für Europa wäre das eine Katastrophe", sagte er. Doch auch in anderen Länden regt sich Widerstand gegen Ceta. Zuletzt kündigte der Präsident des wallonischen Regionalparlamentes in Belgien an, viele Abgeordnete würden gegen das Abkommen stimmen.

Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern äußerte sich ebenfalls kritisch. "Ich bin davon überzeugt, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einen großen Einfluss haben wird", sagte Kern am Montag. Auch die slowenische Regierung hat Bedenken angemeldet.

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