Süddeutsche Zeitung

Frauenquote:Schneller Aufstieg, plötzlicher Abgang

Wegen des öffentlichen Drucks versuchen Unternehmen zunehmend, Frauen in sichtbare Top-Positionen zu bringen. Oft sind das Quereinsteigerinnen, die schnell Karriere gemacht haben - nicht immer geht das gut.

Von Karl-Heinz Büschemann und Caspar Busse

Die Post gibt es seit mehr als 500 Jahren, und Angela Titzrath war die erste Frau im Top-Management. Die 48-Jährige kam vor zwei Jahren von Daimler zu dem Logistikkonzern in Bonn, war fortan für 480 000 Mitarbeiter zuständig und damit die mächtigste Personalchefin in Deutschland. Mitte dieser Woche gab sie ihr Amt überraschend auf.

Titzrath gehe "aus persönlichen Gründen", hieß es. Dahinter steht offenbar ein handfestes Missverständnis. Titzrath sollte eine neue Personalpolitik umsetzen, die noch immer strenge Post-Hierarchie aufbrechen, neue Wege gehen, in den Tarifverhandlungen im kommenden Jahr Härte zeigen. Aber das alles ging nicht so schnell, es gab interne Widerstände.

Jetzt will Post-Chef Frank Appel den Job erst einmal selbst machen. Titzraths Berufung im Mai 2012 galt als Zeitenwende in dem konservativen Unternehmen. Ihr Vorgänger Walter Scheurle hatte einst eine Lehre als Briefträger absolviert und Karriere in der Gewerkschaft gemacht, bevor er zwölf Jahre lang Personalchef war. Dann setzte Appel auf die Quereinsteigerin Titzrath, die er vom Autokonzern Daimler abwarb.

Abgänge von Frauen in Vorständen häufen sich

Wenn Frauen gehen, erregt das oft mehr Aufmerksamkeit als das Ausscheiden eines Mannes. Die Vorstände der großen deutschen Unternehmen werden nur langsam weiblicher, 13 Frauen gibt es inzwischen in den Dax-Vorstandsetagen. Aber es hat den Anschein, als häuften sich die Abgänge von Frauen.

Siemens hatte Brigitte Ederer und Barbara Kux in den Vorstand geholt, beide mussten bald wieder gehen. Marion Schick war ihren Job als Personalchefin bei der Deutschen Telekom nach zwei Jahren wieder los. Elke Strathmann scheiterte bei Conti. Beim Softwarekonzern SAP gingen sogar gleich zwei Frauen hintereinander. Von 19 Frauen, die seit 2010 insgesamt in Dax-Vorstände berufen worden waren, sind sieben schon wieder ausgeschieden.

Ann-Kristin Achleitner, Wirtschaftsprofessorin aus München und Mitglied mehrerer Aufsichtsräte, sieht diese Entwicklung mit Sorge. Es gebe durchaus eine Reihe erfolgreicher Top-Managerinnen, sagt sie, etwa bei Allianz oder Munich Re, über die rede aber niemand.

Achleitner räumt aber ein, dass es oft besonders schwer für Quereinsteigerinnen in Unternehmen sei. "Die wirklich wichtige Frage ist: Wie können sich Frauen in einem Unternehmen entwickeln?", so Achleitner. Häufig würden Frauen eilig von außen ins Unternehmen geholt, um bestimmte Quoten zu erreichen. Besser sei es, wenn sich weibliche wie männliche Neulinge zunächst in der Ebene unter dem Vorstand beweisen könnten.

Bundesregierung will Geschlechterquote ausweiten

Mitten in der hitzigen Debatte über die Benachteiligung von Frauen in Führungspositionen tun sich die Unternehmen schon jetzt schwer, ausreichend geeignete Kandidatinnen für ihre Führungsgremien zu finden. Das hindert die Bundesregierung aber nicht daran, die Zahl der Unternehmen, für deren Vorstände und Aufsichtsräte demnächst eine gesetzliche Geschlechterquote gelten soll, massiv auszuweiten.

Nach den bisher bekannten Plänen der Bundesregierung sollten nur etwa 100 große deutsche Aktiengesellschaften von einer Frauenquote von 30 Prozent betroffen sein. Inzwischen weitet ein neuer Gesetzentwurf, der stark die Handschrift von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) trägt, den Kreis der betroffenen Unternehmen auf bis zu 3500 Firmen aus.

Nach den Schwesigs Plänen sollen auch viele kleinere Firmen einbezogen werden. In jedem Fall sollen Geschäftsführung oder Aufsichtsrat mit "mindestens einem Mann oder einer Frau" besetzt werden.

Dieses Vorhaben sorgt gerade bei Mittelständlern für blankes Entsetzen. Viele dieser Unternehmen haben nur Zwei- oder Drei-Personen-Führungsgremien. Aus Quotengründen zusätzlich eine Frau zu engagieren und die Führungsmannschaft zu vergrößern, wollen sich viele Mittelständler gar nicht erst vorstellen.

Deshalb regt sich beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Widerstand. Bei vielen hundert Unternehmen, die nur kleine Führungsgremien haben, wäre das eine "fixe Zwangsquote durch die Hintertür", klagt BDI-Geschäftsführer Holger Lösch. "Das ist ein grotesker Eingriff in die unternehmerische Freiheit."

Manfred Gentz, Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, erkennt keinen Handlungsbedarf für den Gesetzgeber: "Aufgrund der erreichten Fortschritte und des nachhaltigen positiven Trends sehen wir nicht die Notwendigkeit für eine gesetzliche Frauenquote."

Nicht nur Arbeitgeber klagen über die ehrgeizigen Quotenpläne. Auch die Gewerkschaften kommen bei dem Berliner Prestigeprojekt in die Bredouille. Sie können kaum öffentlich die Pläne der Bundesregierung zur Förderung von Frauen angreifen. Aber sie sind verärgert. Sie tun sich ebenfalls schwer, genügend geeignete Frauen für die Arbeitnehmerseite der Aufsichtsräte zu finden. Das gilt vor allem für Unternehmen, deren Belegschaften männlich dominiert sind wie bei Stahlherstellern oder Autobauern.

"Bei der Wahl der betrieblichen Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten müssen wir uns am Geschlechterverhältnis im Betrieb orientieren", fordert Elke Hannack vom DGB. In der Frauenfrage sind sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber sogar einig.

"Man verpflichtet eine Frau, und alle Probleme sind gelöst, das ist doch naiv", stöhnt eine Top-Managerin in einem Dax-Konzern. Das Thema sei vielschichtiger. Gerade für den Personalbereich seien im Vorstand überdurchschnittlich oft Frauen zuständig, beispielsweise Bettina Volkens bei Lufthansa, Margret Suckale bei BASF oder Kathrin Menges bei Henkel. Gerade Personal sei aber alles andere als ein weiches Thema, erzählt eine Insiderin. Das musste auch Angela Titzrath feststellen.

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SZ vom 05.07.2014/fie
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