Frauen im Silicon Valley:Macht euch mal locker

Lesezeit: 3 Min.

Die Apple-Musik-Managerin Bozoma Saint John ist das Gegenteil der weißen Nerds und rappt auf der Bühne - die männlichen Programmierer im Publikum reagieren verwirrt. Das Silicon Valley braucht Frauen wie sie.

Von Sara Weber, München

Wer im Silicon Valley von Unicorns, also Einhörnern, spricht, meint damit meist Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden. Doch im Silicon Valley gibt es noch eine zweite Art von Einhörnern: Personen, die so selten sind wie Fabelwesen.

Bozoma Saint John ist so eines. Sie ist eine Frau, eine Afroamerikanerin und hat eine führende Rolle bei einem der größten Tech-Konzerne der Welt. "Boz", wie sie von ihren Freunden genannt wird, leitet das weltweite Consumer Marketing bei Apple Music. Auf Apples Entwicklerkonferenz WWDC trat sie erstmals vor großem Publikum auf - und begeisterte Zuschauer und Internet gleichermaßen: Twitter widmete ihr einen "Twitter Moment", mit dem der Dienst besondere Nachrichtenereignisse kennzeichnet.

Saint John ist in Ghana geboren und aufgewachsen. Als sie 14 Jahre alt war, zog die Familie in die USA, nach Colorado Springs. Sie studierte Englisch und afro-amerikanische Studien an der Wesleyan University in Connecticut, arbeitete für das Modelabel Ashley Stewart, mehrere Werbeagenturen und das Unternehmen Pepsi. Dort war sie für die Markenintegration zuständig und verpflichtete Stars wie Katy Perry, Kanye West, Nicki Minaj und Eminem als Gesichter der Marke. 2014 wechselte sie zu Beats Music, das Unternehmen wurde später ins Apple-Imperium eingegliedert.

"Ihr kennt diesen Rhythmus doch. Wir rappen jetzt!"

Jetzt, zwei Jahre später, rückte Saint John mit ihrem Auftritt auf der Entwicklerkonferenz in den Fokus der Öffentlichkeit, US-Medien waren begeistert. Sie stellte Neuerungen von Apple Music vor und spielte dabei nicht etwa Apples Vorzeige-Star Taylor Swift, sondern die Musik, die ihr persönlich am Herzen liegt. Vor einem Publikum aus größtenteils weißen, männlichen Journalisten und Programmierern stand sie im Kleid einer ghanaischen Designerin auf der Bühne und startete mit "Rapper's Delight", einem Hip-Hop-Klassiker der Sugarhill Gang. "You recognize this beat, right?", rief sie, ihr kennt diesen Rhythmus doch. "C'mon, we'll make that whole auditorium rock." Das Publikum klatschte verhalten mit, die Kamera, die durch die Reihen schwenkte, zeigte viele peinlich berührte und unverständig grinsende Gesichter.

Erst vergangene Woche hat Bozoma Saint John bei Apple gekündigt. Sie macht künftig Marketing für Uber. (Foto: oh)

Weil Apple Music jetzt auch die Texte der Lieder in die App integriert, wollte Saint John die Textsicherheit des Publikums prüfen: "C'mon, we're gonna rap!" - wir rappen jetzt! Allerdings folgte kaum jemand ihrer Vorlage. Saint Johns Reaktion: ein bisschen Stichelei: "Wir müssen auf Pause drücken, einige von euch rappen nicht im Takt mit", sagte sie. Auch die übrige Musik, die sie auf der Bühne abspielte, passte zu dem Bild der starken, schwarzen Frau - und umso weniger zu dem weißen, männlichen Nerd-Publikum, das bei einer Apple-Veranstaltung eben im Saal sitzt. Das zeigte etwa die Single "Money" von Leaf (Saint John: "Oh ja, dazu könnte ich den Gang entlangmarschieren!") und "Atom" der ghanaischen Band Yewo Krom, eine Hommage an ihre Heimat. Auch wenn es dieser Auftritt war, der Saint John einem breiterem Publikum vorstellte, ist sie im Silicon Valley schon lange ein vertrautes Gesicht und bekannt dafür, Deals mit großen Musikern zu landen.

Als sie noch bei Pepsi arbeitete, soll sie die Strippen für Beyoncés legendären Super-Bowl-Auftritt im Jahr 2013 gezogen haben. Auch beim Apple-Music-Spot mit den Schauspielerinnen und Sängerinnen Mary J. Blige, Taraji P. Henson und Kerry Washington hatte Saint John ihre Finger mit im Spiel. Auf Twitter wurde er unter dem Hashtag #Blackgirlmagic gefeiert. Dass Saint John gerne mit Musikern arbeitet, sieht sie auch in ihrer Biografie begründet: Ihr Vater war Musiker und hatte einen Doktortitel in Ethno-Musikwissenschaften und Anthropologie. "Ich glaube, seine Leidenschaft muss schon früh auf mich abgefärbt haben", sagte sie in einem Interview. In der zehnten Klasse bewarb sie sich für die Schülervertretung. Der Slogan ihrer Kampagne: "Nuthin but a Boz thang", eine Anspielung auf ein Rap-Stück des Künstlers Dr. Dre.

"Ich werde noch tausendmal aufstehen, wieder und wieder."

Sie bezeichnet sich selbst als "superexecu-mommy", eine Mischung aus erfolgreicher Businessfrau und Mutter. Ihr Mann ist an Krebs gestorben, sie zieht ihre siebenjährige Tochter Yael allein groß. Auf Twitter postet sie Zitate von Nietzsche ("Verbrennen musst du dich wollen in deiner eignen Flamme: wie wolltest du neu werden, wenn du nicht erst Asche geworden bist.") und auf Instagram Fotos ihrer Outfits.

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Besonders deutlich wird ihre Stärke, wenn sie auf einer Bühne steht. So wie am Dienstagabend bei der "Women of Influence Gala" der TJ Martell Foundation, einer Organisation, die Krebsforschung unterstützt.

Saint John wurde dort geehrt, ihre Laudatio hielt Andra Day, eine der besten Soulsängerinnen der Gegenwart. Day sang ihren Song "Rise Up". Saint John sagt über ihn, er sei so etwas wie der Soundtrack ihres Lebens geworden.

Yael stand auch an ihrer Seite, als Saint John den Preis entgegennahm. Die Preisträgerin sagte, den Liedtext von Day paraphrasierend: "Ich werde noch tausendmal aufstehen, wieder und wieder, für sie und für mich selbst und für die Zukunft. Und selbst wenn ich jeden Tag herumlaufe als 1,80 Meter große Frau mit zehn Zentimeter hohen Absätzen, mit all meinen Haaren und meiner kompromisslosen Haltung, habe ich trotzdem manchmal Angst. Aber wir haben uns, wie der Song sagt, und wir haben unsere Hoffnung."

Diese Einstellung ist es, die Bozoma Saint John vermitteln will. Damit es andere wie sie dorthin schaffen, wo sie heute ist: ins Silicon Valley, zu Apple, als Einhorn der Branche.

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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