Frauen in Aufsichtsräten: "Ich habe mir fest vorgenommen, Frauen nachzuziehen"

Frauen in Aufsichtsräten: Alle drei waren oder sind Aufsichtsrätinnen in großen Unternehmen: Beate Heraeus, Ann-Kristin Achleitner und Manuela Rousseau (v.l.).

Alle drei waren oder sind Aufsichtsrätinnen in großen Unternehmen: Beate Heraeus, Ann-Kristin Achleitner und Manuela Rousseau (v.l.).

(Foto: Stephan Rumpf)

Beate Heraeus, Ann-Kristin Achleitner und Manuela Rousseau haben es geschafft. Sie verändern die Wirtschaft. Und nun? Alles gut? Nein, sagen die Managerinnen - sie selbst dürften nur der Anfang sein.

Von Hannah Wilhelm

Es sei ein wichtiges Thema, sagt Ann-Kristin Achleitner, dass Aufsichtsräte divers werden. "Ich hoffe, dass ich dadurch, dass ich da bin, einen positiven Effekt habe." Und Achleitner ist da. Sie ist präsent und sie hat die Wirtschaft verändert. Die Professorin an der Technischen Universität München ist wohl eine der bekanntesten und mächtigsten Aufsichtsrätinnen hierzulande. Sie sitzt unter anderem im Aufsichtsgremium von Linde und der Münchener Rück, bis vor Kurzem auch in dem von Metro, der Deutschen Börse und dem des französischen Energieunternehmens Engie.

Es hat sich etwas verändert in Deutschlands Aufsichtsgremien. Das findet auch Manuela Rousseau, die seit 1999 im Aufsichtsrat des Konsumgüterkonzerns Beiersdorf sitzt, als erste Frau überhaupt. Vor 20 Jahren sei sie noch sehr einsam gewesen. "Ich habe mir fest vorgenommen, Frauen nachzuziehen", sagt sie.

Den Hauptgrund dafür, dass sich gerade seit Kurzem so viel tut, benennt die Wirtschaftswissenschaftlerin und Unternehmerin Beate Heraeus im Gespräch mit Achleitner und Rousseau sehr schnell: "Die Quote wirkt."

In Deutschland gilt seit 2016 für die Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen eine verbindliche Quote von 30 Prozent - wenn die Anteilseigner und die Arbeitnehmervertreter gleich viele Sitze im Aufsichtsrat besetzen. Wird ein Posten neu besetzt, müssen so lange Frauen gewählt werden, bis die 30 Prozent Marke erreicht ist. Ansonsten bleibt der Posten leer. So will es das Gesetz, das jedoch nur wenige Unternehmen voll betrifft. Zahlreiche andere werden zwar aufgefordert, den Frauenanteil im Management zu erhöhen, verweigert sich ein Unternehmen, sind jedoch keine Sanktionen vorgesehen. In Norwegen zum Beispiel ist das anders. Dort droht sogar im Extremfall die Auflösung eines Unternehmens, wenn die Quote von 40 Prozent nicht eingehalten wird. In anderen europäischen Ländern werden, wenn die Vorgaben nicht eingehalten werden, zum Beispiel Strafzahlungen fällig oder Sitzungsgelder nicht bezahlt.

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Heute stellen Frauen immerhin etwas über 30 Prozent der Mitglieder in Aufsichtsräten in den 160 börsennotierten Unternehmen der größten deutschen Indizes. "In den Vorständen dagegen dümpelt die Zahl so vor sich hin", sagt Beate Heraeus. Sie selbst saß von 2003 bis 2005 im Aufsichtsrat ihres Familienunternehmens Teutonia Zementwerke in Hannover. Bei Heraeus, dem Unternehmen ihres Ex-Mannes, hatte sie viel zu sagen, aber keine öffentliche Funktion. Seit 2008 ist sie die Vorsitzende der Heraeus Bildungsstiftung, seit 2012 Präsidentin von Senckenberg, der international tätigen Gesellschaft für Naturforschung. Was ihr sehr wichtig ist: Es geht ihr nicht einfach pauschal um die Förderung von Frauen. "Was wir erreichen wollen, ist doch, dass wir einen möglichst lebendigen, munteren Aufsichtsrat haben. Um das Unternehmen, um die Wirtschaft zu stärken." Mit Frauen in den Aufsichtsräten habe sich die Diskussionskultur sehr verändert. Frauen fragten mutiger, legten oft auch Wissenslücken offen, was die Diskussion voranbringe. Ebenso wichtig sei es, junge Menschen für die Arbeit in Aufsichtsgremien zu begeistern, "weil diese die Welt anders sehen". Wenn sie, Heraeus, eine andere Meinung hören wolle, helfe ihr eines immer weiter: "Ich habe eine sehr kritische Tochter, die rufe ich dann an."

Wenn die Wirtschaft wirklich diverser werden soll, muss die Arbeitsbelastung sinken

Wie es Heraeus schon andeutet: Wesentlich schlechter sieht in Deutschland die Bilanz bei den Vorstandsposten aus, für die es keine Quote gibt. Nur gut neun Prozent der Vorstandsmitglieder sind weiblich, erst seit Oktober dieses Jahres steht mit Jennifer Morgan beim Softwarekonzern SAP die erste Frau in Deutschland an der Spitze eines Dax-Konzerns. Was in anderen Ländern wie den USA seit Jahren selbstverständlich ist, hat hierzulande also bis 2019 gedauert. Kein Zufall vermutlich, dass die 48-jährige Jennifer Morgan eine Amerikanerin ist, also aus einem Land kommt, in dem sich Firmen weniger schwer damit tun, Frauen an die Macht zu lassen. Einem Land, in dem, so erzählt es Ann-Kristin Achleitner, auch die Investoren schon ganz anders Druck machen, damit sich Unternehmen diverser aufstellen.

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Und auch Morgan macht den Job bei SAP nicht alleine, sondern im Doppel mit ihrem Kollegen Christian Klein. Das zeige, sagt Rousseau, ein weiteres Problem auf: Die Arbeitsbelastung in Toppositionen sei einfach zu hoch. "Da kann man 24 Stunden an sieben Tagen die Woche arbeiten", sagt die Managerin. Dass sich daran etwas ändern muss, wenn die Gesellschaft wirklich mehr Diversität in der Wirtschaft möchte, da sind sich Rousseau, Heraeus und Achleitner einig. Achleitner erzählt von ihrer Bewunderung für die ehemalige Bischöfin Margot Käßmann, die in einem Interview sehr ehrlich erzählt habe, wie unzählig viele Male sie gelogen habe, sie müsse zu einem beruflichen Termin, wenn sie sich eigentlich einfach um ihre Töchter kümmern musste.

Die ganze gesellschaftliche Debatte um Mütter müsse sich verändern, da sei jeder in der Pflicht, etwas anders zu machen. Und Achleitner fügt hinzu: "Wir müssen die Vereinbarkeit besser machen, nicht nur für die Frauen." Und Rousseau ergänzt: "Ich wünsche mir, dass Teilzeit männlicher wird" - und erntet dafür Szenenapplaus. Heraeus: "Auch mit jüngeren Menschen müssen wir großzügiger sein, wir können an die nicht die gleichen Ansprüche stellen."

Wie sehen also die drei Frauen, die es geschafft haben - die Quote? Eventuell auch für Vorstände? Manuela Rousseau überlegt. Eine Finanzvorständin gebe es bei Beiersdorf. Das sei nicht ausreichend. "Ich sehe auch oft, dass eine einzelne Frau es sehr schwer hat in solchen Gremien. Wenn da drei Frauen wären, dann wäre das schon eine Gemeinschaft." Beate Heraeus lächelt, nickt und sagt: "Ich befürchte, wir kommen ohne die Quote nicht aus."

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