Frauen gegen Wal-Mart:Glücksspiel: Sammelklage

In den USA wird so viel wie in keinem anderen Land der Erde geklagt. Jetzt muss sich auch der Discounter vor Amerikas Gerichten fürchten.

Von Andreas Oldag

Es geht um Hunderte von Millionen Dollar, wenn nicht sogar um Milliarden Dollar. Der US-Handelsriese Wal-Mart muss sich gegen eine Sammelklage wegen Benachteiligung weiblicher Angestellter wehren.

Falls das Unternehmen aus Bentonville den Prozess verliert, droht eine saftige Schadenersatzzahlung an die Kläger. Wie in den USA bei solchen Verfahren häufig üblich, ist die Klage ursprünglich nur von wenigen Angestellten eingereicht worden.

Sammelklage verteuert Prozess

Doch nachdem ein US-Bundesrichter im kalifornischen San Francisco entschieden hatte, eine Sammelklage zuzulassen, können nun andere Wal-Mart-Mitarbeiter dem Prozess beitreten.

Und das kann für den Konzern, der bei amerikanischen Gewerkschaften wegen schlechter Bezahlung in Verruf geraten ist, teuer werden. Denn nun sind in dem Verfahren auf einen Schlag 1,6 Millionen frühere und heutige Angestellte vertreten.

Die Frauen werfen ihrem Arbeitgeber vor, sie jahrelang gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt zu haben. Außerdem seien sie nicht im gleichen Maße befördert und schlechter bezahlt worden.

Auch abstrus wirkende Klagen

In den USA wird so viel wie in keinem anderen Land der Erde geklagt. Es geht um Diskriminierung am Arbeitsplatz, vor allem aber auch um gesundheitsgefährdende Produkte.

Schadenersatzprozesse basieren auf angelsächsischen Rechtsprinzipien. Der Ausgang der Prozesse ist für die Beklagten häufig ein Glücksspiel. Laienrichter, die von den komplizierten Sachverhalten häufig nur wenig verstehen, sind an der Urteilsfindung beteiligt.

Glücksspiel: Sammelklage

Kein Zufall, dass sogar abstrus erscheinenden Klagen stattgegeben wurde, die aus europäischem Rechtsverständnis kaum eine Chance oder viel bescheidenere Schadensersatzsummen zur Folge gehabt hätten.

668.000 Dollar für verschütteten Kaffee

So sprach ein Geschworenengericht in Florida einem Familienvater 668.000 Dollar Schmerzensgeld zu. Dem Kläger hatte eine Kellnerin bei einer polynesischen Frühstücksfeier in Disneyworld heißen Kaffee zwischen die Beine gekippt — der Becher war vom Tablett gekippt. Der Ex-Polizist erlitt durch das Malheur Verbrennungen.

Ein Geschworenengericht in Texas verurteilte den Hersteller einer Diätpille zu einer Milliarde Strafe und Schadenersatz. Die Jury kam zu dem Schluss, dass das Pharmaunternehmen Wyeth für den Tod einer Frau verantwortlich ist, die das Medikament Pondimin eingenommen hatte.

In vielen Fällen enden Schadenersatzprozesse mit einem außergerichtlichen Vergleich, weil die betroffenen Firmen andernfalls schlechte Publicity befürchten.

"Erpresserische Rechtskultur"

Die Inflation der Klagen hat jedoch auch Kritiker auf den Plan gerufen. Im Zusammenhang mit Asbest-Prozessen spricht der US-Rechtsprofessor Lester Brickman-Cardozo aus New York von einer "erpresserischen Rechtskultur".

Er wirft Klägern vor, ohne tatsächlichen ärztlichen Befund und mit fabrizierten Aussagen der Anwälte, Unternehmen zur Zahlung von hohen Entschädigungen zu zwingen.

Dies habe dazu geführt, dass die berechtigten Anliegen der tatsächlich Asbest-Geschädigten in den Hintergrund getreten seien.

Brickman-Cardozo rechnet mit knapp einer halben Million unberechtigter Asbestklagen in den USA. Insgesamt seien 28,5 Milliarden Dollar gezahlt worden, wovon die Anwälte als Honorare zehn Milliarden kassiert hätten.

Nach Meinung Brickmans seien durch die dubiosen Klagen 70 Unternehmen in die Pleite gezwungen worden. Eine halbe Million Arbeitsplätze sei damit verloren gegangen.

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